
Flucht in den Himmel
Nach Angaben des UN-Flüchtlingskommissariats (UNHCR) waren im vergangenen Jahr weltweit 42,5 Millionen Menschen von Flucht und Vertreibung betroffen. Die meisten Flüchtlinge kommen aus Afghanistan. Abdulwali Karamalli ist einer davon. Er ist 20 Jahre alt und lebt heute in Graz.
„Die Hoffnung begleitet mich“
Mit einem Lächeln im Gesicht erzählt Abdulwali, wie er als Kind Drachen baute, um bei den Drachenflugwettkämpfen teilzunehmen, die in Afghanistan eine große Tradition haben und immer zu Neujahr stattfinden. Die Kindheit in Baghlan im Norden des Landes ist für ihn aber nicht nur mit schönen Erinnerungen verbunden. Es war im Jahr 2000, als die Taliban gemeinsam mit nomadisierenden Stämmen ganze Landstriche im Norden Afghanistans rauben und für sich beanspruchen. Dabei wird auch sein älterer Bruder entführt und ermordet. Die Familie von Abdulwali flüchtet aus Angst vor dem Terror und auf Grund des Verlustes ihrer Ländereien nach Pakistan. In dem überfüllten Flüchtlingslager in Peshavar gibt es jedoch für den jungen Abdulwali keine Zukunftsperspektiven, weshalb er nach einiger Zeit weiter nach Europa flüchtet
. Seine Familie bleibt in Pakistan zurück. Im Alter von 17 Jahren kommt er schließlich alleine nach Österreich. Hier wird sein Asylantrag auch in zweiter Instanz abgelehnt
. Er bekommt aber schlussendlich den Status als subsidiär Schutzberechtigter zuerkannt. Gleichzeitig erhält er auch eine Arbeitsbewilligung, sodass er mittlerweile als Koch bei dem Arbeitsprojekt Heidenspaß in Graz sein erstes Geld verdient und davon den eigenen Lebensunterhalt selbstständig bestreitet. Hier in Graz findet er nur noch ab und an die Möglichkeit Drachen fliegen zu lassen, erklärt er mir. Wenn der Drachen in den blauen Himmel aufsteigt, fliegen mit ihm zumindest für einen kurzen Moment auch die Sorgen und Ängste davon. Spätestens wenn das bunte Flugobjekt wieder auf dem Boden landet, wird Abdulwali aber auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt. Denn wie lange er in Österreich bleiben kann, ist ungewiss. Den Antrag als subsidiär Schutzberechtigter muss er jedes Jahr neu stellen. In dieser Unsicherheit versucht Abdulwali alleine sein Leben zu meistern. „Was mich begleitet, ist die Hoffnung und der Wunsch wieder mit meiner Familie in Sicherheit vereint zu sein“, sagt er.
14.416 AsylwerberInnen in Österreich
Die Asylstatistik des Bundesministeriums für Inneres zeigt, dass die Geschichte von Abdulwali kein Einzelfall ist. Im vergangenen Jahr gab es 14.416 AsylwerberInnen in Österreich. 1.346 davon waren Unbegleitete Minderjährige Flüchtlinge. Was sie verbindet, ist ihre Hoffnung auf eine bessere Perspektive für ihre Zukunft und der Wunsch nach Sicherheit, Frieden und Schutz vor Verfolgung.
10 Asylfälle – 10 Asyldrachen
Die Kunstinstallation „10 Asylfälle – 10 Asyldrachen“ möchte auf die persönlichen Schicksale aufmerksam machen, die sich hinter den vielen Zahlen und Statistiken verstecken. Im Rahmen eines Workshops mit Darvishi Darvish und Norbert Prettenthaler gestalteten neben Abdulwali neun andere AsylwerberInnen Drachen und erzählen damit ihre ganz persönliche Flucht- und Asylgeschichte. Seit Oktober sind diese Drachen im ETC Graz ausgestellt.
Weiterführende Links
Patenschaftsprojekt für Unbegleitete Minderjährige Flüchtlinge in Graz: Connecting People
Flüchtlingslager Traiskirchen bekommt Schulklassen (Die Presse, 31.10.2012)