
Deutschförderklassen – Nicht gut genug für den Regelunterricht?
10-20 Stunden Deutschunterricht abseits der Anderen. Kein Englisch oder Mathematik, sondern nur nur Sport und Zeichnen mit der ganzen Klasse. Kein ,,normales‘‘ Zeugnis, sondern nur eine Schulbesuchsbestätigung. Ein ,,Teilgenommen‘‘ statt Noten. Die Deutschförderklassenregelung in Österreich hat unscheinbare Auswirkungen auf Schüler:innen. Ein Erfahrungsbericht.
So sieht der Alltag für viele Schüler:innen in Österreich aus. Viele davon sind zwar in Österreich geboren, werden aber aufgrund ihrer Muttersprache bzw. mangelnder Deutschkenntnisse in sogenannten Deutschförderklassen getrennt von ihren deutschsprachigen Mitschüler: innen unterrichtet. Diese Regelung wirft viele praktische Probleme auf, einige davon habe ich auch selbst erlebt.
Alle Schüler:innen sind in der Regel zwei Jahre lang im ,,außerordentlichen‘‘ Status und erhalten in dieser Zeit kein ,,normales‘‘ Zeugnis, egal wie gut sie sind. Die Schüler: innen in diesen Förderklassen haben meistens keine fix zugeteilte Klasse und sie werden laufend von Raum zu Raum versetzt. Das kann bei jungen Menschen, vor allem bei ganz jungen Schüler:innen, zu Stress und Inferioritätsgefühlen führen. Warum darf man nicht in der gleichen Klasse sein, wie die Freund:innen? Dieser stetige Örtlichkeitswechsel kann auch zu Schwierigkeiten beim Knüpfen von Freundschaften zwischen den „ordentlichen“ und den „außerordentlichen“ Schüler:innen beitragen.
Für die Schüler:innen in diesen Deutschförderklassen fehlen laut einigen Lehrer:innen auch die Sprachvorbilder, denn es sind im Alltag oft nur die Lehrer:innen, die Deutsch sprechen. Da keine muttersprachlichen Schüler:innen in der Nähe sind, wird auch meist außerhalb des Unterrichts kein Deutsch gesprochen. Nicht zuletzt wird dadurch unter den Schüler:innen in diesen Förderklassen ein „fehlerhaftes Deutsch kultiviert“.[1]
Aus einer nicht repräsentativen Studie der Universität Wien ging hervor, dass 80% der 1 300 befragten Lehrer:innen aus ganz Österreich (ohne Salzburg) gegen diese Form des getrennten Unterrichts sind. Sie kritisieren, dass die Schüler:innen der Deutschförderklassen soziale Ausgrenzung erleben, zudem fehlen oft qualifiziertes Personal, die notwendigen Räumlichkeiten oder auch das passende Unterrichtsmaterial. Die Deutschförderklassen selbst werden als viel zu groß kritisiert, denn sie setzen sich aus vielen Schüler:innen mit unterschiedlichsten Sprachkenntnissen und großen Altersunterschieden zusammen.[2]
Als sogenannter „Schüler mit Migrationshintergrund“ war ich auch in der 3. und 4. Klasse Volksschule in einer dieser Deutschförderklassen. Dort lernte ich mit zehn anderen Kindern aus verschiedenen Ländern und verschiedenen Schulstufen gemeinsam. Da ich schon bevor ich nach Österreich kam etwas Deutsch konnte, habe ich eigentlich schon nach 4-5 Monaten den regulären Unterricht verfolgen können und hatte auf fast alle Tests Einser. Dennoch wurden mir in diesen Fächern keine „echten Noten“, sondern nur Teilnahmebestätigungen ausgestellt. Diese Situation war für mich und für alle anderen Schüler:innen sehr frustrierend und wir alle waren enttäuscht, dass wir trotz gutem Erfolg keine Noten und auch keine Anerkennung bekamen.
Was aber aus meiner Sicht noch schlimmer war ist, dass wir keinen oder fast keinen Kontakt zu den anderen „ordentlichen“ Schüler:innen hatten und es zwischen ,,Uns‘‘ und ,,Ihnen‘‘ oft zu Konflikten gekommen ist. „Wir“‘ wurden als die ,,bösen‘‘ Ausländer:innen abgestempelt und in Sonderklassen gesteckt, weg von „ihnen“, den Einheimischen/Österreicher:innen. Jetzt, ein paar Jahre später, führt diese Teilung bei uns Jugendlichen zu Problemen. Bei den „Ausländer:innen“ und den „Einheimischen“ kommt es vermehrt zu größeren und schlimmeren Auseinandersetzungen und letztendlich auch zu so etwas wie Parallelgesellschaften, denn wir haben schon von klein auf gelernt, dass wir nicht zusammengehören.
Da Kinder sehr schnell und leicht lernen können, ist diese Teilung basierend auf Sprachkenntnissen nicht sehr sinnvoll. Junge Menschen müssen sich sozialisieren können und vor allem der Umgang mit anderen Kindern der österreichischen bzw. Mehrheitsgesellschaft ist wichtig für die Anpassung und zur Bildung einer gemeinsamen Gesellschaft. Deshalb ist hier nur Gemeinschaftsunterricht sinnvoll, da er die Basis für alles Weitere darstellt.
Quellen
[1] https://orf.at/stories/3192768/
[2] https://kontrast.at/deutschfoerderklassen-kritik/