
Gefühl der Sicherheit
Der Leitartikel „-Verblasste Erinnerung, gefährliche Resistenzen“ von Thomas Götz in der Kleinen Zeitung am 30. Mai hat mich sehr angesprochen und ich möchte diesbezüglich meine Meinung äußern.
Es ist nicht allzu lange her, da glaubte man bzw. fühlte man sich sehr sicher. Man hatte das Gefühl, endlich haben die Menschen und Verantwortlichen aus der Vergangenheit gelernt. Durch den technischen und wirtschaftlichen Aufschwung nach dem 2. Weltkrieg ging es uns Menschen hier in Mitteleuropa so gut wie noch nie. Es gab viele technische, wirtschaftliche,soziale sowie mediale Entwicklungen. Viele neue Möglichkeiten und Ideen, wie die EU, mehr Wohlstand oder auch die Bildung allgemein und damit verbundene Chancen, waren an der Tagesordnung. Zur Bewusstseinsbildung haben beispielsweise Filme wie „Die Welle“ beigetragen und der Geschichtsunterricht, in dem die Fehler und das Elend der Vergangenheit thematisiert wurden, schien Erfolge zu verbuchen. Auch Tabuthemen wurden vermehrt öffentlich diskutiert oder Einzelschicksale in Form von Büchern und Fernsehsendungen an die Menschen gebracht, um zu lernen oder Vorbilder zu haben bzw. für Rechte zu kämpfen
. Alles ist zu schaffen und für jedes Problem gibt es eine Lösung – das war zumindest bei uns lange die Stimmung, auch wenn es Ungerechtigkeiten, Krieg und Armut schon immer irgendwo gegeben hat und nach wie vor gibt. Man hatte einige Zeit das Gefühl, alles wird besser, vor allem unser Wohlstand, und nie mehr wird es uns schlecht gehen oder Kriege geben – zumindest in Europa. Die Probleme der Welt waren alle weit weg und die Erinnerungen an früher wirklich nur mehr blass, außer bei den nur noch wenigen ZeitzeugInnen.
Und jetzt? Alles ist relativ und auch eine Frage der Sichtweise oder des Vergleichens. Es gibt Menschen, die auf hohem Niveau jammern und Menschen, die nach wie vor viel Leid und Hunger erleben müssen. Wir stehen wieder vor großen Herausforderungen: Zurzeit gibt es viel Angst und Unzufriedenheit und vor allem Uneinigkeit und viele ungelöste Probleme sowie Veränderungen, wo wir nicht wissen, was wirklich auf uns zukommt. Dies macht uns unsicher. Es scheint nicht mehr so zu sein, als ob alles besser werde. Im Gegenteil
. Egal, welches Problem man anspricht, ob Umwelt, Gesundheit, Jobsoder Flüchtlinge, es hat sich viel getan – und wie immer gibt es zwei Seiten: Vieles ist nicht gut aber es gibt neben dem Schlechten doch auch viel Gutes. „Wegschauen“, heißt es immer, ist keine Lösung (unter anderem auch auf der gleichen Seite in der Kleinen Zeitung). Mehr denn je sollten wir alle bewusst „Hinschauen“. Jede Zeit hatte sowohl Probleme als auch viel Gutes. Versuchen wir wieder mehr aus der Vergangenheit zu lernen und schätzen wir die vielen sozialen und menschenrechtlichen Möglichkeiten und Verbesserungen, die wir haben oder für andere erkämpfen. In jeder Familie oder Kleingruppe bzw. Verein ist es oft schon schwer, Einigkeit, Gerechtigkeit und gleiche Meinungen zu finden – wie schwer ist das dann erst in ganz Österreich, Europa oder auf der ganzen Welt? Auch Geschwister streiten oft wie Hund und Katz, aber das Wesentliche ist doch immer, dass sie zusammenhalten, wenn es darauf ankommt! Und besonders jetzt und auch in der nahen Zukunft wird es darauf ankommen, wie wir uns verhalten, uns entscheiden, ob wir zusammenhalten, für Veränderungen bereit sind und aus der Vergangenheit lernen. Damit nicht noch mehr Krisen oder Kriege entstehen – egal ob in der Familie oder in Europa.