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Wenn “Impfen, Impfen, Impfen” nicht möglich ist


Ein Wettlauf gegen die Zeit: Das Impfen.  In jedem zweiten Gespräch wird es thematisiert:” Hast du schon gehört, die XY hat schon die erste Impfung bekommen!” – “Super! Was denn für eine, AstraZeneca oder Pfizer?”  Die häufige Thematisierung und der weit verbreitete Slogan “Impfen, Impfen, Impfen” lassen es so wirken, als würde die Impfkampagne gegen COVID-19 weltweit immer mehr an Fahrt aufnehmen! Doch ist das wirklich überall der Fall?

Die Annahme mag zwar für den globalen Norden und die wohlhabenden Nationen stimmen, in anderen Staaten sieht die Realität aber ganz anders aus. In Israel wurden zwar schon 4 407 083 Menschen (48,68% der Bevölkerung) gegen COVID-19 geimpft (stand 18.3.2021).1 Aber für den direkten Nachbarn, der vom “Impf-Weltmeister” besetzt ist, findet man wenige Zahlen und Statistiken. Jene Zahlen die man aber findet, sind äußerst ernüchternd: In der Zeit zwischen dem 19.2 und dem 5.3.2021 sind im Gazastreifen nur 500 Impfungen verabreicht worden. Verimpft wurde der russische Impfstoff “Sputnik V”, von dem bis zum 5. März 22.000 Dosen geliefert wurden. Angesichts einer Bevölkerung von 2,048 Millionen eine sehr geringe Zahl.2  Auch im Westjordanland sieht die Lage nicht besser aus.

Impfstoff und Impfbereite sind Mangelware

Woran liegt es, dass Palästina (die staatliche Einheit Palästina setzt sich aus dem Westjordanland und dem Gazastreifen zusammen) so langsam impft? Dafür gibt es mehrere Gründe: Unter anderem eine niedrigen Impfbereitschaft, fehlende Infrastruktur für eine koordinierte Impfkampagne und die geringe Verfügbarkeit von Impfstoffen.

Das sich vergleichsweise wenige Menschen gegen das Virus impfen lassen wollen, liegt unter anderem an der Bevölkerungsstruktur der palästinensischen Gebiete. Dort liegt das Durchschnittsalter der Bevölkerung bei 20,77 Jahren.3 Eine Corona-Infektion verläuft für die jungen Einwohner:innen eher milde und ist seltener letal. Dies führt zu einer niedrigeren Todesrate, welche wiederum zu einer niedrigeren Impfbereitschaft führt.4

Wie bereits erwähnt, wurden die Palästinenser*innen mit 22.000 Dosen “Sputnik V” beliefert. Die israelische Regierung hatte aber Mitte Februar eine Teillieferung von 2000 Dosen eben jenes Impfstoffes eine Zeit lang blockiert. Das könnte eventuell ein Grund für den langsamen Impf-Fortschritt sein. Insgesamt konnte sich die Autonomiebehörde, welche für die Verwaltung Palästinas zuständig ist, 2 Millionen Dosen verschiedener Hersteller sichern, das Lieferdatum ist allerdings  unklar.5 Noch im März wird eine Lieferung im Umfang von 24.000 Dosen des Impfstoffs von AstraZeneca und 38.000 Dosen von Pfizer/BioNTech erwartet. Ermöglicht wird das im Rahmen des COVAX-Programms der World Health Organization (WHO).6,7 Für die weiteren Lieferungen der Initiative ist noch kein Lieferdatum bekannt. Durch COVAX sollen schlussendlich rund 20% der palästinensischen Bevölkerung geimpft werden.7 Auch Israel beteiligt sich: Der Staat will für die Impfung von etwa 120.000 Palästinenser*innen sorgen, da diese eine israelische Arbeitserlaubnis haben. Zusätzlich wurden bereits 5000 Impfdosen für die besetzten Gebiete Palästina bereitgestellt.8

Wer ist zuständig?

Strittig ist, ob das Land nicht ohnehin für die Durchimpfung zuständig wäre. Israel beruft sich zwar auf die Verträge von Oslo (1995), in denen steht, dass die Autonomiebehörden für den Gesundheitsbereich zuständig sind und sieht deswegen auf eigener Seite keine Verantwortung. Jedoch waren die Verträge ursprünglich nur für eine Dauer von 5 Jahren gedacht. Außerdem berufen sich Internationale NGOs und die Autonomiebehörde auf das Völkerrecht: Denn nach Artikel 56 der vierten Genfer Konvention müssen Besatzungsmächte alle Maßnahmen zur Bekämpfung von Epidemien und Seuchen in den besetzten Gebieten ergreifen. Nachdem Israel die palästinensischen Gebiete aber teilweise nicht mehr als besetzt erachtet, sieht die Regierung auch hier keine Verpflichtung von ihrer Seite. Doch die meisten Staaten, unter anderem die USA, sind allerdings der Ansicht, dass Palästina nach wie vor von Israel besetzt ist. Viele NGOs, auch “Human Rights Watch” schließen sich  dem an, da in Fragen des Reise- oder Warenverkehrs die palästinensische Verwaltung noch immer die Zustimmung der israelischen Militärverwaltung benötigt.8

Dringender Handlungsbedarf

Wie es mit der Virusbekämpfung weitergeht, ist unklar und wird sich erst zeigen. Klar ist allerdings jetzt schon: selbst, wenn alle Impfdosen für Palästina ankommen würden, hätten die Gebiete noch immer nicht genug Impfstoff um die Herdenimmunität zu erreichen. Aus eigener Kraft kann die Autonomiebehörde die Gesundheit ihrer Bevölkerung voraussichtlich nicht gewährleisten. Aufgrund von Bürokratie, politischen Streitigkeiten und “Impf-Nationalismus” wird in diesen Gebieten das Recht auf ärztliche Versorgung vernachlässigt, wenn nicht sogar ignoriert.

Auch reiche Staaten aus der ganzen Welt könnten in dieser Notlage aushelfen! Denn dass die globale Impfstoffverteilung ungerecht ist, steht außer Frage! Nationen, deren Bevölkerung nur 16% der Weltbevölkerung ausmachen, haben sich 70% aller Verfügbaren Impfdosen gesichert. Das dabei den restlichen 84% nur noch etwas weniger als ein Drittel der Impfdosen übrig bleibt, ist den Entscheidungsträgern anscheinend egal.9

Eine Lösung wäre, wenn alle Staaten den Impfstoff vereint besorgen würden und ihn verhältnismäßig nach der Bevölkerung aufteilen würden. Leider ist es hierfür schon zu spät, der Impfstoff ist besorgt.

Was man allerdings tun könnte, ist das Patentrecht auszusetzen. Dann hätte man die Möglichkeit weitaus mehr Impfstoff zu produzieren und jeder Staat könnte zum Impfstoff-Produzenten werden um seine eigene Bevölkerung und die anderer Nationen kostengünstig zu versorgen.

Quellen

https://github.com/owid/covid-19-data/blob/master/public/data/vaccinations/
country_data/Israel.csv

https://www.tagesschau.de/ausland/asien/gaza-corona-impfstoff-101.html

https://knoema.de/atlas/Pal%c3%a4stina/topics/Demographie
/Alter/Durchschnittsalter-der-Bev%c3%b6lkerung

https://github.com/CSSEGISandData/COVID-19

https://www.sn.at/panorama/international/
palaestinenser-israel-blockiert-impfstofftransport-nach-gaza-99856693

https://www.sueddeutsche.de/politik/israel-palaestinenser-corona-impfung-1.5221393

https://www.france24.com/en/middle-east/20210317-palestinians-receive-
first-batch-of-covax-supplied-vaccines

https://www.fr.de/politik/israel-corona-impfung-palaestina-
menschenrechte-kritik-reportage-90236447.html

https://www.zeit.de/politik/ausland/2021-02/corona-impfstoff-
verteilung-covax-gerechtigkeit-weltweit


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