
Stolz der Nation
17. März 2015: St. Patricks Day. Nationalfeiertag der Republik Irland.
Massen an Österreicherinnen und Österreichern strömen in Pubs, die vorherrschenden Farben sind grün und orange. Man ist fröhlich, man feiert, man lässt die irische Lebensart hochleben. Ein harmloser Spaß.
Interessant ist aber folgende Frage: Warum feiert die Jugend in Österreich mit aller Inbrunst den irischen Nationalfeiertag, auf die Idee, den österreichischen ebenso zu feiern, käme aber kaum jemand? Man stelle sich vor: In rot-weiß-rot gewandete Menschen in den Beisln und Gasthäusern, Sisi- statt Koboldsymbole, Edelweißanstecker statt Kleeblätter. Um es mit den Worten von Wolf Haas zu sagen, das wäre so ein bisschen ding. Was dieses „ding“ ausdrücken soll und was „Nation“ im Jahr 2015 noch bedeutet, dazu ein paar Gedanken.
Flagge zeigen
Was ist eigentlich eine Nation? Das gleiche wie ein Staat, also ein politisches Gebilde? Nicht ganz.
Eine Nation ist viel mehr. Die Definition des Ethnographen Anthony Smith lautet etwa: „Eine menschliche Bevölkerung, die ein historisches Territorium, gemeinsame Mythen und ein historisches Gedächtnis teilt, eine Massenkultur und eine Volkswirtschaft besitzt…“ Dazukommen kann noch eine gemeinsame Sprache. Das Wichtigste jedoch: Die Nation ist eine Idee, in den Köpfen der Menschen entstanden und kaum 200 Jahre alt
.
Nation ist ein faszinierendes Phänomen, das auf Grundlage einer gemeinsamen (erfundenen) Geschichte und Symbolen wie etwa der Flagge ein Zusammengehörigkeitsgefühl verschiedenster Menschen schafft
. Wie wurde erreicht, dass ein Stück Stoff mit ein paar Farben drauf für unsere persönliche Integrität steht, dass es eine unzumutbare Beleidigung darstellt, wenn jemand es zertreten oder verbrennen will? Für viele Menschen ist Herabwürdigung der eigenen Flagge wie ein Tritt ins Gesicht, gleichbedeutend mit der Beleidigung ihrer Identität. Der Grund dafür lautet: Nationalstolz. Ein Gefühl, das vielen in Deutschland und Österreich eher unbekannt ist. Der generelle (linke) Diskurs sagt, man kann nur auf etwas stolz sein, wozu man auch etwas beigetragen hat: An welchem Fleckchen Erde wir geboren werden, ist vollkommener Zufall, daher kein geeigneter Adressat für Stolz. Dazu kommt noch unsere nationalsozialistische Vergangenheit, die nationale Tendenzen ein für alle Mal in ein schiefes Licht gerückt hat.
Den meisten anderen Staaten der Erde ist dieser Zugang unbekannt. Es wird vor Flaggen salutiert, Siege über andere Staaten werden als Feiertage zelebriert, man ist von ganzem Herzen stolz darauf, US-Amerikanerin, Russe, Polin oder Georgier zu sein, und ein gewisser Teil der Bevölkerung ist bereit, die Ehre des Landes mit Waffen zu verteidigen.
Krieg und Frieden
Als ÖsterreicherIn ist das manchmal schwer zu verstehen, es scheint uns albern, einer Idee und ein paar Farben solche Gefühle entgegen zu bringen, dass man in Kauf nimmt, dafür zu sterben. Unser Stolz (und Harm) beschränkt sich auf Fußball, wo man der öffentlichen Meinung nach national gestimmt sein „darf“. Es ist ok, auf die eigene Mannschaft stolz zu sein, obwohl man auch zu deren Sieg nichts beiträgt…
In anderen Teilen der Erde ist Nationalstolz aber ein wesentlicher Faktor für Krieg. Noch immer bestimmen zahlreiche ungelöste Konflikte zwischen Staaten das Weltgeschehen. Es geht dabei meist um geographische Ansprüche, um Macht und Einfluss und Geschichte. Die Willkürlichkeit, wer auf welcher Seite der Grenze steht, wird dabei oft vergessen. Man kann argumentieren, nicht nur übersteigerte Vaterlandsliebe, sondern die Idee der Nation im Allgemeinen stehe einer friedlichen Welt im Wege.
Doch es gehört wohl zur Natur des Menschen, Gruppen zu bilden und sich einer Einheit zugehörig zu fühlen. Gemeinschaftsgefühle sind schön und können Halt geben in einer globalisierten Welt des Gleichmachens, und auch das sportliche Messen mit anderen ist ein Grundbedürfnis vieler. Sobald man sich aber einbildet, die eigene Nation sei im Allgemeinen „besser“ als andere, ist die Saat für Konflikte gesät. Dann sollte man sich darauf besinnen, dass dieses Spiel nur erfunden ist, dass so etwas wie ein Volk nicht existiert und eine Flagge kein Symbol für Überlegenheit ist, sondern einfach nur ein Stück Stoff mit Farben drauf.