
Wo das Recht der Politik folgt
Stellen Sie sich vor, Sie wären in der Geschäftsführung eines Großunternehmens tätig und hätten Probleme mit Ihrem Personal. An wen würden Sie sich wenden? An die Arbeiterkammer? Wohl kaum. Schließlich widerstrebt es jeder Logik, sich in dieser Position an jene Instanz zu wenden, die eigentlich die Interessen der ArbeitnehmerInnen vertritt und somit wohl kaum unparteiisch agieren kann. Das klingt einleuchtend, oder?
Nun stellen Sie sich vor, Sie würden in Österreich einen Asylantrag stellen. Sie fühlen sich bei der Einvernehmung durch eine staatliche Behörde unfair behandelt und erhalten in weiterer Folge einen Negativbescheid. Von wem möchten Sie nun rechtliche Hilfe erhalten? Von einer weiteren staatlichen Behörde? Wiederum ist die Antwort: wohl kaum. Dennoch wird das, was auf Papier völlig abstrus klingt, momentan in der Praxis umgesetzt: Die unabhängige Rechtsberatung für AsylwerberInnen wird verstaatlicht.
Bis dato konnten Menschen, die in Österreich um Asyl ansuchten, Rechtsberatung durch Nichtregierungsorganisationen in Anspruch nehmen. Diese boten ihren KlientInnen kostenlose, unabhängige Rechtsberatung im Asylverfahren. Dass ein derartiges Angebot wesentlich ist, belegen offizielle Zahlen: Fast die Hälfte der erstinstanzlichen Asylbescheide wurde infolge einer Beschwerde durch das Bundesverwaltungsgericht aufgehoben. Zurückzuführen ist dies auf grobe Mängel in der Verfahrensführung durch die erste Instanz, das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA). Diese dem Innenministerium unterstellte Behörde ist in Österreich für das Asylverfahren zuständig. Jedoch wurde bereits des Öfteren von humanitären Hilfsorganisationen bemängelt, dass die Einvernahmen durch ReferentInnen des BFA grobe Mängel aufwiesen: Untergriffige Fragen, Beleidigungen und mangelnde Objektivität der Institution wurden in der Vergangenheit wiederholt kritisiert.
Trotz massiver Proteste seitens der in der Rechtsberatung tätigen NGOs, zahlreicher JuristInnen, Prominenter sowie der österreichischen Zivilbevölkerung, plant die Bundesregierung dennoch, die unabhängige Rechtsberatung durch staatlich bereitgestellte RechtsberaterInnen zu ersetzen. Diese würden dann von der geplanten Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen bereitgestellt, die wiederum dem Innenministerium unterstellt wäre – und somit auf der gleichen Ebene angesiedelt wie das BFA, das ja die erstinstanzlichen Entscheidungen fällt. Dadurch würden sowohl die Entscheidung über den Asylstatus als auch das rechtliche Vorgehen gegen diese Entscheidung in der Hand der gleichen staatlichen Gewalt liegen – ein höchst bedenkliches Unterfangen, das die Gefahr der Befangenheit der BeamtInnen mit sich bringt. Darüber hinaus sollen sogar MenschenrechtsbeobachterInnen bei Abschiebungen unter anderem von derselben Agentur bereitgestellt werden, was nahezu unausweichlich zu Interessenskonflikten führen wird.
Gerade ein solch sensibler Rechtsbereich wie das Asylrecht sollte jedoch mit großer Vorsicht behandelt werden und die Anerkennung von Asyl auf Basis fairer Entscheidungen gemäß der Genfer Flüchtlingskonvention und den Menschenrechten getroffen werden . Wenn wir von Asyl sprechen, geht es nämlich um ein zentrales Recht, das dazu dienen soll, Menschen, die aus Angst um Leib und Leben ihr Heimatland verlassen mussten, das Recht zu gewähren, in einem sicheren Land Zuflucht zu finden. Österreich muss seiner Verantwortung, die es durch die Ratifizierung der Genfer Flüchtlingskonvention auf sich genommen hat, nachkommen . Und zwar fair und unabhängig.
Links
Petition für eine unabhängige Rechtsberatung
Gesetzesentwurf zur Errichtung der Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen