Kenne deine Rechte

Keine Einzige weniger


Etwa drei Frauen wurden in den letzten Jahren in Österreich monatlich ermordet. „Femizid“ lautet das Fachwort, wenn eine Frau vorsätzlich getötet wird, weil sie eine Frau ist. Insgesamt gab es im Jahr 2020 31, im Jahr 2019 39 und 2018 sogar 41 weibliche Mordopfer in Österreich[1] – ein trauriger Höchststand. Es sind erschreckende Zahlen, die uns die Statistiken liefern. Aus diesem Grund gehen hier bei uns und weltweit immer mehr Frauen auf die Straße und fordern ein Ende der patriarchalen Gewalt. Sie sagen: „Ni Una Menos!“, „Pas une de plus!“ oder „Keine Einzige weniger!“ Und sie meines es ernst. „Nehmt ihr uns eine*, antworten wir alle!“

Gewalt gegen Frauen hat System

Gewalt gegen Frauen ist ein Phänomen, das es wohl schon seit Bestehen der Menschheit gibt. Frauen weltweit in allen Gesellschaftsschichten, unabhängig von Bildungsstatus, Nationalität oder Alter, sind davon betroffen. Allein in Europa wird jede vierte bis fünfte Frau mindestens einmal in ihrem Leben geschlechterspezifische Gewalt durch Männer – viele sogar mehrmals.[2] Erwähnenswert ist ebenso, dass die Täter zumeist keine Unbekannten sind: Sehr oft ist es der Partner, Ex-Partner oder ein anderes männliches Familienmitglied. Tatsache ist – für viele Frauen ist der gefährlichste Ort das eigene Zuhause.

In den Medien ist nach wie vor öfters von „Familientragödie“ und „Beziehungsdrama“ zu lesen, wenn eine Frau erschossen, erstochen oder wie zuletzt sogar verbrannt wird. Viele wissen allerdings nicht, dass es sich hierbei um strukturelle Gewalt, also einen Ausdruck tief verwurzelter patriarchaler Verhaltensweisen und geschlechtsspezifischen Machtungleichgewichts, handelt. Diese Gewalt geht weit über Einzelschicksale hinaus und erreicht eine gesellschaftspolitische Dimension. Dieser Umstand wird jedoch konsequent verleugnet, ist sich Andrea Brem, die Geschäftsführerin des Vereins Wiener Frauenhäuser, sicher.[3]

Ni Una Menos!

Nun gibt es aber Aktivist*innen, die an der Spitze der Gewaltpyramide ansetzen möchten, um gesellschaftlichen Wandel voranzutreiben. „Ni Una Menos“ ist spanisch und bedeutet so viel wie „Nicht eine [Frau] weniger“. Die feministische Bewegung, die diesen Namen trägt, gibt es seit 2015. Ihr Ausgangspunkt war Argentinien. Von dort aus hat sich Ni Una Menos schnell in ganz Lateinamerika verbreitet, wo Männergewalt gegen Frauen weit verbreitet ist und es somit besonders hohe Zahlen von Frauenmorden gibt. Vordergründig geht es bei der Bewegung um das Abhalten öffentlicher Proteste gegen Femizide, jedoch werden auch Themen wie Geschlechterrollen, Lohngerechtigkeit, sexuelle Belästigung, Abtreibungsrechte, Sexarbeiter*innenrechte und die Rechte von Transpersonen thematisiert.

Gekämpft wird vor allem gegen den „Machismo“, das Gefühl bzw. die Einstellung der starken Überlegenheit des Mannes. Bereits jetzt kann Ni Una Menos im Kampf für die Frauenrechte Erfolge verzeichnen. So wäre die Legalisierung von Abtreibungen im erzkatholischen Argentinien Ende 2020 ohne sie wohl undenkbar gewesen. Doch auch hier bei uns in Österreich, sogar ganz explizit in Graz, tut sich etwas: Die Gruppierung „F*Streik“ bemalt seit letztem Jahr Banner, die Frauenmorde in Österreich dokumentieren, und zieht mit diesen dann durch die Straßen. Die weltweiten Ni-Una-Menos-Bewegungen sind „durch ihre Beharrlichkeit, ihre Solidarität und ihre Kämpfe“ für sie ein Vorbild. Auch hier wolle man als Bewegung gegen Femizide und vergeschlechtlichte Gewalt erstarken.[4]

Gemeinsam gegen patriarchale Gewalt

Zudem fordern immer mehr Aktivist*innen, ebenso die Täter ins Zentrum der Debatten zu stellen und nicht nur über die Opfer zu reden. Es ist ein Fakt, dass diese patriarchale Gewalt von Männern ausgeht. Es wäre daher ein Fehler, Männer hier nicht in die Verantwortung zu nehmen beziehungsweise überhaupt aus dem Schneider zu lassen, da ja „nicht alle Männer“ so sind. Denn bei jedem Femizid sollte bedacht werden, dass es da schon wieder einen Mann gab, der einer Frau das Leben genommen hat aufgrund ihres Geschlechts.

Das Bewusstsein gegen jede Form von Gewalt muss geschärft werden, damit gewalttätiges Verhalten überdacht und verändert werden kann. Es ist wünschenswert, ja sogar zwingend notwendig, dass Männer hierfür Verantwortung übernehmen, über sich selbst reflektieren und am besten auch etwas dagegen sagen, wenn andere Männer, sei es im Freundeskreis, auf der Arbeit oder sonst wo, sexistische Witze machen oder gar Gewalt verharmlosen. Zwingend notwendig für eine Welt, in der niemand mehr Angst vor Gewalt haben muss; schon gar nicht im eigenen Zuhause. Ni Una Menos! Keine Einzige weniger!

Hilfe und Infos

Quellen

[1] https://www.aoef.at/index.php/zahlen-und-daten

[2] Wascher, Kristina: Das Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt, In: Linzer Schriften zu Gender und Recht. Band 53, Trauner Verlag Universität 2013, S. 1.

[3] https://www.derstandard.at/story/2000125882158/femizide-der-kreislauf-der-gewalt

[4] https://fstreikgraz.diebin.at/femizide-morde-an-frauen-sind-keine-einzelfalle/

 

Titelbild: 8 de Marzo: ¡Ni una menos! / March 8th, Eneas De Troya, https://flickr.com/photos/99479626@N00/25557489121


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