
„Das ist halt eine Phase“
Es ist noch gar nicht so lange her, da konnten Bisexuelle nicht öffentlich über ihre Sexualität sprechen. Ähnlich homosexuell orientierten Menschen wurden sie als Tabu befunden und erst Anfang der 80er Jahre, als das HI-Virus in Amerika auftauchte, ins Licht der Öffentlichkeit gerückt. Da sich vor allem homosexuelle Menschen mit dem Virus infizierten, wurde Aids als „Schwulenvirus“ gehandelt. Parallel zu der rasch unter der Bevölkerung anwachsenden Schwulenfeindlichkeit, auch Homophobie genannt, warnten Epidemiologen vor bisexuellen Menschen, die die Krankheit auf Heterosexuelle übertragen würden. Diese Annahme bewegte schließlich viele Bisexuelle, vor allem auch in den USA, dazu, Demonstrationen zu organisieren um gegen gesellschaftliche Ausgrenzung zu kämpfen
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Gegen den unmittelbaren Kontakt mit Homosexualität
Dies führte letztlich zu einer Bi-Bewegung, die zwar bis nach Europa reichte, aber doch nicht die von den AktivistInnen erwünschte Wirkung erzielte. Hierzulande weiß heute praktisch jede/r, dass AIDS keine „Schwulenseuche“ ist, viele von uns zeigen sich nach außen hin wahnsinnig tolerant, was unsere „andersorientierten“ Mitmenschen angeht. Eine Studie betreffend des „wahrgenommenen Ausmaßes der Diskriminierung aufgrund der sexuellen Ausrichtung“, die 2008 auf EU weiter Ebene von Eurobarometer Spezial durchgeführt wurde, spricht gegen unser auf sozialer Ebene vermeintlich korrektes Österreich. So stellte sich heraus, dass Diskriminierung auf der Grundlage der sexuellen Ausrichtung als zweithäufigste Form der Diskriminierung in der EU gesehen wird. Zwar sprachen sich knapp die Hälfte der Befragten für einen Umgang mit homosexuellen beziehungsweise bisexuellen Menschen in ihrer Umgebung als Nachbar oder in einer Führungsposition (PräsidentIn) aus, es konnte sich aber fast keine/r ein Zusammenleben in einem engeren Umfeld (wie Familie) mit einer betroffenen Person vorstellen.
Hetero oder Homo!?
Die Ergebnisse sprechen für sich. Zu stark muss wohl unsere Auffassung eines richtigen Weltbildes, in dem wir ausschließlich mit der heterosexuellen Partnerschaft groß werden, in unserem Bewusstsein verankert sein. Sobald wir uns damit abgefunden haben, vermeiden wir an alten „Werten“ zu rütteln. Bisexualität muss etwas Abartiges sein, oder zumindest so weit befremden, dass wir es schaffen, Menschen über ihre Sexualität zu definieren. In einem fortgeschrittenerem Stadium sprechen wir sogar von sexsüchtigen und sprunghaften Menschen. Zu diesem Zeitpunkt haben wir den Menschen schon auf den Sexualakt reduziert. Im Hinterkopf bleibt ständig der verzweifelte Wunsch für Ordnung zu sorgen: „Weil schließlich ist unsere Gesellschaft doch in Hetero und Homo eingeteilt, oder nicht?“
Einsatz seitens der Politik
Eine Gruppe an sich ist stark, um aber öffentlich gehört zu werden, braucht es eine Geschichte und das Gesicht dazu. Das gibt dem Ganzen dann eine Art sentimentale Note, einen Berührungspunkt zu Außenstehenden. An dieser Stelle sollte Lisa Rücker, die Grazer Vizebürgermeisterin, erwähnt werden. Seit 2003 im Amt, setzt sie sich nach wie vor für Gleichstellung von und Respekt vor Homosexuellen, Bisexuellen, und Transgenderpersonen ein. Das, obwohl die bekennende Lesbe als Frau nebenbei noch mit der fast schon alltäglichen Diskriminierung, diesmal aufgrund des biologischen Geschlechts, zu kämpfen hatte. Heute setzt sie sich mit Vorbildfunktion für bessere Lebensbedingungen der genannten Gruppen ein. Nebenbei hat ihr bewusstes Auftreten als arbeitstätige Frau Feminismus in den Reihen des Landtags wieder zum Thema gemacht
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Man/Frau liebt ja kein Geschlecht, sondern den Menschen
Vielleicht nicht ganz unpassend, da sich beide Eigenschaften gut kombinieren lassen. Seitens der weiblichen Homosexuellen besteht eine gewisse Verbindung zum Feminismus, hinter dem wiederum der Wunsch nach respektvollem Umgang mit Frauen steht. Egal wie sich verschiedene Lebensweisen also unterscheiden mögen, hinter jeder befindet sich ein Mensch, der sein Geschlecht und seine Sexualität frei ausleben möchte. Es geht hier um eine Identitätsfrage, mit der sich beispielsweise die Weltgesundheitsorganisation, kurz WHO, übrigens schon vor fast zwanzig Jahren befasst hat. Damals ließ sie Homosexualität von der Liste der Krankheiten streichen. Etwas, das langsam auch in unsere Köpfe gehen sollte.
Weiterführende Links und Informationen:
Eurobarometer Spezial Ausgabe 296
Anlaufstelle RosalilapantherInnen Graz
Infos zur Situation in Deutschland:
- Dokumentarfilm „Ich kenn keinen“ (D 2003; beschreibt schwules Leben in der Provinz)