
Der goldene Käfig
Seit einiger Zeit besetzen nun Asylwerber die Wiener Votivkirche
. Nach der Räumung des Protestcamps vor der Kirche befinden sich noch um die 40 Personen im Gebäude im Hungerstreik. Sie sorgen mit ihren Forderungen für heftige Diskussionen im Parlament und der gesamten Bevölkerung, die ihnen zu einem großen Teil Unverständnis entgegenbringt. Dies mag an der Komplexität des Themas liegen – oder aber an der Selbstverständlichkeit, mit der man hierzulande oft unseren Lebensstandard sieht.
Ist es tatsächlich so unverständlich, dass AsylwerberInnen, die meist tage- oder wochenlange Strapazen auf sich nehmen, nur um in einem Land wie Österreich mehr Perspektiven oder gar Überlebenschancen zu haben, nicht zufrieden sind, wenn sie fernab vom Rest der Bevölkerung in Lagern untergebracht werden, isoliert sind und nicht die geringsten Berufschancen vorfinden? Ist es wirklich nötig, dass sich der Durchschnittsbürger in Österreich darum sorgt, dass er seinen Wohlstand verlieren könnte, wenn zu viele von „denen“ zu uns kommen?
Selbst dieses „zu uns“ müsste einem hier bereits sauer aufstoßen. Wir sind wir, weil wir innerhalb der Grenzen unseres Landes leben. Das ist unser Land, basta! Jede und jeder, der/die zu uns kommen und hier leben möchte, hat sich gefälligst unterzuordnen und auf den Knien zu bitten, wenn er auch nur ein kleines Stück vom Kuchen möchte. Dieses Denken scheint sehr gängig zu sein, obwohl es doch in Wahrheit so fahrlässig ist. Gibt uns dieser absolute Zufall, in dieses Land geboren worden zu sein, das Recht ein besseres Leben zu führen als andere? Niemandem, der hart für seinen Wohlstand gearbeitet hat, sei dieser abzusprechen. Aber zufällig das Glück zu haben, in ein wohlhabendes, sicheres Land geboren zu werden, ist eben keine harte Arbeit – es ist einfach nur Glück.
Wenn man meint, es ginge den Flüchtlingen bei uns ausgezeichnet, darf nicht vergessen werden, dass sie größtenteils von der Gesellschaft ausgegrenzt und jegliche ihrer Hoffnungen zerstört werden. Und selbst wenn es ein Flüchtling schafft, sich in die Gesellschaft zu integrieren, besteht noch immer keine Sicherheit, dass es sich unser Staat nicht anders überlegt und er nach einiger Zeit doch wieder abgeschoben wird, wie so mancher Fall in den letzten Jahren gezeigt hat. Der Umstand, dass Flüchtlinge Verpflegung und Unterkunft erhalten, kann noch lange nicht absolute Zufriedenheit schaffen
. Denn niemand sitzt gerne in einem Käfig – selbst wenn er vermeintlich aus Gold ist.
P.S. In Bezug auf die Proteste in der Votivkirche sei noch erwähnt, dass die Wiener Landesgruppe einer Partei, welche die Farbe des wolkenlosen Himmels trägt und ironischer weise das Wort „Freiheit“ in ihrem Namen trägt, letzte Woche Anzeige gegen diverse NGOs, die die Flüchtlinge betreuen, eingebracht hat. Der Hauptgrund dafür sei „Störung einer Religionsausübung“. Im Hinblick auf den Umstand, dass ebendiese Partei vehement versucht, den Bau von Moscheen in Österreich zu verhindern, welche immerhin Gebetsstätten einer in Österreich anerkannten Religion sind, darf auch über den Begriff „Störung einer Religionsausübung“ noch einmal nachgedacht werden.
Foto: Refugee Camp Vienna