
Die unsichtbaren Augen der Stadt
Sie schauen immer auf uns und sehen uns auch dann, wenn wir sie nicht sehen: Überwachungskameras. In Kaufhäusern, Banken, Museen, Wirtshäusern, Shoppingcentern, aber vor allem auch an Plätzen im öffentlichen Raum. Wie viele Augen uns mittlerweile im Alltag auf Schritt und Tritt verfolgen, lässt sich schwer eruieren. Fakt ist aber, dass Überwachungskameras fast überall ein Auge auf uns werfen – und es werden immer mehr
.
Videoüberwachung im Aufschwung
Die Installierung von Überwachungskameras ist ein weltweiter Trend, mit einer jährlichen Wachstumsrate im zweistelligen Bereich. In den vergangenen Jahren hat sich die Überwachung im öffentlichen Raum per Videokameras in vielen Ländern stark etabliert. Großbritannien nimmt dabei eine Vorreiterrolle ein. Dort überstieg die Anzahl der Überwachungskameras an öffentlichen Orten bereits 1999 die Grenze von einer Million. Auch in Graz sind an öffentlichen Plätzen in der Zwischenzeit hunderte Kameras installiert worden. Aber machen sie die Stadt wirklich sicherer?
Durch die Novellierung des Sicherheitspolizeigesetzes im Jahr 2005 wurde es den Sicherheitsbehörden ermöglicht, Bild- und Tonaufzeichnungen an öffentlichen Orten vorzunehmen. Die Beweggründe für die Überwachung sind demnach Sicherheitsaspekte: bei kriminellen Übergriffen können PolizistInnen die Aufnahmen für Ermittlungen einsetzen und die Kameras sollen außerdem als Abschreckung dienen, zur „präventiven Abwehr von gefährlichen Angriffen“. Aus polizeilicher Sicht tragen die Überwachungsnetze dazu bei, Straftaten an Kriminalitätsbrennpunkten zu reduzieren und die Aufklärungsquote von Kriminaldelikten zu erhöhen. Seit Mai 2013 hat Videoüberwachung auch in den Grazer Öffis Anlauf genommen. Zwischen fünf und acht Kameras behalten dabei die Fahrgäste in vorläufig 15 Straßenbahnen und 21 Bussen permanent im Auge, um zu verhindern, dass Straftaten überhaupt begangen werden. Ein weiterer Einsatzgrund liegt im Wunsch das subjektive Sicherheitsgefühl der Bevölkerung zu steigern. Aber ob man sich durch die Präsenz von hunderten von Linsen, die unser Alltagsleben permanent aufzeichnen, auch wirklich wohler fühlen kann, ist fraglich.
Im Auge der Überwacher
„Wenn man nichts zu verbergen hat, kann man sich ja auch überwachen lassen“, im Visier der Überwachungskameras sind allerdings alle PassantInnen gleich verdächtig. Ihre Aufmerksamkeit richtet sich auf jede/n, die oder der sich im öffentlichen Raum bewegt, und nicht nur auf potenzielle VerbrecherInnen. Um Straftaten aufzuklären, kann nach polizeilicher oder gerichtlicher Anordnung in das aufgezeichnete Material der Grazer Überwachungsindustrie auch längerfristig eingesehen werden. Im Normalfall werden die Aufzeichnungen nach 48-72 Stunden gelöscht und sind nicht weiter abrufbar. Grundsätzlich. Aber in Zeiten wie diesen kann man nur hoffen, dass der Zugang dazu auch wirklich eingeschränkt bleibt, damit unsere Daten in „sicheren“ Händen liegen
. Werden also bürgerliche und freiheitliche Grundrechte angesichts des Bedürfnisses nach absoluter Sicherheit bedroht? Das bleibt umstritten.
Zukunftsfrage: „Sicherheit gegen „Freiheit“
BefürworterInnen betrachten die Videoüberwachung von öffentlichen Orten jedenfalls als ein sehr effektives Mittel, um die Kriminalitätsbekämpfung voranzutreiben. Die sozialen Folgen, die in Zusammenhang mit der totalen Überwachung stehen, sind allerdings nicht absehbar. Die Zukunft prophezeit der Überwachungsindustrie zumindest ein hohes Wachstum, das vor allem durch die Nachfrage im öffentlichen Sektor gegeben ist. Damit einhergehend ist ohne Zweifel eine schwindende Bedeutung von Anonymität, die nur gewahrt werden kann, wenn auch wir aufmerksam bleiben. Also Augen auf! Auch wenn du nichts zu verbergen hast: du wirst beobachtet.

Foto © Pong