
„Meine Lunge braucht genauso viel Luft wie deine“
Mir war die Schule immer sehr wichtig, deshalb kam ich vor 4 Jahren mit null Ahnung über das österreichische Schulsystem in einer Polytechnischen Schule in Judenburg an. Der Eintritt in diese Schule war wie die Szene eines Filmes! Weil als ich sie betrat, gingen alle von mir weg und es gab um mich herum einen großen Kreis. Plötzlich fühlte ich mich wie eine Bombe, die die Schüler und Schülerinnen so weit entfernt wie möglich von mir hielt. Die Gründe dafür waren mein Kopftuch und meine Sprache. Ich habe unabsichtlich Angst verbreitet. Hier gibt es einen ähnlichen Fall wie meinen. Deshalb lade ich euch ein, meinen Artikel über „die Flüchtlinge in der Schule“ zu lesen.
Ich führte dieses Interview mit einer Schülerin in der Caritas Schule. Sie heißt Narges und ist 17 Jahre alt. Bevor sie die Caritas Schule in Graz besuchte, besuchte sie die NMS in Birkfeld, wo sie ihren Hauptschulabschluss bekam.
KdR: Wie gefällt dir die Schule in Österreich?
Narges: Ich finde die Schule an sich sehr super, aber ich habe nach dreieinhalb Jahren Aufenthalt in Österreich noch immer Schwierigkeiten in der Schule, da es nicht einfach ist, alles im Unterricht zu verstehen.
KdR: In welchem Fach hast du am meisten Probleme und woran liegen sie?
Narges: Ich bin in Mathematik nicht gut und ich denke, dass das Problem an den Lehrern liegt, weil sie uns nicht gut erklären können.
KdR: Besuchtest du aber die Schule in deiner Heimat?
Narges: Ja. Ich war im Iran 6 Jahre in der Schule.
KdR: Welches Schulsystem findest du einfacher?
Narges: Das Iranische Schulsystem, weil ich die Sprache konnte, mit den Lehrern leichter in Kontakt kam. Auch verstand ich alle Fachwörter, deswegen musste ich nicht im Wörterbuch schauen, um die Bedeutung zu finden. Aber es war schwierig, sich an die Gesetze zu halten. Wir mussten Hijab tragen, farbige Schuhe und Socken waren nicht erlaubt, zur Gebetszeit mussten wir unbedingt mitmachen, aber in Österreich bestimme ich für mich selber.
KdR: Wie war die Schule am Anfang für dich?
Narges: Am Anfang trug ich ein Kopftuch und ich dachte, wenn ich das Kopftuch nicht mehr anziehe, empfinden meine Eltern mich nicht mehr als nettes und gehorsames Mädchen. Das war eine Krise für mich, als ich es weggab
.
KdR: Was war dein Grund, um das Kopftuch wegzugeben?
Narges: Die Schule!
KdR: Warum wegen der Schule?
Narges: Weil ich in der Schule die einzige Fremde und Ausländerin war. Alle haben vor mir Angst gehabt, aber sobald ich das Kopftuch weggab, waren fast alle Mitschüler zu mir freundlich. Sie sahen, dass ich wie sie sein will und das war für sie ein Zeichen der Integration
.
Danach drehte sich alles um, z.B fand ich mehrere Freunde und die Leute näherten sich mir und waren neugierig, wollten etwas wissen. Die Entfernung, welche ich früher sehr stark wahrnahm, verringerte sich. Die Lehrer unterstützten mich und sagten, dass ich schöner als vorher ausschaue, schöne Haare habe und die beste Entscheidung treffe.
KdR: In Österreich wurde in den Klassen ein Kreuz aufgehängt. Was ist deine Meinung darüber? Denkst du, dass ein Zeichen für deine Religion auch aufgehängt werden soll?
Narges: Ich habe damit besonders in meiner Schule gar kein Problem, da es eine katholische Schule ist und es gibt viele Schülerinnen aus verschiedenen Länder mit unterschiedlichen Religionen.
KdR: Du schaust wie ein europäisches Mädchen aus und ich würde gerne wissen, welche Kultur dir am meisten gefällt?
Narges: Unsere Kultur ist sehr schön aber die Tradition macht die Situation für die Frauen in der Gesellschaft sehr schwierig. Mir gefällt unser Feiern, Tanzen und die Lieder sehr. In Österreich haben die Menschen wenig Zeit um Freude zu machen, da alle meistens mit dem Lernen oder der Arbeit sehr intensiv beschäftigt sind. Ich finde es langweilig, wenn ich immer am Wochenende Bier trinken gehe.
KdR: Was hättest du vor nach der Schule zu machen?
Narges: Ich würde gerne auf der Uni studieren.
KdR: Was erwartest du vom österreichischen Schulsystem?
Narges: Ich hätte gerne mehr Unterstützung von der Schule und ich bitte, dass die Lehrer mehr Rücksicht auf uns nehmen könnten. Bei uns wird es nicht so schnell gehen wie für ein/e österreichische Schüler/in, weil die Sprache nicht einfach ist und es braucht alles viel Zeit. Wir wollen auch gute Bildung haben, aber es ist ein langer Weg.
Es wäre sehr nett, wenn die Schüler über die Flüchtlinge informiert werden und es muss wirklich gesagt werden, dass wir nicht gefährlich sind und wir haben gegen sie nichts vor. Alles wird sich entwickeln und es ist nicht auf einmal möglich. Ich kenne jemanden, der wegen Auslachen, Vorurteilen und Diskriminierung die Schule für immer verlassen hat. Bevor wir Flüchtlinge genannt werden, sind wir Menschen, und meine Lunge braucht genauso viel Luft wie deine!
Kenne deine Rechte bedankt sich bei Narges für das Interview!