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Das Grundeinkommen- individuelle Befreiung oder gesellschaftliche Gefahr?


Am Montag, den 09.05 2022, wurde das Volksbegehren für ein bedienungsloses Grundeinkommen (BGE) in Österreich erneut eingereicht. Die Grundidee soll jedem Menschen mit Hauptwohnsitz in Österreich einen gewissen Geldbetrag im Monat vom Staat finanziert zur Verfügung stellen, Chancengleichheit schaffen sowie die Lebensqualität und Selbstverwirklichung fördern. Bedenken werden in Fragen der Finanzierung, Inflation, Ungerechtigkeit und Stabilität der Wirtschaft geäußert. Doch kann eine Idee, die unsere Würde als Menschen unterstreichen möchte, unserer Gesellschaft tatsächlich hochgradig schaden?

„Bedienungsloses Grundeinkommen umsetzen!“

Das Volksbegehren mit dem Titel „Bedingungsloses Grundeinkommen umsetzen!“ vom Mai 2022 in Österreich fordert einen gesetzlich verankerten, festen Betrag, der jedem Menschen mit Hauptwohnsitz in Österreich unabhängig von der finanziellen Lage und ohne verpflichtender Gegenleistung ausgezahlt werden soll. Es wird darauf hingewiesen, dass vermögende Menschen ihren gesellschaftlichen Beitrag dennoch steuerlich erfüllen sollen. Die Einführung eines BGE verfolgt unter anderem diese wesentlichen Zielsetzungen: die Sicherung der Existenz, die Steigerung der Lebensqualität durch Verringerung von Existenzängsten, die bessere Aufteilung von frei zu gestaltender Zeit, die Verringerung der Ungleichheit und die Stärkung des Zusammenhaltes in der Gesellschaft.

Betont wird, dass der Sozialstaat ergänzt und nicht ersetzt werden soll und die vorher genannten Ziele durch ein BGE besser zu erreichen wären als durch den heutigen Sozialstaat ohne Bedingungslosigkeit Folglich sollen wir zum Beispiel noch immer krankenversichert sein und auch der Gedanke den schwächsten Menschen in der Gesellschaft beizustehen wird weiterhin unterstützt. Gemeint ist, dass das BGE, dadurch dass es jede:r erhalten würde, einen besseren Weg zu höherer Lebensqualität der Bürger:innen darstellt als einige der jetzigen Sozialleistungen.

Aufgrund der Komplexität der Thematik des BGEs gibt es jedoch viele unterschiedliche Argumente rund um das Grundeinkommen.

Erfüllendere Jobs vs. Faulheit

Im Artikel „Wie sinnvoll ist ein Grundeinkommen wirklich“ vom 18.05 2021 auf quarks.de werden häufige Argumente für und gegen ein BGE erläutert.

Allerdings wird vorab in diesem Artikel klar betont, dass es aufgrund der unterschiedlichen Versionen des Grundeinkommens, der spärlichen praktischen Erfahrung mit diesem Thema und der unterschiedlichen Weltbilder der Diskutierenden sehr schwierig ist, Vor- und Nachteile des BGEs zu erläutern. Auch an wissenschaftlichen Fakten würde es grundlegend fehlen.

Ein großes, immer wiederkehrendes Pro-Argument ist, dass das Grundeinkommen zu mehr individueller Freiheit führen würde. Menschen, deren Existenz nicht von einem Job abhängt, können ihre Arbeitsbedingungen viel freier wählen und ihre Zeit insgesamt stärker der Selbstverwirklichung widmen. Im selben Atemzug entgegnen jedoch Gegner:innen, dass eventuell nicht jeder Mensch mit dieser Freiheit umgehen und dies schließlich vielleicht sogar zu einem Verlust an Lebensqualität führen könne.

Auch werden Bedenken geäußert, dass viel weniger Menschen tatsächlich arbeiten gehen würden und unser Wirtschaftssystem gefährdet wäre. Befürworter:innen des BGEs argumentieren, dass nicht viele Menschen aufhören würden zu arbeiten, da auch Arbeit Selbstverwirklichung darstellt.

Um tatsächliche Auswirkungen klarer und fundierter abschätzen zu können, wird die Idee des BGEs auch praktisch erprobt – Hauptgewinn: Ein Jahr lang mehr Lebensqualität.

Stell dir vor, du wärst arbeitslos und würdest vom Staat monatlich 560 Euro bekommen. Genau dieses Szenario wurde in Finnland 2019 als Experiment durchgeführt. Im Zuge dieses Versuches wurden 560 Euro monatlich an 2000 arbeitslose Finn:innen ausgezahlt. Kritisiert wird der geringe Betrag und das nicht bedingungslose Verteilen des Geldes, da Vergleiche auf ein eventuell angestrebtes Grundeinkommen schwierig ausfallen.

In Deutschland führt der Verein „Mein Grundeinkommen e.V.“ seit 2014 Experimente im Bereich des BGEs durch. Es handelt sich dabei häufig um Verlosungen, bei denen ca. 34 Gewinner:innen ein Jahr lang 1000 Euro pro Monat erhalten. Festgestellte Veränderungen im Leben der Teilnehmenden waren häufig eine neu begonnene Selbständigkeit sowie eine empfundene Steigerung der Lebensqualität.

Aufgrund der geringen Anzahl an Teilnehmer:innen und kurzen Laufzeiten lassen sich wohl auch aus diesem Experiment nur bedingt Rückschlüsse auf die Auswirkungen einer Einführung des BGEs ziehen. Aktuell (Stand des Artikels) wird ein umfangreicherer Versuch mit 122 Teilnehmer:innen umgesetzt, die über drei Jahre einen monatlichen Betrag von 1200 Euro ausgezahlt bekommen.

Wie schon erwähnt erfahren diese Experimente auch viel Kritik, da sie nur eine sehr eingeschränkte Aussagekraft haben, wie sich ein weitläufig eingeführtes BGE auf unsere Wirtschaft und unser Leben auswirken würde.

Derzeit bleiben also noch viele Fragen unbeantwortet. Beispielsweise würden wohl neben der Art und des Zeitpunktes einer Einführung des BGEs, auch die Entwicklung der Arbeit und der Gesellschaft eine Rolle spielen. Auch die Reaktionen der Bevölkerung und deren Auswirkungen sind derzeit laut quarks.de nicht absehbar. Besonders wird darüber gesprochen, wie sich „Arbeit“ in Zukunft verändern wird. Wird „Arbeit“ noch das Gleiche sein, was wir heute unter dem Begriff verstehen? Welche Jobs werden durch die Digitalisierung hinfällig und welche Auswirkungen hat das auf uns? Wann wäre es gut, ein bedienungsloses Grundeinkommen einzuführen und wie genau soll das gemacht werden? Alles Fragen, die sich derzeit nicht vollständig oder gar nicht beantworten lassen.

Persönliches Fazit

Von der Idee des Grundeinkommens bin ich begeistert. Meiner Meinung nach kann Arbeit, wie sie derzeit gedacht wird, viel individuelle Freiheit stehlen (diese aber auch geben). Welche Auswirkungen eine solch drastische Veränderung gesellschaftlich hätte, kann ich mir nicht mal ansatzweise vorstellen. In wie viele Richtungen diese aber gehen können, hat mir die Recherche zu diesem Artikel gezeigt. Ob ein eingeführtes bedingungsloses Grundeinkommen tatsächlich unsere persönliche Freiheit drastisch steigern würde oder doch eher relevante, derzeit übersehene Gefahren diese Utopie zunichtemachen könnten, lässt sich mit dem derzeitigen Wissensstand sehr schwer abschätzen.

Ich denke, es handelt sich bei dem bedingungslosen Grundeinkommen um eine hoffnungsvolle Idee mit viel Potenzial. Gleichzeitig empfinde ich es als essenziell, gut durchdachte Forschung in diesem Bereich zu betreiben, die eventuelle Gefahren aufzeigt und eine detailliertere Sicht auf das BGE ermöglicht. Dieser Aufwand sollte meiner Meinung nach baldigst und intensiv betrieben werden Doch die Vorstellung des bedienungslosen Grundeinkommens ist prickelnd: lange Wanderungen, ein wirklich erfüllender Job, mehr Zeit für die wichtigen Menschen in deinem Leben und mehr aufregende Abenteuer. Wie würde sich dein Leben verändern, wenn du dir keine Gedanken mehr um Geld machen müsstest?


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