
Woman Life Freedom – زن زندگی آزادی
„Woman Life Freedom“ („زن زندگی آزادی“) ist eine Bewegung, die sich gegen die theokratische Diktatur der Islamischen Republik richtet, deren menschenverachtende Ideologie einer gesamten Nation fundamentale Menschenrechte geraubt hat.
Verfechter:innen von „Woman Life Freedom“ kämpfen unermüdlich gegen jene Diktatur und fordern zugleich vor allem eines:
Revolution.
Von Fortschritt Zu Rückschritt
Das iranische Volk unterliegt staatlicher Willkür: Während staatliches Handeln weder vorhersehbar noch berechenbar ist, verbleibt den Bürger:innen kein Lebensbereich, der nicht vom Staat kontrolliert und überwacht wird. Die individuelle Freiheit des einzelnen Menschen existiert nicht. Doch worin gründet diese tiefgreifende Entrechtung? Zweifelsohne gründet diese in der Islamischen Revolution im Jahre 1979 und der damit verbundenen Einrichtung eines Gottesstaates. Was jedoch außer Acht gelassen wird, ist, welche gesellschaftlichen Veränderungen sich vor diesem Jahr ereigneten. Wer lediglich die Nachrichtenerstattung verfolgt, sich jedoch nicht näher mit der iranischen Entwicklungsgeschichte auseinandersetzt, würde womöglich meinen, den jetzigen Missstand gab es immer schon im Iran. Doch dies ist ein Irrglaube.
Während in den 1930er-Jahren Reza Schah Pahlavi den Iran weitreichend modernisierte, indem er den traditionellen Schleier verbat, das Heiratsalter von Frauen von 9 auf 18 Jahren erhöhte und viele Mädchenschulen gründete, entwickelte sich in den 1950er-Jahren die iranische Regierungsform allmählich zu einer Demokratie: Der direkt vom Volk gewählte Premierminister Mohammad Mossadegh wollte Irans Unabhängigkeit, sodass er das iranische Ölvorkommen verstaatlichte, welches seit Jahrzehnten von Großbritannien ausgebeutet wurde. Dadurch richtete sich Mossadegh klar gegen den Westen. Doch dies konnte vor allem von den USA und Großbritannien nicht toleriert werden, weshalb sie durch eine völkerrechtswidrige, illegale Operation Mossadegh stürzten. Nichtsdestotrotz modernisierte der Schah auch weiterhin den Iran, was jedoch zugleich bedeutete, dass der Klerus zunehmend an Macht verlor. Daher versuchten Geistliche, durch falsche Versprechen und Propaganda die Sympathie und Anhängerschaft des iranischen Volkes zu gewinnen. So sollte schließlich die Islamische Revolution im Jahre 1979 der einst progressiven Entwicklung ein abruptes Ende bereiten: Denn die Islamische Revolution bedeutete nicht nur das Ende der Pahlavi-Dynastie, sondern auch das Ende einer gesellschaftlichen und ökonomischen Entwicklung.
Das Regime der Islamischen Republik hat mit seiner frauenfeindlichen und in jeglicher Hinsicht rückschrittlichen Ideologie nun schon seit 44 Jahren ein Machtmonopol geprägt von Korruption, Zwang, Erpressung, Unterdrückung, Willkür und Folter inne. Seit Anbeginn seiner Machtergreifung hat jenes Regime den Iranerinnen und Iranern nicht nur jeglichen Raum zur öffentlichen Artikulation abweichender politischer Positionen geraubt, sondern auch jegliche Forderung von Grundrechten gewaltsam im Keim erstickt. Eine säkulare, von religiösen Normen abgekoppelte Rechtsprechung existiert nicht, so auch in Ehe- und Familienangelegenheiten: Das Mindestalter für die Verheiratung von Mädchen wurde auf neun Jahre herabgesetzt, Polygamie ist – für den männlichen Teil der Gesellschaft – legal und das Zeugnis einer Frau vor Gericht ist nur halb so viel wert wie das eines Mannes. Zu dieser systematischen Entrechtung von Frauen kommen auch tiefgreifende, wirtschaftliche Probleme hinzu. Die Menschen sind es leid, steigender Inflation, Arbeitslosigkeit, Armut und Korruption ausgeliefert zu sein. Auch Umweltprobleme wie Wasserknappheit, Luftverschmutzung und Artensterben zählen zu den weitreichenden Problemen eines Volkes, dessen Regierung jegliches Augenmerk auf ihren eigenen Profit richtet und ihr das Wohlergehen seiner Bürgerinnen und Bürger nicht gleichgültiger sein könnte.
Der Frust und auch die Wut, die sich seit mittlerweile 44 Jahren Unterdrückung aufgestaut haben, zeigen sich. Jahrzehntelang haben Iranerinnen und Iraner gehofft, dass es durch politische Wahlen zu gesellschaftlichen Veränderungen kommen würde. Da jedoch das höchste und mächtigste Amt im iranischen Staat der Oberste Führer und Religionsführer Chamenei innehat, verfügt dieser über uneingeschränkte Macht: Er ist es, auf den alle politischen Ämter zurückzuführen sind. Er bestimmt, wer Mitglied des Wächterrats sein kann. Er bestimmt, welche Gesetze in Kraft treten dürfen. Er bestimmt, wer Parlamentsabgeordneter sein darf und wer letztlich als Präsident kandidieren darf.
Es zeigt sich, dass es unter dem jetzigen Regime zu keinen Veränderungen kommen kann.
Somit ist die Straße der einzige Ort, der den Iranerinnen und Iranern bleibt, um ihre Rechte geltend zu machen. Denn sie wissen: Reformen sind schon lange keine Lösung mehr; nur ein Regimewechsel kann sie befreien.
„Der Retter bist du selbst, der Held bist du selbst“
Ganz in diesem Sinne hat der iranische Rapper und politische Aktivist Toomaj Salehi sein Lied “سوراخ موش„ („Mauseloch“) mit folgenden Worten beendet: „Warte nicht auf den Retter, von ihm sind keine Neuigkeiten auf dem Weg. Der Retter bist du selbst, der Held bist du selbst, wenn du und ich uns vereinen, werden wir grenzenlos sein.“
Nicht allein die Wahrheit über die Zukunft aller Menschen im Iran hat er in dieser Strophe enthüllt. Vielmehr hat er uns die Quintessenz vermittelt, weshalb diese Protestbewegung der einzige Ausweg der Iranerinnen und Iraner ist und zugleich seine Kritik an den Rest der Welt geäußert: Jeder einzelne iranische Bürger und jede einzelne iranische Bürgerin muss tätig werden, da ihre Zukunft in ihren Händen liegt und der Glaube, die Lage würde sich verändern, ohne jeglichen Ungehorsam gegen das Regime zu leisten, muss endlich verworfen werden. Denn so schlimm auch die humanitäre Krise im Iran ist, es ist bislang keine Rettung aus dem Ausland in Sicht.
Generation Z
So sind vor allem Jungendliche der Generation Z (geboren zwischen 1997 und 2012) bereit, Ungehorsam gegen das Regime zu leisten. Denn gerade sie sind es leid, im Internet all die Freiheiten zu sehen, in deren Genuss jeder einzelne von uns tagtäglich treten darf. Diese Freiheiten sind für sie nämlich nur Wunschvorstellungen. Daher fragt sich gerade diese Generation der Iranerinnen und Iraner: Haben wir es denn nicht auch verdient, frei zu sein? Zu singen, zu tanzen, uns zu kleiden wie wir wollen, zu lieben, wen wir wollen, zu sagen, was wir wollen, zu sein, wer wir sein wollen? Haben wir denn nicht auch das Anrecht auf ein normales Leben?
Und obwohl diese Generation genau weiß, dass ihr Wunsch nach fundamentalen Rechten zugleich ihren Tod bedeuten könnte, führen sie ihren Kampf unermüdlich weiter.
Unschuldiges Blut
Mit welcher Grausamkeit gegen jene mutigen Protestierenden vorgegangen wird, erkennt man zuletzt an den steigenden Todesopfern und Inhaftierten: So wurden bereits knapp 20.000 unschuldige Menschen inhaftiert, 527 Protestierende (darunter 71 Kinder) ermordet und 4 Personen wurden bereits hingerichtet.
Das Regime versucht auf allen Wegen und um jeden Preis, den Willen einer gesamten Nation zu brechen. Doch an den Händen dieses Regimes und seinen treuen Akteuren klebt unschuldiges Blut. Das Blut jener Kinder, die nicht mehr aufwachsen und ihre Träume verwirklichen können. Das Blut jener Studierenden, auf die noch ihr ganzes Leben gewartet hätte, all die zukünftigen individuellen Erfahrungen, die unzähligen Momente und Emotionen ihres restlichen Lebens, denen sie beraubt wurden. Das Blut jener Aktivistinnen und Aktivisten, die es sich zur Lebensaufgabe machten, im Namen der Menschlichkeit für die Freiheit ihres Landes zu kämpfen. Das Blut jener Frauen, Männer und Kinder, die es leid waren, diesem menschenverachtenden Regime Gehorsam zu leisten.
Ihr unschuldiges Blut bleibt kleben: Und zwar an den Händen derer, die im Namen der Islamischen Republik tagtäglich die schlimmsten Verbrechen gegen die Menschlichkeit begehen und sich dennoch – immer und immer wieder – für dieses grausame Regime und all seine Akteure entscheiden, während für Opfer und Angehörige keine Gerechtigkeit naht. So stelle ich mir selbst und auch Ihnen, werte Leserinnen und Leser, folgende Frage:
Wie kann es sein..?
Wie kann es sein, dass junge Iranerinnen und Iraner – vor den Augen der ganzen Welt – für ihre Menschenrechte tagtäglich auf der Straße erschossen werden?
Wie kann es sein, dass die iranische Regierung unschuldige Menschen – darunter Kinder, die gerade mal 13 oder 14 Jahre alt sind – in ihre Gefängnisse verschleppt und sie dort vergewaltigt?
Wie kann es sein, dass die iranische Regierung willkürlich die Todesstrafe über unschuldige Menschen verhängt und sich erlaubt, Menschenleben auszulöschen?
Wie kann es sein, dass Frauen, die zum Tode verurteilt wurden, vor ihrer Hinrichtung vergewaltigt werden, da es verboten ist, Jungfrauen zu exekutieren?
Wie kann es sein, dass ein Staat einen Künstler wie Toomaj Salehi, dessen genialer Verstand hinter all den augenöffnenden Texten steht, willkürlich festnehmen, ihn foltern und zum Tode verurteilen kann?
Wie kann es sein, dass Armita Abbasi, eine 20-jährige Demonstrantin, von Akteuren der iranischen Regierung entführt wird, daraufhin mit schweren inneren Blutungen, die auf mehrmaliger Vergewaltigung zurückzuführen sind, in ein Krankenhaus eingeliefert wird, und erneut von Akteuren des Regimes entführt wird? Sie ist bereits seit Oktober 2022 inhaftiert. Ihr Verbrechen? Der Wunsch nach einem normalen Leben! Auch ihr droht die Hinrichtung.
Wie kann es sein, dass Niloofar Hamedi und Elahe Mohammadi, jene zwei iranischen Journalistinnen, die den Mord an Mahsa Jina Amini in Polizeigewahrsam an die Öffentlichkeit gebracht haben, verhaftet werden und ihre Leben der Willkür der Islamischen Republik ausgesetzt sind? Ohne diese zwei Journalistinnen hätten wir niemals vom Mord an Mahsa Jina Amini erfahren. Außerdem hätte die derzeitige Protestbewegung im Iran womöglich niemals begonnen.
Also frage ich Sie, werte Leserinnen und Leser dieses Artikels: Wie kann es sein, dass der militärische Angriff eines Landes gegen ein anderes als Kriegsverbrechen gilt, wenn sich der Angriff aber gegen die eigene Bevölkerung richtet, die internationale Gemeinschaft wegsieht?
Schweigen ist Gewalt
Ich bin der festen Überzeugung, dass es endlich an der Zeit ist, dass all jene Staaten der Welt, welche die Menschenrechte als Grundfeste der Gesellschaft verankert haben, ihre Mittäterschaft eingestehen:
Gebt endlich zu, dass das Regime, mit dem ihr weiterhin Verträge abschließt, dessen Gelder ihr nicht bereit seid einzufrieren und dessen Botschaften ihr weiterhin in euren Ländern bestehen lässt, ein terroristisches Regime ist. Gebt endlich zu, dass die IRGC („Islamic Revolutionary Guard Corps“) eine terroristische Organisation ist und jedes einzelne ihrer Mitglieder auf die EU-Terrorliste gehört. Gebt endlich zu, dass bisherige Sanktionspakete und Maßnahmen unwirksam waren und nur verabschiedet wurden, um dem Druck der öffentlichen Meinung entgehen zu können.
Ich möchte an dieser Stelle die iranische Künstlerin Nazanin Bergmann zitieren, die der deutschen EU-Parlamentsabgeordneten Delara Burkhardt angesichts ihrer Rede im Europäischen Parlament im November 2022 folgendes gesagt hat: „Eine Minute wird nicht reichen um zu berichten, wie Menschen auf der Straße in Kälte nach 65 Tagen immer noch hoffnungsvoll, mit nichts als der nackten Hand und der Freiheit im Herzen, gegen ein voll bewaffnetes, blutrünstiges Regime für ihre Rechte kämpfen.“
Auch ich muss feststellen, dass dieser Artikel nicht dem vollen Ausmaß dieser nun schon fünf Monate andauernden Protestbewegung in all seinen Facetten gerecht werden kann. Doch eines möchte ich zuletzt anmerken:
Wer denkt, dass diese Protestbewegung ihr Ziel verfehlen wird, hat sich in den jungen Iranerinnen und Iranern getäuscht. Ihr Ruf nach Freiheit kann und wird nicht überhört werden. Denn diese Bewegung ist schon lange kein Protest mehr, sie ist eine Revolution.
Woman Life Freedom
زن زندگی آزادی
(c) originales Kunstwerk von Mandana (hier in Großformat verfügbar)