
Kinder- und Jugendrechte: Interview mit Birgit Sandler (Gemeinderätin und NRAbg., Leoben)
Im Rahmen der Zweiten Steirischen Kinderrechtewoche traf Kenne deine Rechte Redakteur Thomas Beck die ehemalige Leobener Stadträtin, nunmehrige Gemeinderätin und frischgebackene Nationalratsabgeordnete Birgit Sandler in Leoben zu einem Interview!
Die steirische Kinderrechtewoche fand 2017 zum 2. Mal statt. Warum ist diese Initiative unterstützenswert?
Birgit Sandler: Weil ich glaube, dass Kinder zu wenig Lobby haben, das heißt man muss immer wieder an die Öffentlichkeit gehen, damit die Kinderrechte in den Köpfen der Erwachsenen verankert werden und besser kennengelernt werden.
In welchen Bereichen braucht es mehr Aufmerksamkeit für die Kinderrechte?
Sandler: Es muss viel auf Öffentlichkeitsarbeit und Bewusstseinsbildung bei Erwachsenen und besonders Kindern gesetzt werden, damit sie für ihre Rechte einstehen können
.
Inwieweit beschäftigt sich die lokale Politik im täglichen Handeln mit Kinderrechten?
Sandler: Wir in Leoben haben ein sehr aktives Kinderparlament, das uns eine Sichtweise zeigt, die wir als Erwachsene oft nicht haben, und ich bin sehr stolz darauf, dass im Gemeinderat dieses Kinderparlament eingebunden, respektiert und ernst genommen wird. Und ich glaube, das ist ein guter Weg, Kinderrechten Unterstützung zu geben.
Wie kann man Kindern mehr Möglichkeiten zur Partizipation geben?
Sandler: Ich glaube, dass das Konstrukt der Klassensprecher und Schulsprecher, sowie das Kinder- und Jugendparlament gute Ansätze sind. Demokratie und der Umgang mit Rechten muss gelernt werden und das Demokratieverständnis und ihr Selbstbewusstsein zu stärken ist der beste Weg, um sie dahingehend zu bilden.
Was würden Sie Menschen entgegnen, die dieses Thema als Blödsinn abstempeln?
Sandler: Kinder haben Rechte und Kinder haben Bedürfnisse, die sich von denen der Erwachsenen unterscheiden. Und wenn man sieht, mit welchem Enthusiasmus sie Dinge umsetzen, dann würde ich diese Personen mitnehmen ins Kinderparlament, damit sie mit den Kindern dort sprechen.
Was würden Sie Menschen, die speziell mit Kindern viel zu tun haben (Eltern, KindergartenpädagogInnen, LehrerInnen), mitgeben?
Sandler: Ich glaube, dass LehrerInnen und PädagogInnen sehr gut ausgebildet sind und sehr viel Rücksicht auf die Rechte und Charaktere nehmen
. Was ich allen mitgeben würde, ist, dass sie Kinder nehmen sollen wie sie sind, man soll sie nicht als kleine Erwachsene behandeln, sondern eben auf ihre eigenen Bedürfnisse eingehen. Was mir ganz wichtig ist: Dass alle Kinder alle Chancen haben und man ihnen nicht immer sagen soll, was sie nicht können, sondern sie stärken wo sie eben Fähigkeiten und Kenntnisse haben.
Für wie gut umgesetzt halten Sie das Jugendschutzgesetz in der Steiermark?
Sandler: Die Gesellschaft hat sich verändert, deshalb unterliegt das Jugendschutzgesetz natürlich Veränderungen. Aber ich glaube, dass das Jugendschutzgesetz immer dem Wohl des Kindes und der Jugend zugutekommen muss. Auch wenn sie mit 15 glauben, dass sie erwachsen sind, sind sie es noch nicht. Es ist zwar schwierig, jedoch finde ich das Jugendschutzgesetz meiner Meinung nach noch etwas zu verwässert. Es könnte noch Teile geben, die man besser und genauer anschauen und dann vielleicht auch verschärfen muss.
An welche Organisation kann man sich hier wenden, besonders in Leoben, wenn es um die Verletzung von Kinderrechten geht?
Sandler: Ich würde mich an die Gemeinde oder die Bezirkshauptmannschaft in der Fürsorge wenden, natürlich an die Kinder- und Jugendanwaltschaft, die zwar nicht hier vor Ort, aber sehr gut erreichbar ist. Es gibt eine „Rette das Kind“-Einrichtung bei uns, das LIBIT, also es gibt einige Andockstationen. Ich glaube aber, dass die ersten Ansprechpersonen PädagogInnen, LehrerInnen oder KindergärtnerInnen sind – Menschen, zu denen Kinder vertrauen haben – und diese müssen wir dabei unterstützen und nicht ablehnen.
Inwiefern können Kinder mit Migrationsgeschichte gefördert werden, damit sie ein wichtiger Teil der Gesellschaft werden und als solcher wahrgenommen werden können?
Sandler: Punkt eins: Es ist wissenschaftlich erwiesen, dass man zuerst den Kindern die Möglichkeit geben muss, ihre Muttersprache zu lernen und man es ihnen nicht verbieten darf, denn wenn jemand seine Muttersprache nicht kann, wird er nie eine Fremdsprache lernen können.
Punkt zwei: Viele dieser MigrantInnenkinder kommen aus Familien, wo nicht unbedingt Deutsch gesprochen wird, das heißt umso früher sie in einen Kindergarten oder in eine Vorschule kommen, desto besser ist es natürlich für sie. Ich glaube, dass Deutsch und die Vermittlung unserer Werte ein wichtiger Schritt für die Integration ist, und damit für diese Kinder vieles leichter wird.
Gibt es noch andere Projekte, wo Kinder aktiv mitwirken können, die Sie gerne erwähnen wollen?
Sandler: Wenn Interesse an solchen Projekten besteht, kann man sich immer an das Familienbüro wenden, das wie eine Drehscheibe wirkt, und dort Kontakte herstellen.