Kenne deine Rechte

#PayUp Textilindustrie!


C&A, Primark, Urban Outfitters: Es gibt etwas, dass diese drei bekannten Kleidermarken gemeinsam haben – sie zählen nämlich zu jenen Milliardenunternehmen, die sich wegen Umsatzeinbußen durch Ladenschließungen und Nachfrage-Einbrüche infolge der Covid-19-Krise nun weigern, die Produktionsbetriebe, die ihre Kleider herstellen, zu bezahlen. Das hat fatale Folgen für die Millionen von Arbeiterinnen und Arbeiter dieser Industriesparte: Sie sind es, die nun um ihre Existenz fürchten müssen.

Covid-19 und die Bekleidungsbranche

Das Coronavirus dominiert zurzeit unseren Alltag in vielerlei Hinsicht. Menschen weltweit plagen Sorgen, aber auch die Wirtschaft hat mit den Folgen der Pandemie zu kämpfen, so auch die Bekleidungsindustrie. Umsatzeinbrüche führten dazu, dass Milliarden-Aufträge storniert wurden. Hierbei handelt es sich um Bestellungen, die zum Zeitpunkt ihrer Stornierung bereits fertiggestellt oder schon längst in Produktion waren.[1] Durch dieses Vorgehen wälzen die Unternehmen ihre Probleme vor allem auf diejenigen ab, die sich am allerwenigsten dagegen wehren können – nämlich die unzähligen Textilarbeiterinnen, die in Entwicklungsländern für einen Dumpinglohn schuften, damit so etwas wie „Fast Fashion“ überhaupt existieren kann. Anstelle eines Hungerlohns bekommen sie nun weitgehend gar nichts mehr.

Mehr Menschlichkeit für Textilarbeiterinnen

Einer Untersuchung nach verdienen nur 2% aller Textilarbeiter*innen weltweit einen existenzsichernden Lohn.[2] Die überwiegende Mehrheit verrichtet ihre Lohnarbeit unter sehr prekären Bedingungen. Viele erinnern sich bestimmt noch an die Katastrophe von Rana Plaza, bei der 1138 Menschen beim Einsturz einer Textilfabrik in Bangladesch starben und weitere 2438 verletzt wurden. Damals, 2013, sagten alle: So etwas darf nie wieder passieren. Doch können wir heute, sieben Jahre später, wirklich felsenfest behaupten, dass die globale Bekleidungsindustrie aus ihren Fehlern gelernt und nun Menschenleben über Profitgier stellt? Sowohl in Asien als auch in Europa sind Arbeits- und Menschenrechtsverletzungen in dieser Sparte vielmehr die Norm als die Ausnahme, wie die Clean Clothes Kampagne berichtet.[3] Egal ob es um Mindeststandards menschenrechtlicher Sorgfaltspflicht, existenzsichernde Löhne, Gesundheitsschutz, soziale Absicherung oder Gewerkschaftsfreiheit geht – Mode-, Textil- und Schuhunternehmen haben in den letzten Jahren kaum etwas in ihren Lieferketten verbessert.

Modefirmen in die Pflicht nehmen

Es stimmt, dass Ausbeutung in der Kleiderindustrie nichts Neues ist. Aber muss das wirklich so sein? Die #PayUp-Initiative, die durch die Corona-Pandemie von der NGO Remake und weiteren Aktivist*innen ins Leben gerufen wurde, fordert internationale Marken und Einzelhändler dazu auf, ihren Verpflichtungen nachzukommen und ihre in Produktion befindlichen Aufträge zu bezahlen. Somit bekommen die Textilarbeiterinnen zwar keinen gerechten Lohn aber zumindest irgendeinen Lohn. Öffentlicher Druck war es, der Unternehmen wie H&M, adidas und Nike dazu gebracht hat dies zu tun – nicht humanitäre Nächstenliebe. Die meisten dieser Konzerne bedienen sich nämlich dem juristischen Konstrukt der „Force Majeure“ (dt. höhere Gewalt) um die Nichterfüllung ihrer Zahlleistung zu argumentieren: Demnach wäre die Pandemie als unvorhersehbares Ereignis einzustufen, das man nicht abwenden kann und somit selbst auch keine Schuld am Vertragsbruch trägt. Bereits im Römischen Recht wurden solche Klauseln als Vertragsstörungen anerkannt. Unter höhere Gewalt fiel damals etwa auch der Tod eines Sklaven kurz nach dessen Veräußerung, bei äußerster Sorgfalt des Besitzers. Jedoch leben wir eben nicht im Imperium Romanum, sondern im 21. Jahrhundert. Sklaverei und sklavereiähnliche Arbeitsbedingungen sind heute absolut verboten – eigentlich.

In wohl keiner anderen Branche auf der Welt ist das Machtgefälle so groß wie in der in der internationalen Bekleidungsindustrie. Auf der einen Seite stehen Großkonzerne, die jedes Jahr Millionen- und Milliardengewinnen erwirtschaften – auf der anderen Seite Textilfabriken und deren Arbeiter*innen, die von der Hand im Mund leben. In Lieferketten, in denen Modefirmen und große Einzelhändler das Sagen haben, ist Ausbeutung vorprogrammiert. Ungeordnete Insolvenzen, Massenentlassungen und Lohnaussetzungen sind die Folge der Covid-19-Pandemie, wenn Unternehmen die Fabriksbesitzer nicht bezahlen, da diese selbst meist nur mit geringen Gewinnmargen arbeiten und weder über Barreserven, noch Zugang zu Krediten verfügen.

Verändern wir die Welt

Durch die #PayUp-Initiative haben sich bisher 19 große Modefirmen dazu bereiterklärt, ihre Produktionsstätten weiterhin zu bezahlen.[4] Es liegt an der Zivilgesellschaft hier dranzubleiben und weiterhin Druck auszuüben damit sich diese Zahl erhöht – gleichzeitig muss aber klargestellt werden, dass das Ziel für diese Sparte nach wie vor gerechte Löhne sind, die zumindest ein Existenzminimum sichern können. Die Coronakrise hat die tiefe Ungerechtigkeit in der Bekleidungsbranche offengelegt. Jetzt ist die Zeit für Veränderung. Lohndumping in Entwicklungsländern, in denen Gewerkschaftsunterdrückung und schlechte Sozialversicherungssysteme vorherrschen haben Eigentümerfamilien, Aktionären und Managern über Jahrzehnte hinweg unfassbar hohe Gewinne ermöglicht. Nun sind sie an der Reihe für die Schattenseiten ihres ausbeuterischen Geschäftsmodells zu bezahlen. „Wir brauchen einen Systemwandel“ soll nicht weiterhin eine leere Phrase sein. Die Reichen müssen einen Beitrag zur Überwindung dieser Krise leisten – und damit sind nicht nur die reichen Textilunternehmer gemeint. Letztendlich sind die prekären Zustände in der internationalen Bekleidungsindustrie nämlich nur Indizien für ein krankendes System. Setzen wir uns ein für eine Welt, in der Mensch und Umwelt Vorrang vor Profiten haben.

 Weiterführende Links:

[1] https://www.ecchr.eu/fileadmin/Publikationen/ECCHR_PP_SUPPLYCHAINS_COVID_EN.pdf

[2] https://www.fashionrevolution.org/usa-blog/how-much-garment-workers-really-make/

[3] https://cleanclothes.at/de/presse/7-jahrestag-rana-plaza/

[4] https://www.change.org/p/unless-gap-primark-c-a-payup-millions-of-garment-makers-will-go-hungry


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