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Wie solidarisch sind wir wirklich?


Das Ende des Jahres naht in großen Schritten, Weihnachten steht praktisch schon vor der Tür und gestern, am 20. Dezember, fand der internationale Tag der menschlichen Solidarität statt – der perfekte Zeitpunkt, um auf das Verhalten der Menschen im vergangenen Jahr zurückzublicken und dieses zu evaluieren.

Der Begriff Solidarität sollte jeder Person etwas sagen. Laut Duden bedeutet er Zusammenhalt mit einer Person oder einer Gruppe auf Grund derselben Anschauungen und Ziele. Diese Ziele und Anschauungen sind weltweit von Mensch zu Mensch verschieden, doch es gibt wohl einige Grundbedürfnisse, wie Sicherheit, Gesundheit, Nahrung und Wohlstand, die jede Person versucht zu erreichen. Oft ist es leider so, dass nicht alle Ziele für alle Menschen gleich erreichbar sind. Daher ist Zusammenhalt wichtig. Doch wie kann man wissen, wie kann man messen, wie solidarisch eine Gesellschaft wirklich ist?

Da die Mehrheit der Menschen keine Expert:innen in diesem Thema sind, muss diese Evaluierung auf persönlichen Eindrücken und Erfahrungen basieren. Zum Beispiel jene Eindrücke, die man hatte, als man gelesen und gehört hat, dass Australien in Flammen steht. Als man die grausamen Bilder und Berichte aus Minneapolis, Kenosha und viel zu vielen anderen Städten sah. Als man in den daraus resultierenden Märschen mitgegangen ist. Als man sah, wie ein Land über eine Wahl in zwei Lager geteilt wurde. Als man von einem Anschlag in unserer Heimat erfuhr. Als man monatelang zu Hause sitzen musste und Angst bei jedem Schritt im Freien hatte. Auf genau diese Eindrücke und Erfahrungen aus dem vergangenen, verrückten, verlorenem Jahr, kommt es drauf an. Sie zeigen uns, dass wir wohl nicht immer zusammenhalten, auch wenn wir das gerade in diesen Situationen machen sollten.

Doch diese Eindrücke können natürlich auch täuschen. Wenn man sich an den Anfang des Jahres zurückerinnert und sich die Tragödie in Australien zu Bilde führt, könnte man meinen, dass der Zusammenhalt hierbei sehr groß war – und das war er bestimmt auch. Denn schon früh riefen Prominente überall auf der Welt ihre Fans dazu auf für Betroffenen, Einsatztruppen oder Umweltorganisationen zu spenden, Freiwillige boten ihre Hilfe an und es wurde alles gegeben, um das Ausmaß der Feuer einzuschränken. Es hielten alle zusammen und waren sich einig, so ein Feuer sollte nie mehr geschehen. Leider sind durch den Klimawandel solche Wildbrände in den letzten Jahren immer häufiger geworden. Um also wirklich solidarisch mit jenen zu sein, die an den Feuern, Überschwemmungen und Orkanen ihr Haus, ihre Schätze oder auch ihr Leben verlieren, sollte jede Person sein/ihr Bestes tun und Zusammenhalt auch langfristig denken. Um zu überleben muss die Menschheit damit anfangen solidarisch zu leben und nicht nur solidarisch auf tragische Ereignisse zu reagieren. System und Denkweise der Menschen müssen sich verändern – Apropos. Dasselbe ist auch auf das schwere Leiden des färbigen Bevölkerungsanteils anzuwenden.

Die Proteste, Märsche und Aufstände, die auf die Ermordung George Floyds im Mai erneut weltweit ausbrachen waren unglaublich. Mit Sprüchen wie Black Lives Matter, Defund the Police und End Racism sind Millionen Menschen in Städten auf der gesamten Welt durch die Straßen gezogen. Aber wo es Unterstützung gibt, zeigt sich auch Gegenwind – in allen Dingen. Und wenn diese Menschen, die rassistische, sexistische und idiotische Aussagen und Anschauungen feiern, auch noch einen Mann an der Spitze der Macht haben, der ihre Meinung teilt, dann kann man sich sicher sein, dass diese Menschen nicht unbedingt weniger werden. Deswegen meinten wohl viele auch, dass diese vergangene US-Präsidentschaftswahl wohl die wichtigste Wahl in ihrem Leben war. Denn mit einem Sexisten, Narzissten, White Supremacist und Klimaverweigerer würden die nötigen Veränderungen, die die USA und die Welt bräuchten, nie eintreten. Der Zusammenhalt würde zerstört und nicht genährt werden.

Auch in Österreich konnte man dieses Jahr in mehreren herausfordernden Situationen Zusammenhalt sehen. Einerseits durch den grausamen Terroranschlag in Wien, bei dem vier Menschen getötet und über zwanzig verletzt wurden. Aber auch durch einen anderen Grund rückten die Österreicher:innen, die das sonst nur auf Grund von sportlichen Leistungen im Skiwettbewerb machen, zusammen. Natürlich nicht ohne Babyelefant. Die Coronapandemie war das beherrschende Thema in diesem Jahr und ist es auch weiterhin noch. Der dritte harte Lockdown zeichnet sich ab, während der zweite nur wenige Wochen zurückliegt. Hierbei konnte man sehen, wie wichtig gleiche Anschauungen für die Solidarität sind. Denn während im ersten Lockdown noch jede/r der Meinung war, dass diese Krankheit gefährlich ist, war der Zweifel im Herbst schon größer. Darunter litt auch der Zusammenhalt. Ist im ersten Lockdown noch fleißig für die älteren Nachbarn einkaufen gegangen, interessierte das im zweiten nicht mehr so richtig wen. Ist im ersten Lockdown noch täglich „I Am From Austria“ unter Beifall gespielt worden, hörte man das im zweiten gar nicht mehr.

Was all diese Beispiele zeigen und verbindet, ist dass wir sehr wohl solidarisch sein können, das aber noch nicht immer tun. Das Jahr 2020 war verrückt. Es hat uns auf die Probe gestellt und vieles von uns abverlangt, aber wir sind noch da. Gemeinsam werden wir auch diese Krise überstehen. Gemeinsam sind wir stark. Und gemeinsam müssen wir uns fragen, was wir als Individuen aber auch als Gemeinschaft langfristig tun können, um insgesamt ein wenig solidarischer zu werden. Damit wir auch wirklich alle unsere Grundbedürfnisse erreichen und erfüllen können.

Was kann man also daraus schließen? Wie solidarisch war die Menschheit in diesem Jahr und wie solidarisch müssen wir noch werden, um den vielen Herausforderungen nachhaltig begegnen zu können? – Das alles sind Fragen, die wir uns selbst stellen müssen. Wir können auf jeden Fall sehen, dass der Mensch kein allzu asoziales Wesen ist und er Zusammenhalt durchaus versteht. Solidarität sollte aber nicht nur eine Reaktion auf Herausforderungen sein, sondern eine gewachsene Sache. Um wirklich als Menschheit zusammenzuhalten müssen wir umdenken und versuchen, unsere Anschauungen und Ziele zu vereinen. Aber mit gegenseitigem Verspotten und Verdammen, schießen wir uns ins Knie.


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