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Neutorgasse: Flaniermeile oder Fahrstraße?


In Graz sorgt die aktuelle Sperre der Neutorgasse, bedingt durch den Ausbau des Straßenbahnnetzes, für rege Diskussionen. Vor allem die lokale Wirtschaft befürchtete aufgrund der hohen Dichte an Verkaufsflächen und Gastronomiebetrieben erhebliche Umsatzeinbußen, was zu vehementen Forderungen der Wirtschaftskammer nach umsatzfördernden Maßnahmen führte.

Was hätte sein können

Vor Kurzem noch wurden ambitionierte Pläne für die Neugestaltung der Neutorgasse nach Aufhebung der Sperre präsentiert. Eine Vision, die eine lebendige Flaniermeile vor Augen hatte, wo Fahrräder statt Autos dominieren und Bäume den Beton ersetzen. Sitzmöglichkeiten im Freien, inklusive barrierefreier Parkplätze und Ladestationen, sollten das Straßenbild bereichern. Doch all die Euphorie verflog schnell: Nach Abschluss der Bauarbeiten erfolgt zwar eine Umverteilung des Platzes, allerdings wird die Gasse nun doch wieder dem motorisierten Individualverkehr übergeben Vizebürgermeisterin Schwentner begründet dies mit „Hausverstand“ zur Entlastung der Verkehrswege und behauptet, entgegen früherer Aussagen aus ihrem Büro, es hätten nie andere Pläne vorgelegen.

Diese Entscheidung lässt eine einzigartige Chance ungenutzt. Durch die temporäre Sperre hat eine Gewöhnung weg vom PKW-Verkehr stattgefunden. Die Neutorgasse als neues Viertelzentrum zu etablieren, scheint mit der aktuellen Planung in weite Ferne gerückt. Noch nie hat sich ein Zentrum, welches viel genutzt wird, dadurch ausgezeichnet, über besonders viele PKW-Spuren zu verfügen. Die Transformation in eine Flaniermeile hätte nicht nur umweltfreundliche Aspekte gefördert und die Lebensqualität der Anwohnerinnen verbessert, sondern auch der Gastronomie einen bedeutenden Aufschwung verschafft. Bäume, Fahrräder und Fußgängerinnen harmonieren weitaus besser mit Gastgärten als Autos und Feinstaub. Natürlich stellen die weiterhin vorhandenen Umsatzeinbußen ein Problem dar, welches bearbeitet werden muss, allerdings sollte hier eher an möglichst nah gelegenen Haltestellen, günstigen öffentlichen Verkehrsmitteln und ausreichenden Überbrückungsförderungen für Betriebe gearbeitet werden, statt an Parkplätzen.

Ein Weckruf: Die Notwendigkeit nachhaltiger Stadtentwicklung

Die Entscheidung, die Neutorgasse wieder für den Autoverkehr zu öffnen, steht symbolisch für eine verpasste Gelegenheit, Graz zu einer Vorreiterin in Sachen nachhaltiger Stadtentwicklung zu machen. Es ist an der Zeit, dass wir als rot-grüne Vorzeigestadt über den kurzfristigen Komfort des Individualverkehrs hinausdenken und uns für eine Stadt einsetzen, in der Lebensqualität und Umweltschutz Hand in Hand gehen.

Diese  Entscheidung sollten wir als Weckruf betrachten. Es gilt, den Dialog zwischen Stadtverwaltung, Wirtschaft und Bürgerinnen zu intensivieren und gemeinsam Konzepte zu entwickeln, die Graz nicht nur lebenswerter machen, sondern auch als Beispiel für eine gelungene, nachhaltige Stadtentwicklung dienen können. Die Neutorgasse könnte der Beginn einer solchen Transformation sein – wenn wir uns trauen.


Weiterführende Links:

meinbezirk.at

WKO Stmk

graz.at

Der Grazer


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