Kenne deine Rechte

Der Schein der perfekten Familie


Geschlagen, getreten, misshandelt… Wer von solchem Leid in jungen Jahren berichten kann, ist sicher einer der wenigen Menschen, die die Stärke haben, die Qualen ihrer Kindheit zu überwinden und die darüber zu sprechen vermögen.

Aufgrund meiner Erfahrungen aus erster Hand mit Opfern von Gewalt möchte ich berichten, wie es vielen geht, was die Folgen sind und welche Probleme auftauchen. Gewalt an Kindern existiert heute und hier in Österreich. Wie man es dreht und wendet, es ist ein Problem und es wird viel zu selten deutlich ausgesprochen.

Den Schein wahren

Im Laufe der Zeit entwickelte sich das Schlagen von Kindern von einer Normalität zu einer Art geheimem Treiben. Heute ist es leider so, dass erwachsene Schläger nicht mehr leicht identifizierbar sind, da sie den Schein einer perfekten Familie zu jeder Zeit gegenüber Fremden wahren. Es ist also kaum möglich eine solche Person zu stellen, es sei denn, man hat zu einem Opfer ein solches Vertrauensverhältnis, dass einem erzählt wird.

Was tun?

Aber was tun, wenn man es weiß? Dem Opfer wurde eingeprügelt, dass die alleinige Schuld bei ihm liegt – und das, noch bevor es alt genug war, um hinterfragen zu können, ob das wohl stimmt. Und selbst wenn es weiß, wo die Schuld liegt, handelt es sich immer noch um die eigenen Eltern. Wer will seine Eltern in Schwierigkeiten bringen? Niemand. „Und ohne das Jugendamt?“ Da bleiben einem kaum Möglichkeiten, da man sich in Österreich erst ab 18 von seinen PeinigerInnen ohne deren Zustimmung lösen darf (abgesehen davon, dass die Erziehungsberechtigen in der Regel das Kindergeld einkassieren). Die Polizei wird eingeschaltet, um das Kind heimzuzerren.

Selbst wenn das Kind 18 Jahre lang durchgehalten hat und ausziehen darf, entsteht dann die Hürde der Finanzierung des eigenen Lebens, denn besonders für Menschen mit psychischen Problemen und einem Trauma in der Jugend ist es schwer eine Arbeit zu finden, die Stabilität bringt, um anschließend genug Geld zu haben und sich professionell helfen zu lassen
.

Bagatellisierung oder Verdrängung

Opfer von langjähriger Gewalt wenden meist eine von zwei Strategien an:

Bagatellisierung: Mit dem Statement „Das hat mir nicht geschadet“ werden das Problem und das Leid heruntergespielt, um den Konflikt zwischen dem bestehenden Trugbild und der Wahrheit zu erklären.

Verdrängung: Oft wird das Problem einfach „vergessen“ bzw. das Denken daran verhindert. Deshalb berichten  Opfer oft, sich nicht an die ersten zehn bis zwölf Jahre ihres Lebens erinnern zu können. Aus Angst.

Zu den schlimmsten Folgen zählen: Vertrauensverlust, Konfliktunfähigkeit, Probleme in der Identitätsentwicklung, Selbstwertlosigkeit und unkontrollierbare Aggressivität.

Es ist ein Teufelskreis. Und noch weiter dreht sich dieser Teufelskreis, wenn den Opfern nicht geholfen wird. Dabei droht Gewalt gegenüber anderen, ein Leben ohne Vertrauen, destruktives Verhalten, Selbsthass und Selbstzerstörung und im schlimmsten Fall eine weitere Generation misshandelter Kinder.

Wir müssen in Österreich eine Möglichkeit finden, Kinder und Jugendliche ernsthaft und nachhaltig über dieses Thema aufzuklären
. Vor allem in einer Menschenrechtsstadt wie Graz sollte jede/r darüber Bescheid wissen, wo er/sie Hilfe suchen und finden kann. Daran führt kein Weg vorbei.


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