
Ein kleines Plädoyer für ein kleines Stück Toleranz
Toleranz ist ein starkes Wort. Toleranz geht eng einher mit Akzeptanz und Respekt. Aber was ist das überhaupt? Wo liegt der Unterschied zwischen tolerieren und akzeptieren und was hat das wiederum mit respektieren zu tun? Und: Genügt es, einander Toleranz entgegen zu bringen oder sollte es stattdessen doch ein Aufruf zu Akzeptanz sein?
Es kommt doch nicht so selten vor, da begegnen wir diesen Wörtern im Alltag. Erst kürzlich forderte die LQBTQIA-Community anlässlich des Pride Month einmal mehr die überfällige Toleranz gegenüber ihren Mitgliedern. Ein plakatives Beispiel hierfür: Die „Kleine Zeitung“ betitelte ihren Artikel, in dem sie über den neuen Regenbogen-Zebrastreifen vor dem Grazer Kunsthaus informiert, mit „Buntes Toleranzsignal“.1 Jeden Tag wollen wir akzeptiert werden, sei es in der Familie oder im Freundeskreis. Respekt, so heißt es manchmal, muss man sich verdienen. Also, was ist dran an diesen Phänomenen – haben sie gar denselben Kern?
Respekt als menschliches Grundbedürfnis
Dass Respekt verdient sein soll, ist vielleicht insoweit wahr, als von Respekt im Sinne von Wertschätzung, Bewunderung und Anerkennung gesprochen wird. Hier geht es um Beziehungen, die sich nur im privaten Bereich abspielen. Respekt im öffentlichen Raum knüpft dagegen direkt an Grund- und Menschenrechte an, ja ist sogar vielmehr eine Voraussetzung dafür, dass wir unsere Rechte tatsächlich wahrnehmen können. Angesprochen sind damit zwei große Pfeiler unseres Zusammenlebens: Gleichheit und Gerechtigkeit. Rechtliche und faktische Gleichheit kann nur verwirklicht werden, wenn wir uns als Gleiche respektieren. Wie funktioniert das? Indem Ungleiches gleich oder eben situationsbedingt auch ungleich behandelt wird, um Nachteile und Differenzen auszugleichen. Respekt ist also im Privaten wie im Öffentlichen Grundlage für ein Miteinander, das Unterschiede beachtet und Diversität schätzt – auf Augenhöhe.
Akzeptanz ist mehr als einverstanden sein
Wenn ich sage, ich akzeptiere etwas, dann heißt das, dass ich es gutheiße und damit einverstanden bin. Bei Akzeptanz mit unseren Mitmenschen geht es jedoch um mehr als das: Akzeptiere ich jemanden, so zeige ich damit, dass ich diese Person als solche in ihrer Ganzheit annehme, dass ich auf der gleichen Seite stehe und dass ich aktiv dazu beitrage, dies auch nach außen hin zu kommunizieren und zu realisieren. Natürlich kann man auch unterschiedliche Positionen vertreten und die andere Person und diese Unterschiede dennoch akzeptieren. Akzeptanz gegenüber jemanden ist der stärkste Ausdruck von Übereinstimmung oder Anerkennung von unterschiedlichen Meinungen, Denk- und Lebensweisen. Mit Akzeptanz wird also eine Basis geschaffen, auf der Beziehungen aufgebaut und Interessensgemeinschaften gebildet werden; es ist kein bloßes „Ok“, sondern ein „Ich sehe und höre dich“.
Toleranz und Ausgrenzung
Toleranz im eigentlichen Sinn ist demgegenüber ein passives Verhalten. Etwas oder jemanden zu tolerieren ist gleichzustellen mit einem Dulden. Der Vollständigkeit halber soll hier angemerkt sein, dass es naturgemäß verschiedene Auflassungen des Begriffes Toleranz gibt. Entgegen der Wortbedeutung im Duden2, wird für die Zwecke dieses Textes eine eher negative Konnotation angenommen. Während also Akzeptanz eine positive Konnotation trägt, drückt Toleranz oftmals eine reservierte Haltung aus. Von Toleranz wird oftmals gesprochen, wenn etwas, das nicht gleich ist, zwar nicht bekämpft, aber ausgegrenzt wird. Dulden heißt, man lässt etwas links liegen und sieht darüber hinweg – es wird also gerade nicht gesehen. Auf diesem Wege wird kein Dialog möglich; das Andere wird ignoriert. Ein anschauliches Beispiel ist der Umgang mit Migrant:innen, wenn diese in einem Land „toleriert“ werden. Es besteht dann kein Interesse daran, ihre Geschichten und Kulturen zu verstehen, es wird ihnen lediglich erlaubt einen gemeinsamen Lebensraum zu teilen.
Mehr Toleranz – aber richtig
Trotz der genannten Unterschiede werden Toleranz und Akzeptanz häufig synonym verwendet; meist wird überhaupt nur von Toleranz gesprochen. Was ist von dem zu halten? Einerseits ist zu sagen, dass Toleranz wie oben beschrieben natürlich nicht das Ziel für ein offenes Miteinander sein kann. Wollen wir also tolerant sein, sollten wir lieber von Akzeptanz sprechen. Dass es andererseits schwierig sein kann, in Diskurs zu treten, voneinander zu lernen und sich auf Neues einzulassen, liegt in der menschlichen Natur. Wie aber diesen Konflikt zwischen nebeneinander und miteinander leben lösen? Der erste Schritt ist Respekt. Respektieren wir einander, ist das Fundament für einen würdevollen Austausch geschaffen. In einem zweiten Schritt würden wir gut daran tun, uns vorher in Toleranz zu üben statt uns feindlich gegenüberzustehen, wenn der Austausch zunächst schwerfällt. Ist das erst überwunden, können wir anfangen unsere Gegenüber zu akzeptieren. So ist es möglich, über mehr (richtige) Toleranz auch Akzeptanz hervorzubringen.