
Wenn Hoffnung alles ist, was bleibt
Bäckerei Kern, 13. Mai 2014. Ich packe mein Diktiergerät aus, richte meine Notizen her und bestelle einen Kaffee. Ich bin nervös, aber auch voller Erwartungen: In wenigen Minuten führe ich das erste Interview meines Lebens. Er betritt das Café, wir schütteln Hände. „Wir können uns ruhig duzen.” – Ein guter Start in ein Gespräch über ein sehr kontroverses Thema: Asyl.
Otto Simon ist selbstständig und als Unternehmensberater tätig. Der Grund, warum wir uns treffen, ist jedoch ein anderer: Er engagiert sich nämlich für Flüchtlinge. „Begonnen hat es damit, dass ich einen Radiobeitrag über ZEBRA gehört habe.” ZEBRA ist eine Menschenrechtsorganisation, welche mit dem Projekt Connecting People unbegleiteten jugendlichen Flüchtlingen die Möglichkeit bietet, einen „Paten” zu bekommen: Eine ehrenamtliche Bezugsperson, welche sich mehr oder weniger um sie oder ihn kümmert
. „Wie man das macht, ist jedem selbst überlassen. Manche treffen sich ständig, andere haben kaum Kontakt.”
Otto betreut seit ca. fünf Jahren einen somalischen Flüchtling (M.) und hat mit ihm schon einiges durchlebt. „Der erste Asylbescheid war in allen Punkten (Asyl, subsidiärer Schutz und Ausweisung, Anm. d. Red.) negativ, sogar die Ausweisung wurde verfügt. Das war ein ziemlicher Schock.” Nachdem sie Einspruch erhoben hatten, ging das Ganze zum Asylgerichtshof, wo dann (nach etwa einem Jahr) entschieden wurde, dass die erste Instanz in Graz fehlerhaft entschieden hatte und diese noch einmal entscheiden muss. Also ging er zurück zum gleichen Sachbearbeiter, der den ersten Antrag abgelehnt hat. „Es ist wirklich absurd. Als würde dieser Sachbearbeiter auf einmal zu einem komplett anderen Ergebnis kommen.”
Dabei müsste in diesem Fall, auch wenn der Asylantrag abgelehnt wurde, zumindest subsidiärer Schutz gewährt werden. Subsidiärer Schutz wird normalerweise dann gewährt, wenn zwar kein Asylgrund vorliegt, aber durch die Lage im Herkunftsland ein Leben in ebenjenem bedroht wäre. Und das trifft auf Somalia mehr als zu: Politische Instabilität, Trockenheit, Anschläge und Piraterie stehen auf der Liste der Probleme; erst dieses Jahr wurde Somalia von der NGO “Save the Children” als schlimmstes Land für Mütter eingestuft.
Die Zeit der Ungewissheit
„Das Schlimmste an dem Ganzen sind die Wartezeiten.“ Eigentlich sollte jedes Asylverfahren in zwei Jahren abgeschlossen sein. Die Realität schaut jedoch oft anders aus: Fast zwei Jahre hat M. auf seinen ersten Bescheid gewartet, seit ca. zwei Jahren wartet er jetzt schon auf den zweiten – insgesamt sind es schon fast fünf Jahre. Dabei ist die Entscheidung für Subsidiärschutz eigentlich weniger von der Person des jeweiligen Asylwerbers bzw. der Asylwerberin, sondern eher vom Herkunftsland abhängig und könnte daher schon innerhalb von kürzester Zeit getroffen werden. Diese Art von Aufenthaltsgenehmigung ist zwar nur vorübergehend, aber zumindest darf man währenddessen arbeiten.
„Das ist das nächste Problem: Es ist kaum möglich, sich auf eigene Beine zu stellen.” Denn wie soll man sich ohne Arbeit über Wasser halten? Die AsylwerberInnen bekommen zwar ein Taschengeld, dieses reicht aber bei weitem nicht, um sich eine Wohnung zu leisten. Also müssen die meisten in AsylwerberInnenheimen leben
.
„Die positive Überraschung war, dass man relativ einfach in die Schule gehen kann.” Das gibt den Jugendlichen nicht nur eine Zukunftsaussicht, sondern auch die Chance auf Integration.
Womit auch schon das nächste Problem angesprochen ist: „Der Staat will nicht, dass sich Asylwerber im Asylverfahren integrieren.“ Irgendwie verständlich, denn je integrierter jemand ist, desto schwerer ist es, diese Person abzuschieben. Und auch wenn es blöd klingt: Wir haben einfach nicht für alle Platz. Deswegen aber nur wenige Deutschkurse zur Verfügung zu stellen und keine Arbeitserlaubnis zu geben, ist nicht unbedingt der richtige Weg. Integration könnte nämlich kaum stattfinden, wenn der Asylantrag innerhalb von ein bis zwei Jahren fertig abgehandelt werden würde. Wenn sich die Wartezeiten dann aber auf fünf bis zehn Jahre belaufen, ist es klar, dass sich Leute integrieren wollen, und das ist auch gut so. Hier den AsylwerberInnen diese Möglichkeit zu verwehren, ist auch alles andere als gerecht, immerhin ist es ja wohl kaum deren Schuld, dass das Verfahren so lange dauert.
Es gibt also genug, was unsere Regierung tun könnte, um die Situation sowohl für Österreich als auch für die AsylwerberInnen ohne allzu großen (finanziellen) Aufwand zu verbessern. Die Frage, die sich da stellt, ist: Warum tut es niemand? Warum werden diese Missstände einfach hingenommen, die Diskriminierung einfach übersehen?
Für M. und Otto heißt es in der Zwischenzeit weiter hoffen: Hoffen auf einen Fortschritt im Asylverfahren, hoffen auf einen positiven Bescheid, hoffen auf ein besseres Leben. Und mit ihnen hoffen über 20.000 andere AsylwerberInnen.
Foto: Otto Simon, Flüchtlingshelfer