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Rohstoffe – Teil 3: Erdölförderung in Nigeria


Eine beispiellose Ölkatastrophe trägt sich seit Jahrzehnten im Nigerdelta zu. Weite Landstriche sind verseucht und die Bevölkerung leidet. Für den wohl wichtigsten Rohstoff der Welt, sind Konzerne und Staaten bereit, die Umwelt zu zerstören. Teil 3 von 3 dieser Beitragsserie zu Rohstoffen widmet sich den tragischen Konsequenzen, die die Suche nach dem „Schwarzen Gold“ mit sich bringt.

Erdöl ist ein fossiler Rohstoff, der über Jahrmillionen aus abgestorbener Biomasse entstanden ist und auf den gegenwärtig noch nicht verzichtet werden kann. Er ist als Treibstoff für die meisten Verkehrsmittel im Einsatz, wird in Kraftwerken zur Stromerzeugung verwendet, in der chemischen Industrie verarbeitet oder zur Kunststoffherstellung genutzt und findet sich sogar in Medikamenten und Kosmetika wieder. Weltweit fördern etwa 100 Staaten Erdöl. Ganze 50 Prozent der Gesamtfördermenge werden allerdings von nur fünf Staaten produziert – Kanada, den USA, Russland, Saudi-Arabien und dem Irak.[1] Im Jahr 2019 lag die globale Gesamtproduktion angesichts des enormen globalen Bedarfs bei 4.484,5 Tonnen.[2] Erdöl ist aus der heutigen Welt nicht mehr wegzudenken, aber leider auch für zahlreiche Umweltprobleme verantwortlich. Diese reichen von Verschmutzungen durch Unfälle, über das Plastik in den Weltmeeren bis hin zu einer Teilschuld am Klimawandel.

Reich an Erdöl, trotzdem arm

Die an der Atlantikküste Westafrikas liegende Bundesrepublik Nigeria ist mit 200 Millionen Einwohner:innen das bevölkerungsreichste Land Afrikas und stark von der Erdölförderung abhängig. 60 Prozent der Staatseinnahmen und 95 Prozent aller Exporterlöse werden auf diesem Wege erwirtschaftet.[3] In der Rangliste der erdölreichsten Staaten belegt Nigeria mit Ölreserven im Ausmaß von etwa 5 Milliarden Tonnen den 11. Platz.[4] Im Gegensatz zu Ländern wie Saudi-Arabien, dessen Wohlstand aus der Erdölproduktion stammt, ist Nigeria trotz seiner großen Reserven von Armut und bewaffneten Konflikten geprägt. Große Summen der Erlöse aus dem Erdölgeschäft verschwinden in den Taschen korrupter Politiker:innen oder werden anderweitig abgezweigt. Bei der Bevölkerung kommt jedenfalls nur wenig davon an. Knapp 48 Prozent der Nigerianer:innen, etwa 95 Millionen Menschen, leben daher unterhalb der Armutsgrenze und somit von weniger als zwei Euro pro Tag.[5]

Das nigerianische Erdöl wird im Rahmen von Joint Ventures ausländischer Mineralölkonzerne mit der Bundesrepublik Nigeria gefördert. Namenhafte Unternehmen wie Shell, ExxonMobil oder Chevron/Texaco sind an ihnen beteiligt und bohren an zahllosen Orten nach dem flüssigen Rohstoff. Besonders ertragreich ist das Oloibiri Ölfeld unter dem Nigerdelta, wo der drittlängste Fluss Afrikas in den Atlantik mündet. Tausende Kilometer Pipelines verlaufen im Delta durch Mangrovenwälder und Sümpfe, um das Rohöl zu den großen Häfen zu transportieren. Schon seit über 60 Jahren wird dieses Ölfeld ausgebeutet, was auch unübersehbare Spuren in der Landschaft hinterlassen hat.[6]

Die weltgrößte Ölkatastrophe

Allein zwischen Anfang 2010 und Ende 2020 kam es im Nigerdelta zu 10201 registrierten Ölaustritten. Dabei wurden etwa 57.223 Tonnen Rohöl in die Umwelt freigesetzt, die Böden und Gewässer langfristig verseuchten.[7] Pflanzen und Tiere gehen an den giftigen Stoffen zugrunde. Auch auf die Gesundheit der Bewohner:innen dieser Region hat die Ölkatastrophe gravierende Auswirkungen. Tagtäglich sind sie toxischen Dämpfen ausgesetzt, trinken verunreinigtes Wasser und nehmen gesundheitsschädliche Substanzen durch ihre Haut auf. Die Lebenserwartung ist daher mit lediglich 40-45 Jahren um zehn Jahre niedriger als im Rest des Landes.[8]

Landwirtschaft, Fischerei und Viehzucht bildeten lange die Lebensgrundlage der Menschen im Nigerdelta. Da diese Einkommensmöglichkeiten heute kaum mehr vorhanden sind, werden Pipelines illegal angezapft und das Öl am Schwarzmarkt verkauft, wodurch es zu weiteren Umweltschäden kommt. An der Förderung beteiligte Unternehmen behaupten, dass der Großteil der Verschmutzungen darauf zurückzuführen sei. Laut Shell sollen sogar bis zu 70 Prozent aller Öllecks durch Sabotage und Diebstahl entstanden seien.[9] Ob diese Angaben stimmen, ist zu bezweifeln, denn viele Pipelines sind einfach in schlechtem Zustand. Korrosion, mangelnde Wartung und Materialermüdung sind ebenfalls Gründe für den Austritt von Rohöl.

Alles für den Profit

Da Nigeria von der Erdölförderung abhängig ist, wird von staatlicher Seite wenig unternommen, um die Zustände im Nigerdelta zu verbessern. Zu groß sind die Bedenken seitens der Regierung, dass internationale Unternehmen sich zurückziehen könnten, wodurch die Haupteinnahmequelle des Staates versiegen würde. Um das Ölfeld weiter ausbeuten zu können, geht sogar das nigerianische Militär gegen Einwohner:innen vor, die sich gegen die Umweltkatastrophe und Zerstörung ihrer Heimat zur Wehr setzen. Der Frust der Nigerianer:innen ist groß, da sie kaum vom Ölreichtum ihres Landes profitieren. Für sie sind die Mineralölkonzerne Feinde, weshalb es auch zu Entführungen von Ausländer:innen durch bewaffnete Gruppierungen kommt. Generell ist die Sicherheitslage im Nigerdelta äußerst unübersichtlich. Verschiedene gewalttätige Banden, Polizei und Militär kommen immer wieder miteinander in Konflikt. Ölquellen und Pipelines werden angezündet oder zur Explosion gebracht. Regelmäßig verlieren Menschen dabei ihr Leben.

Trotzdem kämpfen manche Nigerianer:innen gemeinsam mit internationalen NGOs auf legalem Wege gegen die Zerstörung des Nigerdeltas. In den vergangenen Jahren wurde Shell mehrmals erfolgreich verklagt und vom Obersten Gerichtshof Nigerias dazu verurteilt, Rekordstrafen von mehreren Hundertmillionen US-Dollar zu bezahlen. Zudem wurde der Konzern verpflichtet, die von ihm verseuchte Umwelt zu reinigen. Bislang haben Säuberungsaktionen allerdings erst an 11 Prozent der von Shell verursachten Ölaustritte begonnen und das Unternehmen wehrt sich vor Gericht weiterhin dagegen, die Strafzahlungen zu leisten.[10]

Hilfe für Nigeria

Obwohl Nigeria noch Jahrzehnte unter der gewaltigen Ölkatastrophe leiden wird, da ihr Ende derzeit noch nicht in Sicht ist, hat man selbst dennoch die Möglichkeit, den Menschen des westafrikanischen Landes in anderen Bereichen zu helfen. Spendenaktionen, um die Armut der Bevölkerung zu lindern, ihr Recht auf Gesundheit besser durchzusetzen und Hunger zu bekämpfen, bieten beispielsweise UNICEF [11], Aktion gegen den Hunger [12] oder Caritas International [13] an. Um die Abhängigkeit von Erdöl langfristig zu verringern und Katastrophen wie im Nigerdelta zu verhindern, ist es wichtig, Alternativen aufzuzeigen, erneuerbare Energien zu fördern und sich des eigenen Konsumverhaltens bewusst zu werden. Jede:r einzelne kann etwas verändern, zum Beispiel indem Plastikmüll vermieden wird oder statt dem Auto öfters die Bahn genutzt wird.

Quelle

[1] https://www.eia.gov/energyexplained/oil-and-petroleum-products/where-our-oil-comes-from.php

[2] https://de.statista.com/statistik/daten/studie/40306/umfrage/welt-insgesamt—erdoelproduktion-in-millionen-tonnen

[3] https://www.liportal.de/nigeria/wirtschaft-entwicklung/

[4] https://de.statista.com/statistik/daten/studie/40062/umfrage/
laendervergleich—nachgewiesene-erdoelreserven-in-milliarden-tonnen/

[5] https://www.hapag-lloyd.com/de/news-insights/insights/2020/09/
how-nigeria-intends-to-finally-defeat-poverty.html

[6] https://www.liportal.de/nigeria/wirtschaft-entwicklung/

[7] https://oilspillmonitor.ng/

[8] https://www.n-tv.de/politik/dossier/Jeden-Tag-eine-Olpest-article1054201.html

[9] https://www.n-tv.de/politik/dossier/Jeden-Tag-eine-Olpest-article1054201.html

[10] https://www.amnesty.ch/de/themen/wirtschaft-und-menschenrechte/
fallbeispiele/nigeria/dok/2020/shell-kein-ende-in-sicht

[11] https://www.unicef.de/informieren/projekte/afrika-2244/nigeria-119746

[12] https://www.aktiongegendenhunger.de/laender/afrika/nigeria
?utm_source=grants&utm_medium=cpc&utm_campaign=9587590943&
utm_term=nigeria%20armut&gclid=Cj0KCQjwwLKFBhDPARIsAPzPi-
JuO7qZ7-z6iJ44k0G12sQoCf7_sgzynXjDE34dwlbO98Nd9PWGuGAaAnLOEALw_wcB

[13] https://www.caritas-international.de/hilfeweltweit/afrika/nigeria/projekt

Titelfoto: „Nigerdelta aerial 01“ by MilieudefensieNL is licensed under CC BY-NC-SA 2.0


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