
Die Verantwortung der Linken für Menschenrechte
In Zeiten, in denen Menschenrechte immer mehr missachtet werden, brauchen diese eine starke, politische Vertretung. Aufgrund ihrer Geschichte könnte die Linke diese Aufgabe übernehmen.
Ein turbulentes Jahr neigt sich dem Ende zu
. Aleppo liegt in Trümmern, Trump wird nächster US-Präsident, Großbritannien wird aus der EU austreten, Vladimir Putin ist am Zenit seiner Macht und die Türkei entwickelt sich immer mehr zu einem autoritären Staat. Die westliche Demokratie ist geschwächt und wird durchgehend von rechtsextremen Populisten unterminiert. Vor allem die politische Linke ist zunehmend desillusioniert und desorientiert. Sie findet derzeit keine Antworten auf die Fragen, die sich in unserer chaotischen Welt aufdrängen. Das lässt ein Vakuum entstehen, das einerseits von konservativ-bürgerlichen Parteien auf wirtschaftlicher Ebene mit ihrer neoliberalen Sparpolitik, andererseits von den Rechtspopulisten auf gesellschaftlicher Ebene mit menschenverachtender, xenophober Immigrationspolitik gefüllt wird
. Menschenrechte, die jedem/jeder Einzelnen zustehen, spielen eine geringe Rolle, denn sowohl in der neoliberalen Gesellschaftsordnung als auch in den nativistischen Ideen der Rechten geht es um Überlegenheit, eine grundsätzliche Gleichheit der Menschen wird abgelehnt. Ungleichheit wird von beiden Lagern auf verschiedene Art und Weise gefördert. Das Resultat ist aber ähnlich: Eine polarisierte, gespaltene Gesellschaft, in der nicht das zählt, was uns verbindet, sondern das, was uns trennt. Eine Gesellschaft, in der gewisse Gruppen ausgegrenzt und isoliert werden.
Bei rechtsextremen Parteien wie der FPÖ oder dem Front National sind Muslime, Ausländer, Homosexuelle und andere Minderheiten die Opfer. Bei neoliberalen Parteien wie den Tories sind es Arme und sozial Schwache, Menschen, die auf Hilfe angewiesen sind. Die einen rufen „Islamisierung“, „Massenzuwanderung“ und „Terrorismus“, die anderen „Sozialschmarotzer“, „Arbeitsverweigerer“ und „Steuerverschwendung“. Manchen dieser Schlagwörter liegen reale Probleme zugrunde, z.B. die Gefahr des Terrorismus, doch sie wurden so oft wiederholt und aufgebauscht, dass sie zu inhaltslosen Plattitüden verkommen sind.
Trotzdem erwidert die Linke auf diese nichts, denn eine Alternative zum Status Quo hat sie momentan nicht parat, jedenfalls nicht in den Führungsspitzen und Kadern der altehrwürdigen sozialdemokratischen Parteien. Damit lassen sie jene allein, die sonst keine Repräsentation in der Öffentlichkeit haben, deren Stimmen in der Gesellschaft verhallen. Wer sonst kann Menschenrechte authentisch in der Politik vertreten, als die politische Bewegung, die den Sozialstaat aufgebaut, Frauen-, Homosexuellen- und Minderheitenrechte über Jahrzehnte gefördert und vorangebracht hat und entschieden gegen Militarismus und Imperialismus aufgetreten ist?
Europa, wie wir es heute verstehen, als soziale Marktwirtschaft, als Kontinent des Friedens und der Menschenrechte, ist im Endeffekt ein Geistesprodukt der Sozialdemokratie. Doch die Realität von Europa droht sich von dieser Idee zu entfernen. Die historisch gewachsenen „europäischen Werte“, die so oft plakatiert werden, scheinen nicht mehr Grundlage der Politik zu sein.
Zurück zum Wesentlichen
Nun stellt sich die Frage: Was tun? Wie kann man diesen problematischen Entwicklungen entgegensteuern? Erstens einmal muss sich die Linke auf ihre eigentlichen Werte und Ideale zurückbesinnen. Nur einen Kulturkampf mit den Rechten zu führen und in wirtschaftspolitischen Fragen den marktliberalen Parteien das Feld zu überlassen kann keine Zukunftsstrategie für die Sozialdemokraten sein. Die soziale Frage muss wieder in den Mittelpunkt gerückt werden. Nur dann können sie jene zurückgewinnen, die sich als Verlierer von Globalisierung und Neoliberalismus fühlen und aus Protest – und nicht etwa Überzeugung – rechte Parteien unterstützen.
Zweitens müssen die Linken ihren politischen Stil ändern. Einerseits zu vorsichtig und glatt, andererseits belehrend und arrogant, so darf man sich nicht wundern, wenn man als abgehoben und elitär bei der breiteren Bevölkerung ankommt. Man muss auf die Leute zukommen, die am meisten von linker Politik profitieren. Man muss ihre Sprache sprechen, ihre Probleme und Bedenken ernst nehmen. Denn ohne eine authentische, starke linke Bewegung kommen Menschenrechte in der Politik zu kurz. Das Engagement in der Frage der Menschenrechte braucht auch politischen Rückhalt und wenn dieser nicht gegeben ist, wird die Arbeit von NGOs und einzelnen Personen, die sich für dieses Thema einsetzen, erschwert. Es reicht nämlich nicht sich nur auf individueller Ebene für Menschrechte einzusetzen, diese müssen politisch abgesichert werden.