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Billigfleisch auf Kosten von Menschenleben?


Nach dem Ausbruch des Coronavirus in dem Fleischereibetrieb Tönnies in Nordrhein-Westfalen (Deutschland) stehen erneut über 7000 Menschen unter Quarantäne, über 1500 Mitarbeiter*innen sind infiziert. Durch drastische Vorkommnisse wie diese werden Grundsatzdebatten über Fleisch wieder aufgeworfen, aber ist es richtig, sich solchen Themen nur zu widmen, sobald etwas Polarisierendes passiert?

Tönnies Holding gilt als Deutschlands größter Schlachtbetrieb für Schweine und Rinder.Eetwa 20.000 Schweine werden täglich geschlachtet, somit ist Tönnies Fleisch in diversen Fleischprodukten von Tochterunternehmen, wie etwa der Zur-Mühlen-Gruppe oder „Mein Landjäger“, zu finden. Schon länger stehen große Schlachtbetriebe unter dem Ruf, Gastarbeiter unter prekären Arbeitsbedingungen für einen geringen Mindestlohn arbeiten zu lassen. Nach dem Corona Ausbruch vor einigen Tagen ist nun auch ein Video aus der Tönnies Fabrik in Gütersloh aufgetaucht, in der hunderte Mitarbeiter*innen ohne Sicherheitsabstand eng nebeneinander in einer Kantine essen, lang nachdem die Corona Schutzmaßnahmen in Deutschland in Kraft getreten sind. Nun wurde das öffentliche Leben im Kreis Gütersloh behördlich massiv eingeschränkt um die Verbreitung des Virus einzudämmen.

Nach Veröffentlichung des Videos sind, wie so oft in den letzten Jahren, Diskussionen über Fleischproduktion- und Konsum entfacht. Tönnies gibt an, dass die Gesundheit der Mitarbeiter*innen „nun oberste Priorität habe“. Was sind wir bereit für Fleisch zu geben, wenn die Gesundheit von Mitarbeiter*innen erst dann Priorität hat, wenn über 1500 Menschen sich mit einem epidemischen Virus infiziert haben? Wie kann es sein, dass wir schon so lange wissen, wie prekär Arbeitsbedingungen in Schlachthöfen für die Arbeiter*innen sind, und wir trotzdem noch bereit sind einen Kilo Schweinefleisch für nur 2€ kaufen?

Oft ist das Erste, was man nach Bekanntwerden des Tönnies-Skandals gehört hat, dass das alles nur passiert ist, weil osteuropäische Gastarbeiter*innen nach den Grenzöffnungen sofort nach Hause gefahren sind, um ihr Heimatland samt Familie zu besuchen. Aber anstatt die Schuld bei Gastarbeiter*innen zu suchen, welche für einen Mindestlohn unter Arbeitsbedingungen arbeiten, die man vielen Deutschen und Österreicher*innen nicht zumuten würde, sollten wir uns zuerst folgende Frage stellen: warum lassen wir überhaupt zu, dass Menschen ihr Heimatland monatelang verlassen, um dann nicht mal einen richtigen Werkvertrag zu erhalten und ihre Gesundheit Tag für Tag erneut zu riskieren? Viele Menschen sehen Fleisch als ihr (günstiges) Grundnahrungsmittel, aber, abgesehen von den Umweltfolgen, vergessen wir oft, wo unser Billigfleisch herkommt und in welchen Bereichen Abstriche gemacht werden müssen, um Fleisch so billig auf unsere Märkte zu bringen.

Wenn wir über die Probleme und Auswirkungen von Massentierhaltung sprechen, denken wir sofort an Tierwohl und Umweltaspekte, was natürlich absolut richtig und wichtig ist. Allerdings vergessen wir in jeder Debatte, dass Billigfleisch nicht einfach so in den Supermarkt kommt, sondern von Menschen produziert wird. Natürlich ist Fleisch günstig und somit in großen Mengen für die meisten Menschen leistbar. Auch hat nicht jede Person, die Fleisch essen möchte, die nötigen Mittel um sich Biofleisch beim Fleischer ums Eck zu kaufen. Dennoch möchten viele traditionell und fleischlastig kochen und greifen somit zu Billigfleischprodukten.

Natürlich wäre es ideal, wenn mehr Menschen vegetarisch oder gar vegan essen würden und erkennen, dass man nicht unbedingt Fleisch essen muss um ausgewogen und lecker zu essen, allerdings ist das nichts Neues mehr. Es ist unrealistisch, dass Massentierhaltung in den nächsten Jahren komplett gestoppt wird, daher halte ich es für viel realistischer damit zu beginnen, jene Menschen die in der Billigfleischproduktion arbeiten um ihr Leben zu finanzieren, zumindest fair zu bezahlen und ihnen menschliche Arbeitsbedingungen zu ermöglichen. Das ist das Mindeste.

Wenn wir unsere Vorlieben und Geschmäcker schon am Rücken von wehrlosen Tieren austragen müssen sollten wir wenigstens stattdessen versuchen, Menschen so gut und menschlich wie möglich zu behandeln. Vielleicht sind ein solcher Skandal und die daraus folgenden Diskussionen der Anfang von etwas Positivem. Dennoch muss gesagt werden, dass das Virus tödliche Folgen mit sich bringen kann und zu aller Erst auf die Gesundheit und Genesung der infizierten Personen geachtet werden muss.


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