
Schabbat Schalom
Am Freitagabend kommen Frauen und Männer in festlicher Kleidung in die Seitenstettengasse in der Wiener Innenstadt. Hinter der Fassade des Hauses Nummer 4, welche einer normalen Hausfassade gleicht, befindet sich der Stadttempel, die Wiener Hauptsynagoge. Hier kommen Menschen jüdischen Glaubens zusammen, um gemeinsam den Beginn des Schabbat zu feiern. Man begrüßt sich mit Schabbat Schalom („Friede dem Samstag“).
Während des Gebetes wird gesungen und auch aus der Thora gelesen. Sie gilt als Grundstein des jüdischen Glaubens, ist die Hauptquelle des Rechts und der Ethik und gilt auch als Wegweiser für das Denken und zwischenmenschliche Beziehungen sowie die Beziehung zwischen Menschen und Gott. Die Thora besteht aus den fünf Büchern Mose, aus denen abschnittsweise an allen Schabbat- und Feiertagen sowie an Montagen und Donnerstagen (die früher Markttage waren) gelesen wird
. Eine Thora ist jedoch kein Buch im herkömmlichen Sinne, die Texte stehen auf einer handgeschriebenen Pergamentschriftrolle, die auf zwei Stäbe gewickelt ist.
Jede Woche einmal Feiertag
Im Judentum gilt der Schabbat als einer der wichtigsten Feiertage. Er beginnt jede Woche am Freitag bei Sonnenuntergang und dauert bis Sonnenuntergang am darauffolgenden Tag. Da der Schabbat ein heiliger Tag ist, gilt die Schabbatruhe. Während dieser Zeit dürfen keine Arbeiten verrichtet werden. Dazu zählen alle Tätigkeiten im Haushalt, Auto fahren und vieles andere, aber auch Kinder tragen oder das Betätigen des Lichtschalters. Nur lebenserhaltende und unbedingt notwendige Tätigkeiten sind erlaubt.
Der Schabbat gilt als Freudentag zum Gedenken an die göttliche Schöpfung, welche an diesem Tag vollendet wurde. Es wird festliche Kleidung getragen und es gibt drei feierliche Mahlzeiten. Er ist auch ein Tag der Familie, an dem alle zusammenkommen und gemeinsam Zeit miteinander verbringen.
Ein Fest zum Erwachsenwerden
Im Judentum gelten Jungen mit Vollendung ihres 13. Lebensjahres als Erwachsene, die Kindheit von Mädchen hingegen endet aufgrund ihrer früheren Reifung bereits mit zwölf Jahren
. Das Erreichen des Erwachsenenalters wird mit einem Fest begangen, der Bar Mitzwa. Übersetzt bedeutet Bar Mitzwa „Sohn des Gebots“, was darauf verweist, dass von diesem Tag an der Junge in religiösen Belangen seine Volljährigkeit erreicht hat, er ist für seine Handlungen selbst verantwortlich. Bis zum Tag der Bar Mitzwa war der Vater für seinen Sohn zuständig, im Rahmen der Feier gibt er die Verantwortung nun ab. Die Bar Mitzwa findet am Schabbat derjenigen Woche statt, in welche der Junge Geburtstag hat.
Im Rahmen der Feier wird der Junge zum ersten Mal zur Thora gerufen. Er spricht die Segensprüche über der Thora und liest anschließend daran singend einen Abschnitt daraus vor. Dieser Lesung geht oft ein monatelanges Üben voraus, da das richtige Lesen eines Prophetentextes sehr schwierig ist. Manchmal darf der Junge im Anschluss auch aus der Haftara, den Text aus den Prophetenbüchern lesen. Nach der Lesung werfen Frauen und Mädchen Süßigkeiten in Richtung des Jungen, als Symbol für den Wunsch, dass er ein zukünftiges gesegnetes Leben haben möge.
Nach der Bar Mitzwa zählt der junge Mann zum Minjan, das ist die Zahl der zehn Personen, ohne die kein Gebet gesprochen werden kann. Beim Tischgebet gilt er von nun als selbstständiges Mitglied und kann dieses selbst sprechen. Es folgen aber auch Pflichten wie zum Beispiel die Einhaltung der 613 Mitzwoth, der 248 Gebote und 365 Verbote, welche die Thora lehrt.
Für Mädchen nennt sich das Fest Bat Mitzwa und wird mit der Vollendung des 12. Lebensjahres gefeiert. In einigen jüdischen Gemeinden ist es Mädchen auch erlaubt aus der Thora zu lesen, in anderen halten sie eine feierliche Rede über ein selbstgewähltes Thema.
Jüdisches Leben in Wien
Viele jüdische Mädchen und Jungen besuchen in Wien die jüdische Zwi Perez Chajes Schule, welche aus Kindergarten, Vor- und Volksschule, AHS und Hort besteht. An der AHS stehen nicht nur die üblichen Fächer, sondern auch Hebräisch, jüdische Religion sowie jüdische Geschichte auf dem Stundenplan, in denen auch maturiert werden kann.
Im Wiener Stadttempel finden täglich Führungen statt. Wer sich näher für den jüdischen Glauben interessiert, hat auch die Möglichkeit an einem Freitagsgebet teilzunehmen.
Foto: Sarah via Suche am Sinai