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Glitzer, Glamour, Genderbending – am Tuntenball 2025


„Born Naked – and the rest is Drag“ – „Wir sind alle nackt geboren, der Rest ist Drag“ – dieses Zitat der Dragqueen RuPaul war das heurige Motto des Tuntenballs, der am 22. Februar über die Bühnen des Grazer Kongresses ging. Noch Tage später finde ich Glitzerpartikel in meinem Gewand – so schillernd glänzten und funkelten die Gäste und Artists. Wieso dieses Event mehr ist als ein Ball in bunten Kostümen, wird schnell klar, wenn man sich seine Geschichte und Gegenwart anschaut.

Menschen jeden Alters und unabhängig von Körper und Geschlecht in funkelnden, bunten Kostümen schreiten am Red Carpet entlang, in den Kongress zum Grazer Tuntenball. Man kommt aus dem Staunen über die Kreativität der Gäste nicht mehr heraus. Leder, Latex, Rüschen, Federn und extravagantes Make-up zieren die gut gelaunten Gäste – manche reisen von weit her an, um an diesem Event teilnehmen zu können. Doch was macht dieses Event zu einem Höhepunkt der Grazer Ballsaison und wieso ist es weit mehr als “nur” ein Ball?

Der Grazer Tuntenball hat eine lange Tradition, aus einer kleinen Veranstaltung 140 Gästen im Jahr 1990 ist mittlerweile eine Großveranstaltung mit 2500 Gästen im Grazer Congress geworden. Anfangs war das ein Fest von und für Schwule in Zeiten der AIDS-Krise und der damit einhergehenden extremen Stigmatisierung und Ausgrenzung von schwulen Personen. Noch immer ist dieser Ball ein wichtiges Statement für die gesellschaftliche Offenheit und soll LGBTIQ-Personen sichtbar und öffentlich wahrnehmbar machen.

Veranstaltet wird er von den RosaLila:Panther:innen, der steirischen LGBTIQ-Interessenvertretung, die sich für die Gleichstellung und Antidiskriminierung von queeren Personen einsetzt. Neben dem Christopher Street Day Parkfest (heuer am 28. Juni 2025), ist der Tuntenball ihr größtes Event und fixer Bestandteil des Grazer Veranstaltungskalenders. Nicht umsonst gilt der Tuntenball als ältestes Menschenrechts-Charityevent – der gesamte Reinerlös fließt in die ehrenamtliche Arbeit der RosaLila Panther:innen und ermöglicht so wichtige Menschenrechtsarbeit in der Steiermark.

Allerdings ist der Tuntenball nicht nur ein Event von und für queere Personen sein, sondern steht für alle Menschen offen. So wurde das Event wieder einmal zu einem Fest der sexuellen Offenheit und lud Menschen aller sexuellen und Gender-Orientierungen ein, Teil der Veranstaltung zu sein. Wie Joe Niedermayer, der Vorsitzende der RosaLila Panther:innen, betont, soll das Fest verbinden und nicht spalten. Dieses Motto wurde auch bei der glamourösen Eröffnungsshow thematisiert.

Liebe ist stärker als Hass
Ganz im Stil der 1920er eröffnete eine fulminante Cabaret-Show, mit Burlesque Artists des Cirque Rouge und einer beeindruckenden Pole-Showeinlage von Simon K. Pole den Abend. Damit jedoch die 2020er Jahre nicht so enden wie die 1920er Jahre – mit dem Erstarken und der Machtübernahme extremer, rechter Kräfte – erinnerten die Moderatorin und “Kleinkunstprinzessin” Grazia Patrizia und Organisator Joe Niedermayer das Publikum daran, wie wichtig die Sichtbarkeit queerer Personen ist. Ganz im Zeichen des Sichtbarseins und gesellschaftlichen Engagements wird daher auch das kürzlich eröffnete queere Wiener Jugendzentrum Q:WIR mit dem Tuntenball Courage Award ausgezeichnet. Dieser hebt seit Jahren besondere Projekte hervor, die aus den zahlreichen Nominierungen von den Organisator:innen ausgewählt werden . Auch wenn die Zeiten gerade für queere Personen wieder schwieriger werden, erinnert Joe Niedermayer die Anwesenden daran, dass es nicht zur Wiederholung der Geschichte kommen wird, denn – “Liebe ist stärker als Hass”.

Nach der Eröffnungsshow können die 2500 Gäste den Ballabend auf den verschiedensten Dancefloors und bei Info-Ständen der AIDS -Hilfe, beim Bingo oder lautstark auf der Karaokebühne verbringen. Es gibt Musik und Showcases für alle Geschmäcker, untermalt von einer floralen Dekoration, geschmückt mit (Sex-)Spielzeug aller Art. Reizüberflutung inklusive. Doch noch schillernder als die Dekoration sind die Gäste. Viele der Gäste nahmen sich das Motto “born naked – and the rest is drag” zu Herzen und repräsentierten ihre Persönlichkeiten in selbstgemachten Kostümen, zeigen ihre Kreativität und mehr oder weniger nackte Haut.

Drag, Tunten, Glitzer überall
Einer der Höhepunkte des Abends ist das Finale des Drag Race, wo “up and coming” Drag-Artists gegeneinander antreten, um von der hochkarätigen Jury zu Miss/Mister/* Tuntenball gekürt zu werden. Die Künstler:innen singen, tanzen, lipsyncen und versuchen die Jury und das Publikum mit ihrem Humor und Charme zu überzeugen. Alex Fine kann schlussendlich die “Miss/Mister/* Tuntenball”-Schleife gewinnen, doch alle Artists boten eine Show, die seinesgleichen sucht. Doch nicht nur auf der Bühne kommen Drag-Persönlichkeiten zum strahlen – auch im Publikum sind bekanntere und unbekanntere Drag-Artists und Tunten vertreten.

Tunten – die namensgebenden Personen für den Ball – wurde ursprünglich als eine abwertende Bezeichnung für “feminine” männliche Homosexuelle verwendet. Doch im Laufe der Schwulenbewegung des 20. Jahrhunderts wurde daraus eine aktivistische Travestiekunst. Polit-Tunten, oft cis*-männliche Personen, trugen weiblich gelesene Kleidung, Make-up und Frisuren, um mit dieser gewonnenen “Weiblichkeit” Gesellschafts- und Sexualitätsnormen infrage zu stellen. Heute sind die Tunten des Balles, sowie Drag, so vielfältig wie die LGBTQ+-Szene selbst. Drag wird von allen Geschlechtern ausgeübt, doch bleibt immer politisch – ob als Tunte oder Drag-Artist.

Stay Tunte, stay active
Die Atmosphäre am Tuntenball ist etwas ganz Besonderes, und das diesjährige Motto – „born naked“ – lud die Gäste ein, authentisch und bunt zu sein. Die Stimmung war ausgelassen, doch die politische Relevanz glitzerte aus allen Ecken. Es wurden Statements gesetzt, so thematisierten viele Gäste Sexualität und ihre Genderidentität . Die Vielfalt wurde gefeiert – doch gleichzeitig darauf aufmerksam gemacht, dass diese Freiheit ständig verteidigt werden muss. An diesem Abend mit Glitzer – und mit gesellschaftlichem Engagement und lauter Stimme an allen anderen Tagen.

Die Autorin möchte darauf hinweisen, dass sie zwar als Volunteer am Tuntenball teilgenommen hat, jedoch weder für ihre ehrenamtliche Arbeit noch für die Erstellung dieses Artikels eine finanzielle Entlohnung bekommt.


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