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Free Ahmed Samir – Vom Hörsaal ins Hochsicherheitsgefängnis


Bei einem Familienbesuch in Kairo wird Ahmed Samir Santawi, gebürtiger Ägypter und Masterstudent an der Central European University in Wien, überraschend verhaftet. Nun sitzt er seit 114 Tagen in Untersuchungshaft, man wirft ihm die Mitgliedschaft in terroristischen Organisationen vor. Doch wieso werden immer mehr Studierende zum Ziel der ägyptischen Behörden?

Das Ägypten gefährliches Pflaster für Menschenrechtsaktivist:innen, Journalist:innen und Regimekritiker:innen ist, ist lange bekannt. Laut internationalen Menschenrechtsorganisationen werden derzeit zwischen 40.000 und 60.000 politische Gefangene in Ägypten festgehalten[1], viele davon gerieten durch vermeintlich regimekritische Beiträge in den Sozialen Medien ins Visier der Behörden.

Photo: Gianluca Costantini

 

Einer von ihnen ist Ahmed Samir Santawy. Der 29-Jährige, der seit 2019 Soziologie und Anthropologie an der Central European University in Wien studiert, reist Ende Dezember für einen Familienbesuch nach Ägypten. Schon bei der Ankunft in Sharm El-Sheikh wird er stundenlang zum Inhalt seiner Masterarbeit über reproduktive Rechte in Ägypten befragt, darf jedoch einreisen. Wenige Wochen später wird seine Wohnung in Kairo durchsucht und Ahmed erhält eine Vorladung der Polizei, der er am 1. Februar folgt.

Verhaftung und Anklage

Von hier an verschwindet er spurlos für sechs Tage, bis er schließlich auf der Anklagebank der ägyptischen Staatsanwaltschaft für Staatssicherheit (SSSP) wieder auftaucht. Ahmed berichtet von eingehenden Befragungen zu seiner Forschung und seiner Aktivität in den Sozialen Medien. Er trägt noch immer die Kleidung vom Tag seiner Verhaftung und gibt an, von den Sicherheitskräften gefoltert worden zu sein. Erst jetzt informiert man Ahmed über die Anklagepunkte: „Verdacht auf Mitgliedschaft in einer terroristischen Gruppierung“ sowie „Verbreitung von Falschmeldungen in Sozialen Medien“. Er wird in das Hochsicherheitsgefängnis Liman-Tora im Süden Kairos unterstellt, wo die ägyptische Regierung ihn bis heute in Isolationshaft festhält.[2]

Laut offiziellen Angaben befindet sich Ahmed noch immer in Untersuchungshaft. Mehrere Wochen verbrachte er ohne Kontakt zu seiner Familie, seiner Partnerin oder einem Rechtsbeistand in Einzelhaft. Mittlerweile konnten, durch verstärkten Druck der österreichischen und amerikanischen Regierung, bessere Haftbedingungen erreicht werden. Ebenso durfte er Besuch von seiner Familie erhalten und seiner Partnerin schreiben.[3]

Kein Einzelfall

Leider ist die Inhaftierung von Ahmed Samir Santawy kein Einzelfall, regelmäßig behält die SSSP Gefangene unverhältnismäßig lange in Untersuchungshaft, die über Monate und Jahre um jeweils 14 Tage verlängert wird.[4] Das Recht auf einen fairen Prozess gibt es in Ägypten lediglich auf dem Papier. Während bis jetzt aber meist nur Aktivist:innen oder Journalist:innen auf der Hut sein mussten, geraten nun immer öfter geraten im Ausland studierende Ägypter:innen in den Fokus der ägyptischen Behörden. Erst vor einem Jahr traf es Patrick Georg Zaki, einen Studenten der Universität von Bologna, der während eines Urlaubs in Ägypten festgenommen wurde und sich wie Ahmed bis heute in Untersuchungshaft befindet.[5] Selbst die Vorwürfe gegen ihn klingen ähnlich – „Verbreitung falscher Nachrichten“, „Anstiftung zum Protest“ und „Anstiftung zu Gewalt und terroristischen Verbrechen“. Auch Zaki wurde vermutlich sein Forschungsfeld und sein Aktivismus rund um Frauenrechte und Gender Studies zum Verhängnis.

Was tun?

Aus rechtlicher Sicht bleibt die Intervention aus dem Ausland schwierig, da Ägypten die Inhaftierung ägyptischer Staatsbürger:innen als nationales Problem behandelt. Obwohl mit mit der unverhältnismäßigen Länge der Untersuchungshaft gegen nationales Verfassungsrecht und mit der willkürlichen Inhaftierung von Leuten und deren Folter gegen das Völkerrecht verstoßen wird, kann die Freilassung von Gefangenen meist nur über gesellschaftlichen und medialen Druck aus dem Ausland sowie wirtschaftlichen oder politischen Sanktionen erreicht werden.

Während die Reaktion der österreichischen Behörden verhalten ist, fordert Amnesty International, gemeinsam mit 74 weiteren NGOs vehement die Freilassung von Ahmed Samir Santawy. „Ahmed ist ein gewaltloser politischer Gefangener – er geriet lediglich wegen seiner Forschung zu Frauenrechten und zur Geschichte der reproduktiven Rechte ins Visier der Behörden“, sagt Annemarie Schlack, Geschäftsführerin von Amnesty International Österreich. Die ebenfalls von Amnesty International initiierte Petition „Lasst Ahmed Samir frei“ fand bereits 11.500 Unterstützer:innen und richtet sich an Staatsanwalt Hamada al-Sawi, den Chefankläger der Staatsanwaltschaft in Kairo. Außerdem betreiben Freund:innen und Unterstützer:innen von Ahmed die Facebookseite @FreeAhmedSamir sowie das Instagramprofil @free_ahmed_samir, wo Informationen zu Protesten und Unterschriftaktionen, Links zu Medienberichten sowie Updates zu Ahmeds Inhaftierung geteilt werden.

Gerade für Menschen wie Ahmed ist es wichtig, dass wir nicht untätig zusehen, während die ägyptische Regierung die Menschenrechte mit Füßen tritt. Auf globaler Ebene fordern über 100 Menschenrechtsorganisationen den Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen auf, die Wahrung der Menschenrechte in Ägypten stärker zu überwachen. Gleichzeitig ist es wesentlich, den medialen Druck auf alle involvierten Institutionen aufrechtzuerhalten. Deswegen meine Bitte: teilt die Informationen zu Ahmeds Fall auf den Sozialen Medien, unterschreibt die Petition, folgt den Ankündigungen zu Kundgebungen und Protesten – damit in Zukunft die Menschenrechte wirklich für alle Menschen gelten.

[1] https://www.amnesty.de/informieren/aktuell/aegypten-aegypten-immer-noch-bis-zu-40-personen-eine-zelle-gepfercht

[2] https://www.amnesty.at/mitmachen/actions/aegypten-student-von-wiener-uni-in-haft/

[3] Information aus einem Rundmail des Präsidenten der Central European University (Micheal Ignatieff) vom 11. Mai 2021.

[4] https://www.hrw.org/de/middle-east/n-africa/egypt

[5] https://www.scholarsatrisk.org/actions/patrick-george-zaki-egypt/

Titelbild: Khaled Desouki


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