
Soziale Kälte auf Neujahrs-Diät
Abnehmen, sparen, mehr Sport: Neujahrsvorsätze haben die Eigenschaft einer Silvesterrakete: sie verglühen viel zu schnell. Aber: gibt es auch soziale Vorsätze für 2011? Und wie sieht´s mit deren Nachhaltigkeit aus?
„Morgen, ja morgen fang ich a neues Leben an…Und wenn net morgen, dann übermorgen, oder zumindest irgendwann…“. Die Zeilen eines EAV-Hits aus den Achtzigern ließen sich auf sie umlegen. – die Neujahrsvorsätze. Bewusster essen und sparen zählen mit „mehr Sport“ jedes Jahr zu den Chartstürmern der Neujahrsvorsätze. Fast jedeR hat sie, aber kaum jemand braucht sie, denn bei den Meisten dauert das „neue Leben“ kaum länger als bis zum Dreikönigstag.
Können Vorsätze „menscheln“?
Aber vielleicht braucht´s einfach mal was Neues
. Die Zeit, in der wir leben, bietet ein Betätigungsfeld, das weit mehr aufzeigt als eine Tafel Schoko weniger zu essen.
Jahresvorsätze menschlich betrachten? Zwischenmenschlich? Geht das? Uns GrazerInnen sollte da Konstruktives einfallen. Immerhin leben wir in der „Stadt der Menschenrechte“.
An Möglichkeiten mangelt es dennoch nicht. Wie der Menschenrechtsbericht 2009 verdeutlicht, sind die fremdenfeindlichen Übergriffe verbaler und nonverbaler Natur angestiegen. Integration ist allgegenwärtiges Dauerthema. JedeR hat eine Meinung, also kann auch jedeR etwas tun: anstatt sich vorzunehmen bis Ostern zehn Kilo abzunehmen damit auf den Hüften mehr Platz für die Schmunzelhasen ist, könnte man doch einmal dem netten Zeitungsausträger eine kleine Aufmerksamkeit im Postkasten hinterlegen, das Angebot eines Megaphons in der Innenstadt gemäß guter alter Manieren mit einem höflichen „Nein Danke“ ablehnen (oder vielleicht einmal öfter zu kaufen), oder auf der Straße einen Fremden einfach anlächeln…
Freundlichkeit ist natürlich keine Handlung, die sich ausschließlich zwischen den sogenannten „In- und AusländerInnen“ vermehren soll. Auch generationsübergreifend können sich diese auszahlen, z.B. wenn man im Bus für Ältere aufsteht.
10 Jahre Menschenrechtsstadt. Vorsätze für die Politik.
Wir alle sind fähig Neujahrsvorsätze zu fassen, von denen auch andere etwas haben
. Aufgerufen ist auch die Politik. In Graz, das im Neuen Jahr das Jubiläum „10 Jahre Menschenrechtsstadt“ begeht, werden wir in den nächsten Monaten wohl wieder mit der Diskussion um das Bettelverbot konfrontiert werden bzw. der Volksbefragung hierzu. Aber ist die Demokratie mit den Menschenrechten in Einklang zu bringen, wenn wir mit unserem Stimmrecht über das Schicksal Dritter entscheiden? Die Menschenrechtsstadt Graz könnte doch z.B. auch in den Herkunftsländern der um Hilfe bittenden Menschen verstärkt Aufbauarbeit leisten. Auch in Siedlungen kommt es immer wieder zu Reibungspunkten zwischen unterschiedlichen „Kulturen“. Wie wäre es wenn man hier vermehrt auf MediatorInnen setzt, um für beide Seiten ein friedvolles Zusammenleben zu gestalten (wie beispielsweise auch eine der mehr als hundert Empfehlungen im Menschenrechtsbericht lautet). Graz sind die Verwirklichung solcher Neujahrsvorsätze grundsätzlich zuzutrauen. Mit Vorhaben wie dem „Welcome House“ für MigrantInnen zeigt man konstruktive Initiative, auf welche man aufbauen muss.
Lassen wir Menschlichkeit „dicker“ werden.
Zugegeben: mehr lächeln, freundlicher sein, das klingt sozialromantisch oder „gutmenschlich“. Wird sich gesellschaftlich etwas ändern, wenn ich alleine mein Verhalten ändere? Ein chinesisches Sprichwort sagt „Auch durch ein kleines Loch kann ein starker Wind wehen“. Wie wäre es mit diesem Neujahrsvorsatz? Anstatt ständig abnehmen zu wollen, lassen wir harmonischeres Miteinander zunehmen. Auf die Schoko kann man notfalls immer noch verzichten: Jemand der in der Herrengasse in einer Ecke kauert, würde sich darüber freuen.
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