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Ressentiment vs. Resettlement


„Besser, wer fliehend entrinnt einer Gefahr, als wen sie ereilt“, schrieb Homer in seinem Epos „Ilias“, bereits – wahrscheinlich – im 8. Jahrhundert v. Christus. So ähnlich müssen wohl auch die knapp zweieinhalb Millionen Geflüchteten denken, die in den Staaten der Europäischen Union (EU) nach Schutz suchen (Stand Ende 2018). Das sind ungefähr 0,48 % der Einwohner*innen in der EU. Trotz dieser überschaubaren Zahl werden diese Personen oft – vor allem von Seiten der Politik – als starke Belastung wahrgenommen und die Rufe nach einem Aufnahmestopp schallen laut durch unsere Gesellschaft. Wiederholt werden im Zuge dieses Diskurses Argumente, die sich weitestgehend einer Grundlage entbehren, bemüht und es werden Begrifflichkeiten vermischt bzw. Pauschalisierungen getätigt. Dieser Text versucht gewisse Bereiche zu beleuchten, mit einem besonderen Fokus auf den vermeintlichen „Pull-Faktor“ Seenotrettung und das UN Resettlement Programme, welches momentan medial Aufmerksamkeit genießt.

Nachhaltige Sicherheit durch Ansiedelung

Wenn man von Resettlement spricht, dann redet man von einer kontrollierten Ansiedelung von Menschen, die z. B. auf absehbare Zeit nicht mehr in ihr Herkunftsland zurückkehren können. Der Gedanke dahinter ist, dass man sowohl die Erstzufluchtsländer entlastet, als auch sich die Verantwortung, schutzsuchende Menschen aufzunehmen, solidarisch teilt. In Österreich gab es von 2013 – 2017 ein UNHCR (United Nations High Commissioner for Refugees) Resettlement Programm für syrische Geflüchtete, dies wurde unter der Türkis-Blauen Bundesregierung eingestellt und scheint wohl auch unter der Türkis-Grünen Regierung kein Comeback zu erleben.

Das Prozedere bei einem solchen Programm funktioniert so, dass UNHCR zuerst den Schutzsuchenden als Geflüchteten mit Resettlement-Bedarf anerkennt und dann den österreichischen Behörden (Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl und Bundesministerium für Inneres) die Entscheidungsgrundlage für die Aufnahme übermittelt. Am Ende entscheidet dann alleinig die österreichische Behörde über Aufnahme oder Ablehnung. Mit der Aufnahme geht eine Möglichkeit zur Integration sowie voller Schutz einher.

Innerhalb der EU macht ein großer Teil der Staaten bei einem Resettlement Programm mit. Deutschland z. B. hat über die UNHCR 5.723 Geflüchtete aufgenommen. Eine Zahl die, ob der Größe Deutschlands, doch eher klein ist. Aber immerhin mehr als gar keine.

Wenn man von Erstzufluchtländern redet, dann meint man Staaten wie den Libanon oder auch Jordanien.

Solidarität durch Umverteilung

Streng trennen muss man die Begriffe Resettlement und Relocation. Resettlement stellt die Neuansiedlung von Menschen außerhalb der Europäischen Union hinein in die EU dar, wo hingegen Relocation bedeutet, dass Schutzsuchende, die bereits innerhalb der EU sind, in ein anderes EU-Land umgesiedelt werden. Gemeinsam haben beide Verteilungsvarianten für Geflüchtete, dass die bestehende österreichische Bundesregierung ihnen ablehnend gegenübersteht.

Im Allgemeinen fruchtet die Relocation-Idee nicht wirklich, da insgesamt nur knapp 34.000 Geflüchtete innerhalb der Europäischen Union umgesiedelt wurden. Eine sehr kleine Zahl, wenn man daran denkt, wie hoch die einzelne Belastung für Mitgliedstaaten wie zum Beispiel Griechenland ist.

In beiderlei Kontext statuiert Innenminister Nehammer, dass Österreich nicht teilnimmt, weil es aufgrund von Asylanträgen schon außergewöhnlich hoch belastet ist. Im November 2019 wurden in Österreich 1.033 Asylanträge gestellt. Ob dies eine sehr hohe Belastung darstellt sei bei einem sehr wohlhabenden Staat mit knapp 8,8 Millionen Einwohner*innen dahingestellt.

Ablehnung durch Populismus

Die Frage sei zu stellen: Warum ist Österreich eigentlich gegen Neuansiedelung bzw. Umsiedelung?

Faktenbasiert wird in diesem Kontext schon lange nicht mehr diskutiert, denn vielfach wird mittels „subjektivem Sicherheitsgefühl“ oder „wir haben eh schon genug getan“ argumentiert.

Dass sich viele Österreicher*innen unsicherer fühlen seit das Thema „Flüchtlinge“ 2015 aufkam ist wohl kaum den Schutzsuchenden zuzuschreiben, sondern der politischen und medialen Populismusmaschinerie, denn jegliche Kriminalstatistik zeigt einen Rückgang an Straftaten.

Abgesehen von den zwei angeführten Argumenten, gibt es ein sehr oft bemühtes und selten diskutiertes Thema: den „Pull-Faktor“ Seenotrettung.

Innenminister Nehammer behauptet aktuell, dass sich mehr Geflüchtete auf den Weg machen, wenn die Seenotrettung im Mittelmeer gut funktioniert. Das klingt auf den ersten Blick sogar fast schlüssig, denn man traut sich wohl eher mit einem lädierten Kahn über das Mittelmeer, wenn man davon ausgehen kann, dass man schon irgendwie rausgefischt wird. Jedoch sind Argumente keine Argumente, wenn sie zwar logisch klingen, aber keinerlei Daten dahinterstecken. Die Situation ist nämlich gegenteilig, da es nur Daten gibt, die dieses Argument entkräften.

Wenn man die Ergebnisse vom „Italian Institute for International Political Studies“ nimmt, dann kommt Folgendes dabei raus: Von Jänner 2019 bis Ende Juni 2019 waren an 31 Tagen Seenotrettungs-NGOs (Nichtregierungsorganisationen) am Mittelmeer in der Nähe der libyschen Küste unterwegs und in ihrer Anwesenheit wurden von Schleppern im Schnitt 32,8 Menschen aufs Meer geschickt. An den 150 anderen Tagen an denen keine Seenotrettungsorganisationen anwesend waren wurden durchschnittlich 34,6 Menschen losgeschickt. Dazu gibt es auch gleichermaßen lautende Studien von Sozialwissenschaftler*innen der Universität Oxford und der Scuola Normale Superiore in Florenz.

Die gesamte Europäische Union muss sich wieder auf faktenbasierte Politik zurückbesinnen, denn nur so kann nachhaltige Zukunftspolitik gemacht werden.

Eine besondere Verantwortung wird Österreich zukommen, denn neben der Visegrád-Gruppe (Ungarn, Polen, Tschechien, Slowakei) ist Österreich besonders restriktiv, wenn es um Flüchtlingspolitik geht und anhand des UN-Migrationspakts hat man wieder gesehen, dass Österreich eine gewisse Vorbildwirkung für diese Staatengruppe hat. Abschließend sei zu sagen: Die Hoffnung stirbt zuletzt, dass diese kleine Republik menschenrechtliche Vorreiterin wird.


Quellen

https://de.statista.com/statistik/daten/
studie/461364/umfrage/illegale-grenzuebertritte
-in-die-eu-durch-fluechtlinge-nach-fluchtrouten/

https://www.europarl.europa.eu/infographic/
welcoming-europe/index_de.html#filter=2018

https://www.unhcr.org/dach/wp-content
/uploads/sites/27/2017/09/AT_Resettlement_
Konzept_update_2017.pdf

https://data2.unhcr.org/en/documents/download/71345

https://ec.europa.eu/home-affairs/sites/
homeaffairs/files/what-we-do/policies/
european-agenda-migration/20191016_com-2019-
481-report_en.pdf

https://www.unhcr.org/dach/at/services/
faq/faq-seenotrettung

https://www.spiegel.de/politik/ausland/
seenotrettung-warum-die-rettung-migration-
nicht-foerdert-a-1277025.html


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