
„Ökosozial“- gar nicht so banal!
„Wenn jemand bewusst einen direkten Schaden an meinem Haus anrichtet, sollte er/sie für die Reparaturen zahlen müssen!“ Bei diesem Satz würden vermutlich die meisten Menschen zustimmen. Was wäre aber, wenn der Schaden nicht sofort sichtbar wäre und das Haus 7,88 Milliarden Menschen zu gleichen Teilen gehören würde, auch denjenigen, die den Schaden verursacht haben?
Genau das ist nämlich der Fall, wenn es um die Gefährdung unseres Planeten durch Treibhausgasemissionen und ein damit einhergehendes Vorantreiben des menschgemachten Klimawandels geht. Bei einem Blick auf die Preise von Produkten, die im Vergleich zu anderen als emissionsintensiver und umweltschädlicher nachgewiesen wurden, sind beispielsweise Flüge (verglichen mit Zugfahrten), Fleisch (verglichen mit pflanzenbasierten Ersatzprodukten) oder Autos mit Verbrennungsmotoren (verglichen mit E-Autos) nicht teurer – im Gegenteil: umweltschädliches Verhalten wird gefördert, beispielsweise durch das Dieselprivileg in Österreich1, Pendlerpauschalen1 oder fehlende Steuern auf Kerosin2. Auch hinsichtlich der produzierenden Firmen, erscheint es sehr profitabel in emissionsreicher Produktion tätig zu sein. Von den 10 vermögendsten Unternehmen der Welt sind 50 Prozent Öl, Gas oder Automobilfirmen.3 Wer zahlt also die Reparatur unseres „Hauses“, wenn es weder die Hersteller_innen noch die Konsument_innen von den „Schaden- verursachenden Gütern“ tun?
Im Moment niemand, aber das soll sich bald ändern. In den letzten Jahren hat die Debatte rund um sogenannte ökosoziale Steuerreformen an Fahrt aufgenommen. Aber was ist eine ökosoziale Steuerreform? Und warum brauchen wir so etwas?
Unser Klima- die Ausgangslage:
Im Jahr 2019 erreichten die Treibhausgaskonzentrationen in unserer Atmosphäre ein neues Hoch. Die immer weiter steigenden Emissionswerte von CO2, Methan und Dickstickstoffmonoxid seit dem Einsetzen der industriellen Revolution bewirkten einen Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur um 1.2 °C (± 0.1 °C) bis 2020.4 Die Wissenschaft ist sich weitgehend einig, dass eine weitere Erwärmung von bis zu 2°C aber bereits ab 1.5 °C fatale Folgen für das Leben auf unserem Planeten, in Form von Biodiversitätsverlust, Meeresspiegelanstieg, Extremwetterereignissen u.v.m., hätte.5 Bereits 2015 wurde bei der Pariser Klimakonferenz eine verpflichtende Emissionsreduktion für alle Staaten beschlossen. Die Erderwärmung solle unter 2°C, idealerweise unter 1.5°C gehalten werden.6
Emissionsreduktion, wie?
Die Ansätze wie genau dies sichergestellt werden soll, sind von Land zu Land unterschiedlich. In Europa werden vor allem Entwürfe zur korrekten Bepreisung von Gütern unter Einbeziehung dessen, was Ökonom_innen „Externalitäten“ nennen, zunehmend prominenter. Externalitäten oder externe Effekte sind die Auswirkungen von ökonomischen Handlungen auf unbeteiligte Dritte.7 Die anfallenden Treibhausgasemissionen bei der Produktion von Gütern oder beim Verkehr sind negative Externalitäten. Im Markt werden die entstehenden externen Kosten üblicherweise nicht berücksichtigt.7 Kurz gesagt: Wer ein Auto fährt, zahlt, wie eingangs schon erwähnt, den Umweltschaden nicht mit. Die externen Kosten liegen bei 12,8 Cent pro Personenkilometer im Vergleich zu 3,2 Cent/pkm bei der Fortbewegung mit einer elektrischen Bahn.2
Es braucht also Mechanismen wie Steuern oder Abgaben, welche die wahren gesamtgesellschaftlichen Kosten berücksichtigen. Mit einer CO2-Steuer kann man Kostenwahrheit erlangen und finanzielle Anreize für Firmen und Konsumet_innen setzen. Dies würde Emissionen reduzieren und das zusätzlich generierte Geld könnte in umweltfreundliche Projekte investiert werden.
Die Entscheidung über die Höhe der Steuer gestaltet sich allerdings als schwierig. Ökonomisch müsste sich die Steuer am konkreten Umweltschaden durch die Emissionen orientieren. Diesen in Zahlen zu bemessen, ist knifflig.2 Hingegen die Frage, ob man den Umweltschaden überhaupt preislich „internalisieren“ sollte, ist es, angesichts der Lage, nicht.
Wieso „öko“ nicht reicht und die Steuer auch noch „sozial“ sein soll
Bei Einführung einer Steuer stellt sich die Frage, wer die Kosten letztendlich trägt. Es besteht die Befürchtung, dass die Steuer besonders niedrigen und mittleren Einkommensschichten schaden könnte, weil die finanzielle Belastung für ärmere Haushalte relativ gesehen höher wäre. Dem könnte man entgegenwirken, indem man die Einnahmen durch die Steuer überlegt rückverteilt.8 Entwürfe und Empfehlungen dieser Rückverteilung inkludieren beispielsweise eine Senkung anderer Steuern im Arbeitssektor oder direkte Transferleistungen an Haushalte in Form eines „Öko-Bonus“.9
Österreich wie schaut’s aus?
Im Regierungsprogramm der türkis- grünen Regierung nimmt die ökosoziale Steuerreform einen zentralen Stellenwert ein.10 Die komplette Umsetzung, der bereits am 30.Jänner 2020 angekündigten Reform, zögerte sich allerdings hinaus.11 Ein großer Teil der Reform, nämlich die Änderung der Normverbrauchsabgabe (NoVA) für PKW tritt mit 1. Juli 2021 in Kraft.12 In der ORF Pressestunde am 25.04. sprach die Klimaschutzministerin Leonore Gewessler (Grüne) über eine Vielzahl an Schritten zur Erreichung der Klimaschutzziele. Sie erwähnte neben CO2 Bepreisungen unter anderem einen Umstieg auf öffentliche Verkehrsmittel und Förderungen für einkommensschwache Haushalte, auch im Ausstieg aus Ölheizungen. Als letzte Maßnahme, beim Verfehlen der Emissionsziele, sei auch eine Erhöhung der Mineralölsteuer angedacht.13 Diese Maßnahme bezeichnete der Wirtschaftskammergeneralsekretär Karlheinz Kopf (ÖVP) jedoch als „ideologiebetriebene Bestrafungsfantasien“14 und lehnte „Verbote oder steuerliche Diskriminierungen, wo Alternativen fehlen“, ab.13 Es bleibt also spannend, wie die Entwicklung, hin zur Kostenwahrheit von CO2, in Österreich weitergeht.
Conclusio
Alles in allem wäre eine ökosoziale Steuerreform durchaus ein machbarer Schritt in die richtige Richtung. Dieser Schritt geht allerdings mit der Befürchtung einher, dass Unternehmen bei zu hohen Umweltauflagen abwandern könnten und Wirtschaftswachstum und Arbeitsplätze gleich mitnehmen würden. Beispielsweise kündigte der Automobilkonzern Magna bereits eine Verlagerung der Produktion bei Einführung einer CO2 Steuer an.15 So lange also keine globale Lösung der Klimakatastrophe angestrebt wird und das langfristige Wohl aller an erste Stelle rückt, wird eine intakte Zukunft auf unserem Planeten und möglicherweise auch die Sicherstellung von Menschenrechten wie dem Recht auf Leben, Freiheit und Sicherheit oder dem Recht auf einen angemessenen Lebensstandard, für die nächsten Generationen immer unsicherer.
Quellen
[1] https://orf.at/stories/3153682/
[4] World Meteorological Organization, State of the Global Climate 2020- provisional report, page 3-5
[5] IPCC, 2018: Summary for Policymakers. In: Global Warming of 1.5 °C. An IPCC Special Report on the impacts of global warming of 1.5 °C above preindustrial levels and related global greenhouse gas emission pathways, in the context of strengthening the global response to the threat of climate change, sustainable development, and efforts to eradicate poverty [V. Masson-Delmotte, P. Zhai, H. O. Pörtner, D. Roberts, J. Skea, P. R. Shukla,A. Pirani, W. Moufouma-Okia, C. Péan, R. Pidcock, S. Connors, J. B. R. Matthews, Y. Chen, X. Zhou, M. I. Gomis, E. Lonnoy, T. Maycock, M. Tignor, T. Waterfield (eds.)]. World Meteorological Organization, Geneva, Switzerland.
[6] https://www.bmu.de/themen/klima-energie/klimaschutz/
internationale-klimapolitik/pariser-abkommen/
[7] Roth, Steffen: Micro-lectures Wirtschaftspolitik: https://www.youtube.com/watch?v=2G8G4eouTmQ
[8] https://www.diw.de/de/diw_01.c.739170.de/
wb13_2019_interview_bach.mp3.html
[9] https://www.global2000.at/publikationen/
oeko-soziale-steuerreform
[10] https://www.derstandard.at/story/2000124770351/
wieso-wir-eine-oekosoziale-steuerreform-brauchen
[13] https://orf.at/stories/3210534/