Kenne deine Rechte

Für eine Gesellschaft der Vielfalt


Graz [mit]gestalten für eine Gesellschaft der Vielfalt“, so lautet das Motto des MigrantInnenbeirates der Stadt Graz, welcher heuer sein 20-jähriges Jubiläum feiert. Seit Juli 1995 macht er es sich zum Ziel, als Gruppe von neun demokratisch gewählten VertreterInnen die Interessen der Migranten und Migrantinnen in der Politik zu vertreten. Nicht die Nationen der VertreterInnen, sondern die Interessen aller Migranten und Migrantinnen stehen dabei im Vordergrund.

Mitte der 90er-Jahre war im Zuge einer Flüchtlingswelle aus dem ehemaligen Jugoslawien die Zahl der ImmigrantInnen in Österreich stark angestiegen. Wie sollte man mit diesem Aufeinanderstoßen von verschiedenen Kulturen umgehen? Graz nahm in der Lösung dieser Problematik eine Vorreiterrolle ein: Als erste Stadt Österreichs, welche sich in dieser Form für die Einbindung und Unterstützung der Zuwanderer engagierte, gründete Graz den MigrantInnenbeirat, damals noch Ausländerbeirat. Dieser sollte den Migranten und Migrantinnen die Möglichkeit geben, als fester Bestandteil der österreichischen Gesellschaft auch in der Politik mitzuwirken. Eine wichtige Grundlage, um sich hier eine Zukunft aufzubauen.

Mittlerweise arbeitet der MigrantInnenbeirat mit über 60 Einrichtungen, die ähnliche Ziele verfolgen, zusammen. Dazu gehören beispielsweise die Antidiskriminierungsstelle Graz, das ETC Graz – Europäisches Trainings- und Forschungszentrum für Menschenrechte und Demokratie, ISOP – Innovative Sozialprojekte, ZEBRA – Interkulturelles Beratungs- und Therapiezentrum und der Verein OMEGA – Transkulturelles Zentrum für psychische und physische Gesundheit und Integration.

Damals vs. Heute

Mag. Godswill Eyawo, Geschäftsführer des MigrantInnenbeirates, bestätigt im Gespräch mit Kenne deine Rechte, dass während der letzten 20 Jahren sehr große Entwicklungen auf Ebene der Integration nachgewiesen werden konnten. Vor allem im Bereich des Wohnens konnten Erfolge verzeichnet werden, doch auch „die österreichische Bevölkerung nimmt immer mehr wahr, dass Migranten ein Bestandteil der Gesellschaft sind. Funktioniert alles reibungslos? Nein.“

MigrantInnen werden weiterhin stark benachteiligt. Im Bildungsbereich, am Arbeitsmarkt, im Alltag. Auch im Bereich der Diskriminierung aufgrund Herkunft oder Hautfarbe gibt es noch Schwierigkeiten, da bei gewissen Bevölkerungsschichten schlichtweg die Akzeptanz fehlt. Eyawo weist darauf hin, dass der MigrantInnenbeirat daran arbeitet, Diskriminierung in der Gesellschaft wie auch in der Politik zu unterbinden. „Das heißt nicht, dass solche Fälle weniger [geworden] sind – es gibt sogar mehr [als früher]. Es geht allgemein um das Bewusstsein des Themas und das Bekenntnis der Stadt Graz.“

Wo die Menschenrechte zählen

Eine offizielle Definition des Begriffs Migration gibt es in Österreich nicht. Neben den „ursprünglichen“ Migranten und Migrantinnen, die über die Grenzen ihres Heimatslandes wandern, um sich dort zumindest zeitweise niederzulassen, haben in den letzten Jahrzehnten auch andere Formen von Migration an Bedeutung gewonnen
. So haben beispielsweise Kriegsflüchtlinge aus dem Nahen Osten und die „Elite-MigrantInnen“, hoch qualifizierte Arbeitskräfte, die sich in Europa ein besseres Leben erhoffen, das Bild der Migration geprägt.
Eyawo beschreibt die Flüchtlingsthematik als sehr komplex, legt jedoch die Position des MigrantInnenbeirates klar dar. Laut ihm ist es nicht zielführend, Flüchtlinge aus Kriegsgebieten, die um Hilfe bitten, pauschal zu beschuldigen. „Diese Leute müssen nach internationalen Standards der Menschenrechte behandelt werden“, meint er. Sie haben ein Recht auf Asyl und eine schnelle Bearbeitung ihrer Anträge. Politik und Volksverhetzung dürfen keinesfalls auf Kosten der Flüchtlinge betrieben werden, so Eyawo.

Und dann?

Gehen wir davon aus, dass der langwierige Prozess des Asylansuchens überstanden wurde. Oft leiden junge Migranten und Migrantinnen, die mit verschiedenen Herausforderungen konfrontiert werden, an Perspektivenlosigkeit. Im Vergleich zu ihrer Elterngeneration haben Jugendliche heute jedoch bessere Chancen, als es in der Vergangenheit der Fall war. Warum das so ist? „Aus dem Grund, dass sie mehr Möglichkeiten im Bildungsbereich haben, dass sie sprachlich besser vorbereitet sind, dass sie rechtlich einen besseren Status haben als ihre Elterngeneration,“ erklärt Eyawo. Im Bezug auf das politische Mitspracherecht muss zwischen zwei Gruppen differenziert werden. Für bereits eingebürgerte MigrantInnen besteht die Möglichkeit auf politische Mitsprache und Partizipation wie für alle anderen StaatsbürgerInnen. MigrantInnen ohne Recht auf aktive Beteiligung können auf den MigrantInnenbeirat zurückgreifen und so zumindest geringfügig Einfluss auf die Politik nehmen.

Obwohl in den letzten 20 Jahren große Erfolge erzielt wurden, muss von Seiten der Gesellschaft noch vieles getan werden. Das Gleichgewicht zwischen gesellschaftlicher Offenheit und Akzeptanz, politischer Unterstützung und der Bemühungen der MigrantInnen steht dabei im Mittelpunkt. Erst dann kann Graz eine Stadt ohne Benachteiligung von Gesellschaftsgruppen aufgrund ihrer Herkunft und ethnischer Zugehörigkeit sein
.

 

Bild: Foto Fischer/Stadt Graz


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