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Ist Sand das Getriebe der Welt?


Wenn das Stichwort “Sand” fällt, dann denken die Meisten wohl an Urlaub, Sandstrand, Sandburgen oder an Sandkästen. Aber was haben die kleinen Körner mit Ausbeutung, Menschenrechtsverletzungen und dem steigenden Meeresspiegel zu tun? 

Ganz schön viel! Denn in den letzten Jahren ist Sand zu einem der begehrtesten Rohstoffe der Welt geworden. Man findet ihn nicht nur in Smartphones, in Form von Computerchips, sondern auch in Zahnpasta, Geschirr und Waschbecken. Das Material steckt in so vielen Dingen unseres Lebens, ohne, dass wir es wissen. Der größte Verbraucher ist allerdings die Bauindustrie. Für sie ist Sand, aufgrund ihres Bedarfs für Beton, Asphalt und Glas, unverzichtbar.1 Jährlich werden weltweit wohl mehr als 40 Milliarden Tonnen Sand und Kies verbraucht.2 Dies besagt zumindest eine Studie des Umweltprogramms der Vereinten Nationen (UNEP).

Zum Glück gibt es Sand wie Sand am Meer!

Leider stimmt das nicht. Der Rohstoff ist nicht nur begehrt, sondern auch eine fossile Ressource. Seine Entstehung dauert mehrere Millionen Jahre, der Abbau kann hingegen innerhalb weniger Stunden passieren.3 Und auch nicht jeder Sand eignet sich für Bauvorhaben: Dünensand, so wie er in Wüsten vorkommt, ist zu fein und bräuchte sehr viel Wasser, damit er sich zum Verbauen eignen würde.6 Auch Meeressand eignet sich nur, wenn er entsprechend aufbereitet wird. Sonst führt das Salz dazu, dass sich Luft im Beton bildet, welche die Stahlstreben oxidieren lässt und das kann zu Rissen und in Folge zum Einstürzen von Gebäuden führen. Also muss, bevor der Meeressand verbaut wird, das Salz entfernt werden. Das Problem ist, das wird nicht immer getan.4

Verschwindende Strände und instabile Häuser

In Marokko wird der zuvor erwähnte Meeressand ohne Aufbereitung “verbaubarem” Sand untergemischt. Denn dieser Meeressand wird zumeist illegal abgebaut. Oft von jungen Männern, welche mit Eseln Sand von der Küste zu einer Sammelstelle transportieren. Laut einer „Arte“ Recherche gehen sie dieser verbotenen Knochenarbeit für sechs Euro am Tag nach, nicht gerade viel Geld für eine Straftat. An den Sammelstellen fahren einmal wöchentlich Laster vor, um die fossile Ressource zu den Steinbrüchen zu bringen. Die Steinbrüche mischen dann ihren “offiziellen” Sand mit dem “illegalen” Sand und beliefern mit dem Gemisch die Baustellen. Oft wird sandige Erde als “Streckmittel” verwendet. Auch diese ist eigentlich nicht für den Bau geeignet.

Ganze 55 % der Sandindustrie in Marokko liegen in der Schattenwirtschaft. Deswegen lässt sich die Qualität des Sandes schwer kontrollieren, was oft fatal endet. Nach Angaben des marokkanischen Bau-Bundes kommt es jährlich zu 66.000 Bau-Unfällen. Außerdem soll, allein in Casablanca, alle drei Monate ein Haus zusammenbrechen.

In letzter Zeit wird der Sand häufig zur Herstellung von Beton für Urlaubsanlagen verwendet. Das kann zu der paradoxen Situation führen, dass der Strand, an dem man bauen wollte, am Ende der Bauarbeiten kaum noch vorhanden ist und der Sand in den Gebäuden steckt.4

Die Sand-Mafia

Es häufen sich Berichte von verschiedenen Orten der Welt, an denen Sand einfach geraubt wird. Die Sand-Räuber rücken oft in der Nacht aus, mit Lastfahrzeugen und bewaffneten Wachen.7 Für Kritiker:innen und Zeugen:innen dieser Vorgänge, stehen Drohbriefe an der Tagesordnung. Es wird allerdings auch nicht gezögert die Drohungen in die Tat umzusetzen, falls die Briefe nicht den gewünschten Erfolg bringen.4 In Indien wurden sogar schon Menschen ermordet, die sich gegen den illegalen Abbau stellten. Hier agiert eine internationale Sand-Mafia, die bereit ist, ihre Interessen mit Gewalt umzusetzen.7

Zusätzlich zu der Gewalt werden die Bedrohten noch von den Behörden schikaniert, die von den illegalen Aktivitäten wissen und sie sogar unterstützen.4

Es wird geschätzt, dass etwa 15% des globalen Sandabbaus illegal erfolgen, ein Milliardengeschäft. Das Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP) beginnt sich dem Problem anzunehmen: Man müsse in Europa vor allem auf Recyclingbeton umsteigen und in den Entwicklungsländern den illegalen Sandabbau stoppen und Vergabekriterien für die legale Förderung finden.7

Umweltauswirkungen

Europas Umstieg auf Recyclingbeton mag zwar gegen die Sand-Mafia wenig bewirken, aber gegen die Umweltauswirkungen des Förderns von Sand. Diese sind enorm:

Wird Sand in Gewässern, egal ob Meer, See oder Fluss, abgebaut, dann kommt es zu einer Trübung des Wassers. Die Trübung beeinträchtigt die Flora und die Fauna extrem, da beide auf Licht angewiesen sind. Auch der Lärm des Baggerns ist ein Problem, denn er stört die Tiere teilweise dermaßen, dass sie die Umgebung für immer meiden.

Wenn es sich beim Gewinnungsort um ein Binnengewässer handelt, dann verändert sich zusätzlich der pH-Wert und die Gewässerstruktur. Das beeinflusst das Leben unter Wasser noch mehr. Wird der Sand in küstennahen Bereichen des Meeres gewonnen, ist Küstenerosion die Folge. Das bedeutet, dass die Wellen und die Strömungen den Sand, der am Strand liegt, ins Meer hinaustragen. Damit steigt der Meeresspiegel, da der Strand absinkt. Küstengebiete sind Naturkatastrophen dann noch stärker ausgesetzt, da die natürliche Barriere, die normalerweise wie eine Art Schutzschild wirkt, schrumpft.8

Sand als politisches Druckmittel

Diese negativen Auswirkungen des Sandabbaus machen sich manche Nationen sogar zunutze. Zumindest sagen das Experten:innen, die das Vorgehen der Volksrepublik China im taiwanesischen Hoheitsgebiet beobachten. Festlandchina soll Schiffe beauftragen, um vor taiwanesischen Inseln Sand zu fördern. Dafür gäbe es mehrere Gründe: Man könnte mehr Sand für die eigenen Bauvorhaben gewinnen, ohne selbst die negativen Konsequenzen zu erfahren. Weiteres will die Volksrepublik Taiwans Ressourcen ausbeuten, um die Nation und ihre Streitkräfte damit zu schwächen, so zumindest Analytiker:innen. Die Regierung der Volksrepublik möchte von diesen Unterstellungen nichts wissen, sie streitet sogar ab, den Booten die Erlaubnis gegeben zu haben, in fremdes Hoheitsgebiet einzudringen.

Währenddessen kämpft die Republik China (Taiwan) gegen die zunehmenden Überfälle von Sandbaggern und Sandtransportschiffen. Ein hoffnungsloser Kampf, allein 2020 musste die Küstenwache der Republik China (Taiwan) 4000 solcher Schiffe aus ihren Gewässern bringen. Im Vergleich zu 2019 war das ein Anstieg von 560%. Die Küstenwache sieht sich oft mit nur 9 Schiffen mehreren Hundert gegenüber. Der Druck auf Taiwan steigt.8

Ein unterschätzter Rohstoff

Dass Sand global so eine große Rolle spielt, ist wohl den wenigsten bewusst. Allerdings wird die Ressource auch immer knapper und damit rücken die vielfältigen Körner immer mehr in den Fokus der Politik, der Medien und der Gesellschaft. Das ist auch notwendig, denn es müssen Alternativen gefunden werden: der Abbau von Sand bringt extreme und negative menschenrechtliche Folgen mit sich. Egal ob bei den Abbaubedingungen oder beim Vertuschen eben jener. So wie derzeit, kann es auf jeden Fall nicht weitergehen!

Quellen

1) https://www.dw.com/de/kein-sand-mehr-wie-am-meer/a-41559591

2) https://na.unep.net/geas/archive/pdfs/GEAS_Mar2014_Sand_Mining.pdf

3) https://www1.wdr.de/mediathek/video-sand–wie-er-entsteht-und-wo-er-herkommt-100.html

4) https://www.youtube.com/watch?v=y3EjI9i3Um8

5) https://www.youtube.com/watch?v=HcVOA8AkevQ

6) https://www.youtube.com/watch?v=MJjBbSzWcE4

7) https://www.deutschlandfunk.de/sand-ein-nur-scheinbar-unendlicher-rohstoff.724.de.html?dram:article_id=460151

8) https://themenspezial.eskp.de/metropolen-unter-druck/natuerliche-ressourcen-unter-druck/folgen-des-sandabbaus-93767/

 


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