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Skateboarding is not a crime!


Skaten erfreut sich in der letzten Zeit, auch durch die Lockdowns, vor allem bei Jugendlichen immer größerer Beliebtheit. Während Fitnessstudios, Sporthallen oder Parks geschlossen waren, waren die öffentlichen Plätze einer der wenigen Orte, wo sich Jugendliche treffen und beim Skateboarden Sport treiben und soziale Kontakte pflegen konnten. So kennt man den Kaiser-Josef-Platz am Morgen als Bauernmarkt, abends wurde er besonders in der Zeit der Covid-Lockerungen zum Treffpunkt von jungen Skater:innen, die die Bänke für Kunststücke am Skateboard nutzten.

Die Betonung liegt hier ganz eindeutig bei WURDE – denn das ist jetzt Vergangenheit: seit zwei Wochen gilt nämlich in Graz ein Skateverbot an öffentlichen Plätzen. Grund war laut Vizebürgermeister Mario Eustacchio (FPÖ) eine Anzeige eines Juristen beim Magistrat. Sein Argument: Aufgrund der Straßenverkehrsordnung sei das Skaten auf Gehsteigen und Plätzen dann verboten, wenn es andere gefährde. Die Polizei wäre hiermit unter anderem auch befähigt, artistische Tricks zu sanktionieren.

Vom Kompromiss zum Verbot

Am Lendplatz gab es schon länger einen Kompromiss mit dem Sportamt, welcher ermöglichte, dass Skater:innen zu gewissen Uhrzeiten skaten durften und zu anderen eben nicht. Solch ein Kompromiss sollte auch für den Kaiser-Josef-Platz gefunden werden.

Jedoch machte die FPÖ auf ihrer eigens konzipierten Website skaeterlaerm.at auf die Lärmbelästigung und Vermüllung der öffentlichen Plätze (wobei dies auch nicht ganz der Realität entspricht), welche durch die Skater:innen angeblich verursacht werde, aufmerksam, was zu einem endgültigen Verbot des Skatens auf den öffentlichen Plätzen in Graz führte. Rechtlich ist dies aber nicht unbedingt zwingend erforderlich. Auf Nachfrage im Verkehrsministerium bei Leonore Gewessler (Grüne) stellte sich heraus, dass die Rechtslage bezüglich des Skatens auf öffentlichen Plätzen nicht ganz eindeutig sei. Fahren sei erlaubt, springen aber eher nicht. Es geht dabei vor allem darum, was als Gehsteig und was als Fahrbahn gilt. Die schwammige Gesetzesformulierung kann offenbar so oder so ausgelegt werden. Im Gesetz steht nämlich nur wie folgt: Mit dem Skateboard ist neben der Benützung von Gehweg oder Gehsteig, Wohn- oder Spielstraßen, das Fahren in Parks oder auf ähnlichen Anlagen erlaubt. Wie das Gesetz vollzogen wird, liege auf alle Fälle bei den Ländern, heißt es im Ministerium. Bürgermeister Nagl (ÖVP) und Vizebürgermeister Eustacchio (FPÖ) legen das Gesetz in Richtung eines Verbots aus: Auf den Plätzen darf nun nicht mehr geskatet werden und die Polizei hat dies zu kontrollieren. Außerdem dürfen von der Polizei Organstrafmandate in Höhe von 15 Euro bei Nichtbefolgung ausgestellt werden. Der einzige Hoffnungsschwimmer für die Skatecommunity wäre eine Verordnung der Stadt gewesen, die öffentlichen Plätze als Spielstraßen deklarieren wollte. Die Stadt war aber mit dieser Lösung nicht zufrieden, da man so auch die Möglichkeit hätte, jedes andere beliebige Spiel wie Volley- oder Fußball zu spielen.[1]

Lösungen für die Skateproblematik

Aus den Kommentaren unterhalb der Onlineartikel der „Kleinen Zeitung“[2] ,die für die Recherche benutzt wurden, wird ersichtlich, dass viele Menschen, vornehmlich jene, die nicht skaten, glauben, dass es sowieso genug Skateparks gibt, welche die Community ausreichend nutzen kann. Ein Freund von mir, der sehr in der Grazer Skateszene aktiv ist, beschreibt die Situation so: „In Graz gibt es viel zu wenige Skateparks für die Anzahl der skatenden Personen. Und die, die es gibt, sind in einem sehr schlechten Zustand, wie der Skatepark bei den Eustacchio-Gründen, oder sind sehr merkwürdig geplant, wie jener beim Grünanger. Der Skatepark im Volksgarten, eine weitere Möglichkeit für Skater:innen ihren Sport auszuüben, sind so klein, dass ihn nur sieben Personen benutzen können. Der Augarten, der durch die neue Bucht bei jungen Menschen immer beliebter wird, besitzt nicht einmal einen richtigen Skatepark. Lediglich eine Miniramp (eine Art Halfpipe nur höher) und eine Rail (ein Hindernis in Form eines Metallrohrs, auf dem man mit dem Skateboard fährt) stehen den skatenden Personen zur Verfügung“.

Als Lösung für das Problem schlägt er vor, dass die Stadt Graz Ausweichmöglichkeiten für die skatende Bevölkerung bereitstellen sollte, die der Anzahl der Skater:innen gerecht wird. Denn die Skateparks waren, insbesondere während des harten Lockdowns, extrem voll, obwohl auch die öffentlichen Plätze wie der Kaiser-Josef-Platz oder der Lendplatz stark frequentiert wurden. Auch der Grazer Skateboardverein „GRÄB“ (Grazer Rollbrett Ästheten Bund) engagiert sich für die Skatecommunity, indem der Verein sich zuerst mit dem Sportamt um Konsens bemühte und nun den Skater:innen bei einer Organstrafe diese erlässt.[3]

Wissenschaftler:innen der Universität Graz für ein Ende des Skateverbots

Sogar hochrangige Professor:innen der Universität Graz Sebastian Ruin (Institutsleiter für Bewegungs- und Sportpädagogik), dessen Stellvertreter Markus Tilp und Sylvia Titze (Bewegung und Public Health), meldeten sich bezüglich des nun in Kraft tretenden Skateverbots in einem offenen Brief zu Wort und meinten, dass ein Verbot des Skatens an öffentlichen Plätzen und die ‚Verbannung‘ auf Skateparks am Rande der Stadt eine jugend- und bewegungsunfreundliche Politik seien. Außerdem sei das jetzt in Graz ausgesprochene Skateverbot auf öffentlichen Plätzen „ein schmerzhafter Rückschritt im Kampf gegen Bewegungsarmut“.

Kompromisse statt Verbote!

Die Professor:innen sprechen sich auch für ein in den Dialog treten der Skater:innen mit der Stadtpolitik aus, damit ein Konsens zwischen den Anrainer:innen, die sich zurecht über den Lärm aufregen, und den Skater:innen, die sich ebenso begründeter Weise den öffentlichen Raum „zurückerobern“ wollen, gefunden werden kann. So soll wieder über vereinbarte Ruhezeiten und -tage diskutiert werden. Das würde einerseits den Skater:innen helfen, die den Platz beleben, aber andererseits auch den Anrainer:innen zugutekommen, die dadurch nicht Gefahr laufen, bis in die frühen Morgenstunden von Skategeräuschen belästigt zu werden.

Positiv ist aber hervorzuheben, dass bereits erste Schritte in Richtung neuer Skatemöglichkeiten in Zentrumsnähe gemacht werden. So sollen etwa auf Höhe des McDonald’s bei der Stadthalle „Obstacles“ zum Skaten angebracht werden. Außerdem wird angedacht, den alten Verkehrsgarten im Stadtpark zu einem Skatepark umzufunktionieren.[4]

Ob es wirklich zu konkreteren Plänen kommt oder, ob das nur leere Versprechungen sind, wird sich zeigen. Solche oder ähnliche Projekte wären jedenfalls genau das, was sich Menschen aus der Skatecommunity wünschen würden. Außerdem haben es die Skater:innen, wie auch die Anrainer:innen auf jeden Fall verdient, dass konkrete Lösungen auf den Tisch gebracht werden, bei denen die Bedürfnisse der beiden Gruppen  nicht  gegeneinander ausgespielt werden. Denn: Skateboarding is not a crime – and wanting to sleep in peace isn’t either!

Quellen

[1] https://www.derstandard.at/story/2000126420746/graz-verhaengt-ein-skateverbot-auf-plaetzen, 06.05.2021

[2] https://www.kleinezeitung.at/steiermark/graz/5979759/In-einem-offenen-Brief_Bekannte-UniProfessoren-kritisieren-Grazer

[3] http://xn--grb-rla.at/2021/05/fuers-skaten-bestraft-so-bekommst-du-dein-geld-zurueck

[4] https://www.kleinezeitung.at/steiermark/graz/5979759/In-einem-offenen-Brief_Bekannte-UniProfessoren-kritisieren-Grazer


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