
Akademikerball – The same procedure as every year!
Gegenseitige Schuldzuweisungen, Klagsandrohungen, Pauschalverurteilung von DemonstrantInnen – der „Akademikerball“ hinterlässt seine Spuren
. Bei dem von der FPÖ organisierten Ball (ehemals WKR-Ball) versammelten sich letzten Freitag wieder zahlreiche Burschenschafter und VertreterInnen der rechten Szene in der Wiener Hofburg. Wie jedes Jahr blieben Großdemonstrationen gegen dieses Ereignis nicht aus. Anders ist diesmal aber, dass die Berichterstattung dazu beinahe vermuten lässt, der Rechtsstaat Österreich sei untergegangen und das Land wäre von linken Paramilitärs übernommen worden. Aber alles halb so wild, bei genauerem Hinsehen kann man unbesorgt feststellen, dass die größte Bedrohung für den Rechtsstaat immer noch von anderen Seiten kommt.
Etwas ganz Besonderes hatte man sich seitens der Exekutive für den Schutz des diesjährigen Balls ausgedacht. Ein Platzverbot über die Hälfte der Wiener Innenstadt inklusive pauschalem Vermummungsverbot. Die Sperrzone galt auch für JournalistInnen, diese durften sich höchstens eine halbe Stunde und nur unter polizeilicher Begleitung darin aufhalten, um ausschließlich über den Ball zu berichten. Anders gesagt: Einschränkung der Versammlungsfreiheit, damit einhergehend pauschale Kriminalisierung aller DemonstrationsteilnehmerInnen und obendrein noch Einschränkung der Pressefreiheit. Tu felix Austria. Nicht umsonst haben Verfassungsjuristen bereits im Vorfeld festgestellt, dass diese Maßnahmen als unverhältnismäßig zu betrachten sind. Irgendwie passend, dass Menschenrechte an Gewicht verlieren, wenn es um den Schutz von Burschenschaftern geht.
„Linker Terror“ als Rechtfertigungsgrund
Die FPÖ als Veranstalterin gibt sich indes wie jedes Jahr schockiert über die Demonstrationen gegen eine legale Veranstaltung einer legalen Partei, mit Gästen, die allesamt unbescholten sind und nichts Böses im Schilde führen (rechtskräftig verurteilte Personen müssen wohl bereits bei Aussendung der Einladungen aussortiert werden). Man fühlt sich merklich wohl in der Opferrolle. Obwohl die Methode der Täter-Opfer-Umkehr in Österreich bestens bekannt sein sollte, springt auch der Großteil der Medien darauf an und analysiert ausführlich, wie es zu linken Ausschreitungen kommen konnte, anstatt sich der zunehmenden Salonfähigkeit des Rechtsextremismus zu widmen.
Zu klären wäre nämlich eher die Frage, warum einem Staat mit der dunklen Geschichte Österreichs so viel daran liegt, eine Veranstaltung, an der regelmäßig die Hautevolee der nationalen und internationalen rechten und rechtsextremen Szene vertreten ist, in einem der wichtigsten und traditionsreichsten Gebäude der Republik über die Bühne zu bringen. So viel, dass dafür die halbe Innenstadt abgeriegelt wird und mehr als 2000 ExekutivbeamtInnen zum Einsatz kommen. „Unsere Polizisten schützen die Faschisten“ wird häufig bei Demonstrationen skandiert – ein Vorwurf, den man spätestens nach den Ereignissen vom Freitag nicht mehr ganz von der Hand weisen kann.
Die Ausschreitungen im Rahmen der Demonstrationen sollen nicht verharmlost werden. Ein demokratischer Staat darf von seinen BürgerInnen verlangen, ihren Unmut gewaltfrei kundzutun. Funktionieren kann dies aber nur, wenn sich auch die Institutionen des Staates, in diesem Fall die Exekutive, an ihre Spielregeln halten. Dass dies nicht immer der Fall ist, wurde auch am Freitag wieder bestätigt, bekannt ist es aber bereits seit längerem
. Das Fass war bis zum Rand voll, ein Tropfen musste es früher oder später zum Überlaufen bringen. Eine längst überfällige klare Abgrenzung zu rechtsextremem und nationalistischem Gedankengut in Österreich würde wahrscheinlich dazu beitragen, es wieder zu leeren. Vielleicht kommt irgendwann der Tag, an dem die Hofburgbetreiber in Gelächter ausbrechen, wenn um die Austragung eines Burschenschafterballs in ihren Räumlichkeiten angefragt wird, weil auch ihnen dann die Absurdität dieses Gedankens bewusst wird.
Hoffentlich wird der Weg dahin kein allzu langer sein – er könnte sonst wohl oder übel noch etliche verletzte DemonstrantInnen und zerborstene Schaufensterscheiben fordern.
Foto (c) Schmiedl/ETC unter Verwendung eines Fotos von Giovanni dall‘ Orto
Weiterführende Links
„Häupl kritisiert Polizeieinsatz bei Akademikerball“ (derStandard.at)
„Polizeichef verteidigt Aussperren von Journalisten“ (derStandard.at)
„Ballgeher und Demonstranten haben viele Gemeinsamkeiten“ (diePresse.com)
„Nachspiel für blauen Ball: Kritik von Häupl“ (Kurier.at)
„Über eine Million Euro Sachschaden“ (Kleinezeitung.at)
Wiener Akademikerball (Wikipedia)