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Gender Pay Gap – Ein weiteres Symptom, aber nicht die Ursache


Der Equal Pay Day macht jährlich auf die Einkommensschere zwischen weiblichen und männlichen Arbeitnehmer:innen aufmerksam. In diesem Zusammenhang wird auch oft der Gender Pay Gap erwähnt. Doch existiert dieser wirklich?

Was ist denn eigentlich der Gender Pay Gap?

Der „Gender Pay Gap“ (kurz GPG, auf dt. Geschlechterlohnunterschied) ist die Differenz im durchschnittlichen Bruttostundenverdienst zwischen Frauen und Männern in der Erwerbsbevölkerung. Dieser Unterschied wird oft in Prozent angegeben und ist auf den durchschnittlichen Bruttostundenverdienst des Mannes bezogen. Ein positiver Prozentsatz bedeutet also, dass Frauen im Durchschnitt weniger verdienen als Männer.

Der Geschlechterlohnunterschied hat mehrere Ursachen, dabei handelt es sich um ein komplexes Phänomen, das auf unterschiedlichen Ebenen verankert ist. Die Teilzeitarbeit und die Arbeitszeit spielen eine große Rolle, da Frauen oft stärker in Teilzeit- oder geringfügige Beschäftigung treten als Männer. Auch die Unterbrechung der Erwerbstätigkeit geht damit einher, da der Mutterschaftsurlaub oder die Pflege von Angehörigen Frauen in vielen Fällen stärker betreffen als Männer. Ebenso ist die Berufswahl oft ein entscheidender Faktor, da Frauen weniger oft ihren Beruf wechseln und im Zuge dessen bei Lohnverhandlungen öfter dazu neigen, weniger selbstbewusst für sich einzustehen, was sich wiederum in ihren Gehältern widerspiegelt. Laut einer Studie legen Frauen beispielsweise mehr Wert auf verschiedene Faktoren wie das Arbeitsklima, geregelte Arbeitszeiten oder kürzere Arbeitswege.

Betrifft der Gender Pay Gap nur die Frauen?

Der Gender Pay Gap ist jedoch nicht nur ein Problem der Geschlechter, sondern ebenso ein soziologisches, das von der Ethnie bis hin zur Religion reicht. Laut der WKO kann in Österreich schlichtweg aufgrund der kollektivvertraglichen Gehaltstabellen per Definition kein Gender Pay Gap existieren – dem kann in dieser Form jedoch nicht unbedingt recht gegeben werden. Die Kollektivverträge stellen einen Meilenstein in puncto Sicherheit dar und es ist keine Selbstverständlichkeit, eine Sozialpartnerschaft wie in Österreich zu haben, jedoch legen diese bloß ein Mindestgehalt fest; eine freie Vereinbarung zur Überbezahlung ist immer möglich.

Ebenso gilt es, die Diversität in der Arbeitswelt und in verschiedenen Positionen zu fördern. Frauen müssten von Grund auf unterschiedliche Interessen in etlichen Bereichen zeigen und nicht in frauentypischen Berufen untereinander konkurrieren.

Woher man kommt und was man schlussendlich damit macht, hängt von jedem Menschen individuell ab. Die Absprungschanze ist jedoch eine andere, wenn der Familienhaushalt aus Arbeiter:innen oder Akademiker:innen besteht. Dank dem Phänomen der Freunderlwirtschaft, die in unseren Kreisen weit verbreitet ist, können den Kindern im letzteren Fall bessere Chancen ermöglicht werden. In diesem Sinne zählt nicht nur eure erbrachte Leistung, sondern auch der Nachname, der als Schlüssel zu verschiedenen Türen fungieren kann.

Grundsätzlich ist das Phänomen der Freunderlwirtschaft nicht der einzige Erfolgsfaktor, sondern nur ein weiteres Puzzlestück im Mosaik der Erfolgsspur. Weitere Faktoren, wie die finanzielle und mentale Unterstützung durch die Eltern oder auch die Lebensumstände, können den Erfolg der kommenden Generationen beeinflussen. Zusammenfassend kann somit gesagt werden, dass nicht nur das Individuum für seinen Erfolg verantwortlich ist, sondern auch sein Umfeld und etwaige Lebensumstände.

Menschen erfahren des Weiteren Diskriminierung aufgrund von persönlichen Merkmalen oder Voreingenommenheit und Vorurteilen gegenüber ihrem Migrationshintergrund oder ihrer Sprache und werden dadurch in ihrem beruflichen Werdegang eingeschränkt.

Wieso existiert mathematisch der Gender Pay Gap also trotzdem, wenn es nicht (nur) ein frauenspezifisches Problem und durch den Kollektivvertrag abgesichert ist? Die Höhe des GPG’s variiert unter anderem je nach Berechnungsmethode und ist stark von den gesetzten Annahmen und Rahmenbedingungen abhängig. Zusätzliche Faktoren wie die Branche, der Beruf, die Dauer der Unternehmenszugehörigkeit oder die Art des Arbeitsvertrages beeinflussen diese Berechnungen. [1]

„Gender“- oder „Human“ Pay Gap?

Leider ist der Gender Pay Gap ein mehrdimensionales Problem, das sehr schwer zu verallgemeinern und nicht einfach zu beheben ist. Änderungen in der Gesellschaft schreiten bloß sehr langsam voran und es wäre an der Zeit, sich vom veralteten Denken der Ungleichheit zwischen Frauen und Männern zu lösen. Dieses Problem bleibt ein individuelles und länderabhängiges. Es wäre also an der Zeit zu sagen, dass eine Chancengleichheit für alle gefordert werden sollte, die Gleichstellung in der Wirtschaft sowie in der Bildung oder der politischen Teilhabe. Ständiges Verurteilen und Vorurteilen eines Individuums ist so tief in unserer Gesellschaft verankert, dass das Ausbrechen aus diesem altvertrauten Muster schier unmöglich scheint.

Es erfordert einen kulturellen Wandel, um Geschlechtsstereotypen und Vorurteile zu überwinden, und eine Aufklärung der Allgemeinheit, um die Ursachen zu erkennen und gezielte Maßnahmen dagegen einzuleiten. Dies wäre ein wichtiger Schritt in Richtung einer fairen und gerechteren Arbeitswelt für alle, unter dem Stichwort „Human Pay Gap“.


[1] https://www.wko.at/oe/news/position-einkommensunterschied (Stand: 12.11.2023)

Bild: (c) ThisisEngineering RAEng (@thisisengineering, veröffentlicht am 7. Februat 2020SONY, ILCE-7RM3


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