
Wie stark ausgeprägt ist der Datenschutz im Internet und wieso diese Frage für die Demokratie wichtig ist
Die demokratische Selbstbestimmung ist eine wesentliche Voraussetzung für eine funktionierende Demokratie. Im Zeitalter des Internets hat sich die Prämisse für demokratische Selbstbestimmung verschoben. Wir leben im Zeitalter der algorithmischen Datenanalyse. Doch wie wirkt sich diese algorithmische Datenanalyse auf die Demokratie aus?
Jede:r kennt die Situation: Du suchst im Internet eine Information und ein Hinweis zur Verwendung von Cookies erscheint. In diesem Hinweis ist es meistens nur möglich zuzustimmen oder abzulehnen, in einigen Fällen ist es auch möglich die Einstellung zu verwalten. Im Prinzip ist es auch egal, welche Optionen du hast, den eigentlich willst du nur schnell an die Information, nach welcher du gesucht hast. Der Klick auf den „Akzeptieren“-Button ist für die allermeisten Menschen wohl kaum der Rede wert, fast schon unterbewusst wollen wir dieses nervige Pop-Up loswerden und drücken es „weg“. Nicht anders sieht es mit Nutzungsbedingungen für Websites oder Apps aus. Doch die Frage ist, was erlauben wir mit diesem unüberlegten Klick eigentlich und was passiert mit den Daten, die nun an die Webseiten gesendet werden?
Ein Projekt der „New York Times“ zeigt, dass anonymisierte Daten, wie zum Beispiel Aufenthaltsorte, ziemlich leicht zu entschlüsseln sind.[1] Das „Times Privacy Project“ legte offen, wie viele User es Firmen und deren Partnerfirmen durch diverse Apps erlauben, auf ihre Daten zuzugreifen. Dieser Weitergabe an Partner wird vor allem bei der Nutzung von Apps zugestimmt, wenn auch in anonymisierter Form. Solche Daten jedoch zu „deanonymisieren“ ist, wenn jemand in Besitz der Daten ist, relativ einfach. Dabei müssen nur die zwei häufigsten Aufenthaltsorte des Users analysiert werden, wobei einer meistens der Wohnort ist und der andere meist der Arbeits- oder Ausbildungsort ist. Personen können über Firmenwebseiten problemlos ermittelt werden und in Österreich kann beispielsweise gegen geringe Gebühren Einsicht in das Grundbuch genommen werden. In Rahmen des Projektes „Times Privacy Project“ wurde gezeigt, wie Menschen einfach deanonymisiert wurden – die Teilnehmer:innen waren schockiert.
Als Ottonormaleverbraucher:in stellt man sich spätestens jetzt die Frage: warum sollte gerade mich jemand ausspionieren? Obwohl das Interesse an Durchschnittsbürger:innen vielleicht wirklich gering ist, gibt es vielseitige und durchaus lukrative Möglichkeiten, Daten auszunutzen und davon zu profitieren.
Warum betrifft mich das?
Es können alle Daten, die auf unterschiedliche Weise gesammelt werden, ganz egal ob über Nutzungsbestimmungen, Cookies oder anderes, in irgendeiner Form gewinnorientiert verwertet werden. Eine kommerzielle Datenanalyse besteht in der Regel aus drei Teilen. Im ersten Schritt werden Daten gesammelt und danach automatisch gespeichert. Es gibt viele Organisationen, welche in großen Mengen Daten sammeln, neben staatlichen Institutionen sind es ebenso Konzerne, welche sich Daten im großen Stil sichern. Hierzu zählen Onlineriesen wie Amazon, Facebook und weitere aber auch Konzerne, welche größtenteils offline agieren, sammeln Daten im großen Ausmaß. In Österreich geriet beispielsweise die Sammelkarte „Jö“ aufgrund von Datensammlung und Datenspeicherung negativ in die Schlagzeilen.
Konzerne sammeln Daten aufgrund von Gewinnoptimierung, was aber nicht bedeutet, dass die Daten nicht missbräuchlich und zum Nachteil der Kund:innen verwendet werden bzw. verwendet werden könnten. Die gesammelten Daten werden in sogenannten „Data Warehouses“ gespeichert und sind somit potenziell einem breiten Publikum gegen Bezahlung zugänglich. Die Daten werden möglichst so gespeichert, dass die potenzielle Fragestellung für eine zukünftige Analyse der Daten sehr breit gewählt werden kann.[2]
In der zweiten Stufe werden die gesammelten und gespeicherten Daten automatisch verarbeitet.[3] Dieser Schritt wird auch „Datamining“ genannt. Ziel dieses Schrittes ist es, kausale Zusammenhänge in den Daten zu erkennen und für den jeweilig gewünschten Zweck zu nutzen. Diese Analysen sind weitestgehend automatisch und laufen daher größtenteils ohne menschliche Beteiligung ab. Es muss lediglich eine Hypothese formuliert werden, welche dann im Dataminingprozess auf ihre Richtigkeit geprüft wird. Hierbei kann es sich z.B. um eine Warenkorbanalyse handeln: Menschen, die sich Star Trek DVDs kaufen, könnten sich auch für Doctor Who DVDs interessieren. Wird diese Hypothese durch die Daten bestätigt, könnte eine Marketingkampagne in diese Richtung gestartet werden.
Die dritte Stufe besteht darin, dieses statistische Wissen zu nutzen, um individuelle Verhaltensweisen zu antizipieren. Die Anwendung dieser Methode kann auf vielen verschiedenen Ebenen in fast allen Bereichen des Lebens geschehen. Es kann um zielgerichtete Onlinewerbeangebote auf Webseiten, um die Analyse des individuellen Wahlverhaltens und um vieles mehr gehen.
Was hat das Ganze jetzt mit Demokratie zu tun?
Soziale Medien und die damit verbundene Datenanalyse spielen bereits jetzt eine große Rolle im Wahlkampf politischer Parteien. In der Politik hat das unter dem Namen „Mikrotargeting“ bekannt gewordene System bereits einen festen Platz als Kommunikationsstrategie der politischen Bewerber:innen inne. Sie ist vor allem seit dem Wahlsieg Barack Obamas bei der US-Präsidentschaftswahl 2008 einem breiten Publikum bekannt. Das Grundprinzip von „Mikrotargeting“ ist es, die Bevölkerung anhand von statistischen Daten in verschiedene Cluster einzuteilen und die Kommunikation jeweils an die Zielgruppe anzupassen. Dabei ist es insbesondere in sozialen Medien einfach, der entsprechenden Zielgruppe die passende Botschaft zu vermitteln. Ein Beispiel: Wenn eine Person auf Social Media viele Beiträge über Umweltschutz mit einem „Gefällt mir“ markiert, kann die werbende Partei speziell mit ihrem Umweltprogramm bei dieser Person werben. Dieses Prinzip funktioniert ähnlich wie in der Wirtschaft.
In der Datenanalyse, egal in welchem Bereich, werden Menschen zu Daten herabgebrochen und dies wird zum Vorteil der Auftraggeber:innen ausgenutzt. Datenschutz ist im Europaparlament öfters auf der Tagesordnung, doch große Fortschritte konnten bis dato kaum erzielt werden. Der größte Wurf, die allseits bekannte und heiß diskutierte Datenschutzgrundverordnung (DSGVO), erwies sich in Bezug auf die aufgezeigten Probleme als unzureichend. Wir sollten uns der allgegenwärtigen Präsenz der Datenanalyse bewusst sein, denn es ist sehr wahrscheinlich, dass dieser Sektor weiter wachsen und für viele zum lukrativen Geschäft werden wird.
Quellen
[1] : https://www.nytimes.com/interactive/2019/12/19/opinion/location-tracking-cell-phone.html vom 18.09.2020
[2] Vgl. Rodrigues Nuno, Algorithmic Governmentality, Smart Cities and Spatial Justice. Justice spa tiale – Spatial justice, Université Paris Ouest Nanterre La Défense, UMR LAVUE 7218, Labo ratoire Mosaïques, 2016, S. 5.
[3] Rouvroy Antoinette, Berns Thomas, Algorithmic governmentality and prospects of emancipation. In Réseaux Volume 177, Issue 1, 2013, pages 163-196 S. 170.