
Die geplante UG-Novelle: Ist das noch Bildung für alle? Ein Kommentar.
Der Entwurf steht. Wirksam soll die Reform mit dem Studienjahr 2021/22 werden. Unmut macht sich unter den Studierenden berechtigterweise jetzt schon breit. Einige der meist diskutierten und umstrittensten Punkte sind die Mindeststudienleistung, die Streichung der Nachfrist, die Schwächung der Senate und die Reduktion der Mindestanzahl an Prüfungsantritten. Warum vor allem der letzte Aspekt das Studieren für gewisse Gruppen erschwert oder sogar unmöglich macht und was der gewählte Zeitpunkt der Reform für ein Bild entstehen lässt, darüber geht es im Folgenden.
Um Missverständnisse auszuräumen: Es sollen die Prüfungstermine pro Lehrveranstaltung pro Semester reduziert werden. Das heißt, dass die mindestens drei derzeit noch vorgesehenen Prüfungstermine – nämlich zu Beginn, Mitte und Ende des Semesters – künftig auf zwei zu Beginn und Ende des Semesters reduziert werden sollen. Es geht zwar hierbei um eine Mindestanzahl, Fakt ist jedoch: Die meisten Professor:innen werden den Studierenden nicht so gut gesinnt sein wie einige Ausnahmen und somit von dieser Regelung Gebrauch machen. Der Grund dafür ist simpel: es bedeutet weniger Aufwand. Was das mit dem Menschenrecht auf Bildung zu tun hat? So einiges.
Zugang zu Bildung als Prozess
„Bildung für alle“ ist kein kurzfristiges Ziel, sondern ein kontinuierliches Projekt; auch in Österreich. Und ja, wir können uns glücklich schätzen, denn diesbezüglich haben wir es besser als viele andere Länder. Dies ist aber noch lange kein Argument dafür, dass der Status-Quo das zu erreichende Ideal widerspiegelt, geschweige denn dafür, stillzusitzen und Dinge wie die UG-Novelle einfach hinzunehmen. Auch wenn wir z.B. keine horrenden Studiengebühren wie Studierende in den USA zahlen müssen, der Zugang zum Studium steht vielleicht theoretisch, jedoch keinesfalls faktisch allen zu.
Individuelle Planung adieu
Es heißt immer „Ein Studium verlangt Selbstverantwortung“ und „Du brauchst eine gute Organisation“. Ja, das stimmt. Was anfangs eine Herausforderung darstellen kann, bedeutet aber gleichzeitig Freiheit und selbstbestimmte Einteilung. Doch damit wird bald Schluss sein. Mit nur zwei Prüfungsterminen wird es keine Möglichkeit mehr geben, Prüfungen schon unter dem Semester abzulegen. Einerseits bedeutet das ein bedingtes Ende für die Selbsteinteilung des Studienjahres, was vor allem für arbeitende Studierende und all jene mit Kindern eine Erschwerung darstellt. Andererseits führt dies unweigerlich zu einer Häufung an Prüfungen am Beginn und Ende des Semesters, was wiederum den Druck in der ohnehin schon stressigen Prüfungsphase astronomisch erhöht.
Unterbrochene Voraussetzungsketten und verlängerte Studiendauer
Spinnt man die Konsequenzen weiter, wird klar, dass eine nicht geschaffte Prüfung schnell den Studienfortschritt um einiges verzögern kann. So etwa, wenn es sich um STEOPs oder andere Prüfungen handelt, die Voraussetzung für weitere Lehrveranstaltungen sind. Besteht man eine solche Prüfung nämlich nicht, muss man bis Ende des Semesters auf einen erneuten Antrittsversuch warten. Schlussendlich verschiebt sich so der Studienabschlussweiter nach hinten und demgemäß verlängert sich die Studiendauer (dieser Zusammenhang scheint verbunden mit der Mindeststudienleistung besonders wahnwitzig zu sein). Das gilt übrigens auch für extrem aufwändige und extrem schwere Prüfungen sowie solche mit geringen Anmeldekapazitäten.
Wen es besonders trifft
Das Recht auf Bildung für alle wird insofern unterminiert, als es genau die Gruppen am härtesten trifft, die es jetzt schon schwerer haben. Das sind jene, die arbeiten müssen, um sich das Studium überhaupt erst finanzieren zu können; das sind studierende Eltern bzw. Alleinerziehende und das sind jene, die mit psychischen Belastungen oder sozialen, familiären und ähnlichen Krisen zu kämpfen haben. Für alle können die ECTS-Mindestforderung schnell zu viel und die Prüfungstermine schnell zu wenig werden. Die Rechtfertigung, dass das „Zum-Spaß-Studieren“ den Universitäten zu viel Geld kostet, ist hier fehl am Platz: Ist man über der Mindeststudienzeit, sind Studiengebühren zu bezahlen. Und wen interessiert es denn, wenn Vollzeitbeschäftigte aus Interesse nebenbei studieren? Sie verdienen schlussendlich sowieso ihr eigenes Geld!
Still und heimlich durchboxen?
Dass die Novelle gerade in Zeiten einer weltweiten Pandemie durchgeboxt werden soll, wo doch gerade viele Studierende ihre Jobs verloren haben, sich um ihre Liebsten sorgen, körperlich und psychisch an ihre Grenzen geraten und Distance-Learning mehr als ausbaufähig ist, wirft die Frage auf, ob es gerade nichts Wichtigeres gibt als uns Studierenden das Leben noch ein bisschen schwerer zu machen. Oder wählten die Verantwortlichen den Zeitpunkt bewusst genau so, weil die aktuellen andere Sorgen davon ablenken könnten und so hofften, dass es zu keinem großen Aufschrei kommen würde? Das Jahr 2020 macht alles Denkbare möglich.
Schließlich bleibt nur noch zu sagen, dass Bildung immer wichtig und der Rede wert ist. Doch diese Novelle verhindert genau das – Bildung um der Bildung willen. Die Novelle bringt uns einen Schritt näher an kommerzialisierte Bildung, die nur gut ist, solange sie schnell und gewinnorientiert ist. Der neugierige, wissensdurstige und Horizonte erprobende Geist wird abgeschafft.
Weiterführende Links
ÖH über Vor- und Nachteile der UG-Novelle: https://www.oeh.ac.at/news/ug-novelle-unsere-ersteinschaetzung-zum-vorschlag
Erklärvideo ÖH: https://www.facebook.com/bundesoeh/videos/2724982081101318/
https://orf.at/stories/3191223/
https://orf.at/stories/3191931/
Presseunterlage mit Eckpunkten: https://www.bmbwf.gv.at/Ministerium/Presse/20201201.html