
Quo vadis, Versammlungsfreiheit
Wer gegen Rechts demonstriert, hat es heutzutage immer schwerer. Demonstrant_innen werden sehr schnell pauschal kriminalisiert und an den Pranger gestellt, einerseits durch eine einschlägige und teilweise falsche Berichterstattung der Boulevard-Medien und andererseits durch fragwürdiges Verhalten offizieller Stellen, wie nach dem Grazer Akademikerball am 17. Jänner 2015.
Sowohl Justiz als auch Polizei fielen in den letzten Jahren durch fragwürdige Entscheidungen auf, welche Zweifel an ihrer Unbefangenheit und ihrer Professionalität aufwarfen. Nun wäre es übertrieben zu sagen, dass sich die Judikative mit der Exekutive verbündet hat, um mehrheitlich friedliche, Demonstrant_innen ohne fairen Prozess hinter Gitter zu stecken, jedoch sind die Entwicklungen über die letzten Jahre gesehen bedenklich und mehr als kritisch zu betrachten.
Der Wiener Akademikerball
Am 30. Jänner dieses Jahres findet nun zum dritten Mal der Wiener Akademikerball statt, welcher von der Wiener Landesgruppe der FPÖ organisiert wird. Zielgruppe ist die Crème de la Crème der Burschenschaften aus dem In- und Ausland. Mehrheitlich sind es Mitglieder schlagender Burschenschaften, welche am Ball teilnehmen, jedoch sind auch mehrere nicht-schlagende Burschenschaften vertreten. Vorgänger dieses Balles war der Ball des Wiener Korporationsrings (WKR-Ball), welcher von 1952 bis 2012 stattfand. Grund für den Wechsel war, dass die Wiener Kongresszentrum Hofburg Betriebsgesellschaft unter dem Druck der Öffentlichkeit den Mietvertrag nicht verlängerte. Jedes Jahr gibt es anlässlich des Balles politische und gesellschaftliche Diskussionen und sehr oft kommt es bereits im Vorfeld zu Provokationen von beiden Seiten. So werden beispielsweise die Demonstrant_innen vom Veranstalter häufig als „linkslinke Gewalttäter_innen“ diffamiert. Diese Eskalation im Vorfeld führte im letzten Jahr unter anderem zu einem großflächigen Platzverbot und damit zu einer Einschränkung der Pressefreiheit.
Ungerechtigkeiten und…
Nun ist es korrekt, dass man Straftäter_innen gerecht bestrafen sollte, jedoch erlauben sich mehrere Entscheidungsträger_innen einen großen Interpretationsspielraum, was Gerechtigkeit und korrekte Urteile angeht. Auch Vorverurteilungen, ein krasser Verstoß gegen die Unschuldsvermutung, lassen die österreichische Justiz und Exekutive voreingenommen und im internationalen Vergleich mittelalterlich wirken. Ein Beispiel dafür ist die Verurteilung des deutschen Studenten Josef S., der nach den Demonstrationen gegen den Akademikerball 2014 knapp ein halbes Jahr aufgrund von „Tatbegehungsgefahr“ in Untersuchungshaft genommen und schlussendlich u.a. wegen Landfriedensbruchs in Rädelsführerschaft zu 12 Monaten Haft, davon acht bedingt, verurteilt wurde. Die Beweislage in diesem Prozess war äußerst dünn, kritisiert wurde auch, dass mit diesem Urteil anscheinend auf Kosten des jungen Mannes ein Präzedenzfall geschaffen werden sollte.
Gegen Rechts zu demonstrieren wird in Österreich stetig schwerer, doch das ist gerade heute extrem kritisch und auch gefährlich. In Zeiten von PEGIDA und einem erstarkenden Rechtsextremismus und Neonazismus in Europa ist eine Vorverurteilung und Kriminalisierung derer, welche Demokratie und Solidarität wahren wollen, eine Entwicklung, die umgehend gestoppt werden muss.
Bestes Beispiel hierfür ist der Grazer Akademikerball am 17. Jänner 2015, nach dem die Polizei eine Presseaussendung ausgeschickt hatte, in welcher DemonstrantInnen beschuldigt wurden, nach dem offiziellen Ende der Kundgebung in der Stubenberggasse eine Geschäftsauslage zerstört zu haben. Nahezu jede Zeitung, sowohl seriöse als auch nichtseriöse, druckte diese Story ab, im Glauben, dass eine offizielle Aussendung der Polizei einen sicheren Wahrheitsgehalt haben muss. Erst durch eine Aktion des unabhängigen Radiosenders „Radio Helsinki“ wurde aufgedeckt, dass es sich hierbei um eine Falschmeldung handelte. Tragisch, dass die Polizei vor der Enthüllung kein Interesse hatte, die von ihr verbreitete falsche Behauptung aufzuklären.
… gefährliche Macht
Die Polizei braucht klarerweise eine gewisse Macht, sonst könnte sie ja nicht ihre Autoritätsposition durchsetzen. Nur wird ja so schön gesagt, dass mit großer Macht auch große Verantwortung einhergeht, deshalb muss gewährleistet werden, dass nur professionelle und verantwortungsvolle Menschen diesen Posten bekommen. Hier liegt wohl das Problem. Wenn man sich Videomaterialien von der Wiener Akademikerball-Demonstration 2014 ansieht, merkt man eindeutig, dass viele Polizist_innen mit der Situation überfordert waren und, anstatt zu deeskalieren, die Stimmung nur noch mehr anheizten, indem sie offenkundig friedlich Demonstrierende mit Pfeffersprays attackierten oder sich in Gruppen auf „Sitzstreikende“ warfen und diese aus ominösen Gründen abführten. Zwar gab es auch gewalttätige Demonstrant_innen, doch waren diese in Relation zu dem Polizeiaufgebot eine Kleinstgruppe.
Jedoch wäre es auch falsch, nur die Polizist_innen im Einsatz zu kritisieren, schließlich erfüllten die meisten einen Auftrag, welchen sie von höherer Stelle bekommen hatten. Der Spruch „Der Fisch fängt beim Kopf zum Stinken an“ trifft gut zu, wenn der Wiener Polizeipräsident Gerhard Pürstl selbst Gesetze wie beispielsweise das Datenschutzgesetz ignorieren will: „Das ist gut, wenn sie [die Demonstranten] bei der Rettung waren. Dann gibt es die Daten, und dann können wir sie ausforschen.“. Spätestens nach Aussagen wie diesen wäre es höchste Zeit gewesen, etwas zu ändern
. Pürstl ist übrigens noch immer Polizeipräsident.
Es ist Vorsicht geboten
Wenn dieser Artikel erscheint, ist es noch ein Tag bis zum Wiener Akademikerball, und wie die Überschrift besagt, ist wahrhaftig Vorsicht geboten. Mittlerweile wurden sechs der 20 angemeldeten Kundgebungen verboten, darunter der Demonstrationszug des Bündnisses „NoWKR“ mit der Begründung, dass sich dieses Bündnis im Vorfeld nicht ausreichend von Gewalt distanzierte. Gewalt jeglicher Art ist nicht angebracht und zu verurteilen, sowohl auf der Seite der Demonstrant_innen, als auch auf Seiten der Polizei. Denn dass unbegründete Polizeigewalt in einer Demokratie undenkbar sein sollte, scheint innerhalb der Bevölkerung und anscheinend auch innerhalb der Polizei nicht zu jedermanns und jederfraus Hausverstand zu gehören.
Nichtsdestotrotz ist es wichtig, gegen rechte Hetze auf die Straße zu gehen und zum Glück ist trotz der letztjährigen Geschehnisse wieder mit vielen Demonstrant_innen zu rechnen. Wer dabei ist, sollte sich aber vor dem oben erwähnten „Landfriedensbruch-Paragraphen“ (§274 Strafgesetzbuch) in Acht nehmen. Mit Berufung auf diesen mittelalterlichen Gesetzesparagraphen, kann die Polizei jede_n Teilnehmer_in einer Demonstration, in welcher abzusehen war, dass eine Straftat (z. B
. Sachbeschädigung) begangen wird, festnehmen, wenn sich die Person nicht freiwillig von der Menschenmenge entfernt, bevor (!) die Straftat begangen wurde, was in einer Demonstration praktisch unmöglich ist. Eine Verurteilung nach § 274 kann Strafen von bis zu zwei Jahren Gefängnis bedeuten. Ich persönlich wünsche mir sehr, dass es dieses Jahr zu keinen Gewalthandlungen von Seiten der Demonstrant_innen kommt. Abgesehen davon, dass Gewalt kein adäquates Mittel ist, um seinen Protest auszudrücken, wäre das ein starkes Zeichen für die Demokratie und würde noch dazu dem Veranstalter keine Chance geben, sich als Opfer darzustellen.