Kenne deine Rechte

Ja, ich will – nicht mehr alles dürfen!


Die bösen Männer in den dunklen Hinterzimmern lenken die Welt und schmieden ihre finsteren Pläne. Dann kommt James Bond, räumt mit den Schurken auf und das Gute siegt.
Die bösen Männer sind die großen multinationalen Konzerne und James Bond ist die couragierte Zivilgesellschaft, die die ökologische Krise löst. Ach, wäre das schön und einfach. Aber ein kleines Körnchen Wahrheit macht noch keinen Strand voller Plastikmüll.

Wir alle leben über unsere Verhältnisse und verdrecken systematisch unseren Lebensraum. Das führt schon heute zu einem menschlich angetriebenen Massensterben diverser Tierarten, Extremen und sich häufenden Wetterkatastrophen, Mikroplastik in unserer Nahrung und den Meeren etc. Dort, wo die Menschen bisher sehr bescheiden lebten, werden sie es uns nun dank des weltweiten Anstiegs von Wohlstand und Reichtum immer mehr nachmachen. Der Erde ist das egal. Unseren Kindern nicht.

Mir auch nicht. Und trotzdem kauf‘ ich mir irgendwann eine neue Grafikkarte, damit die Spiele geiler laufen, und achte beim Essen meistens nicht drauf, ob das eh regional und bio ist und ob das im Einzelfall überhaupt besser ist als ein anderes Produkt von weiter weg, das weniger energieintensiv produziert wird. Meine Netflix-Serien will ich auch schauen, auch wenn deren Server mit Atomstrom betrieben werden. Ich spür‘ halt die Auswirkungen dieser Handlungen nicht stark genug. Und alles kann man eh nicht richtig machen.

Aber ich bin sowieso nur ein einzelner Akteur. Auf die großen Konzerne kommt es an, richtig? Die produzieren ein Vielfaches an Schaden. Aber warum sollten die sich mehr um Ethik und Ökologie scheren als die Normalbürgerin, wenn wir alle das Thema zwar irgendwie schon wichtig finden, aber uns dann doch permanent Freiheiten erlauben, deren Kosten wir im konkreten Moment des Wollens geflissentlich hinnehmen?

Der moralische Zeigefinger bringt nix. So funktionieren Menschen nicht. Manchmal sind Zusammenhänge so komplex, dass wir trotz guten Willens überfordert aussteigen. Oder es ist uns tatsächlich egal – abstrakte Empathie (die hungernden Kinder irgendwo weit weg, nicht direkt vor meinen Augen) und langfristig bedachtes Handeln sind keine Grundeinstellungen, sondern evolutionsbiologisch exotische Zustände, die Arbeit erfordern. Oder wir schämen uns eigentlich für unser Handeln, tätigen es aber genau darum umso eher. Das ist traurig, aber psychologisch plausibel. Niemand sollte sich wegen Inkonsistenzen im Handeln fertig machen. Niemand kann alles richtig machen, dafür ist unsere Welt zu komplex und Menschen zu vieldimensional. Wenn schon 5kg abnehmen so anstrengend ist, wie soll denn dann jede/r ökologisch perfekt handeln? Reformbewegungen werden immer nur von einem kleinen, zur jeweiligen Zeit als radikal betrachteten Teil der Gesellschaft angetrieben. Der Rest schwimmt irgendwann ohne Widerstand mit, sobald Strukturen geschaffen sind, die das Sinnvolle bequemer ermöglichen als das nicht Sinnvolle.

Ein gütliches Zusammenleben muss organisiert werden. Und genauso, wie wir es für selbstverständlich halten, dass Mord und Diebstahl (also so direkt und unmittelbar wenigstens) falsch sind, so selbstverständlich sollten wir Gesetze anstreben, die uns durch die Wegnahme offenkundig schädlicher Freiheiten, wie etwa die Freiheit auf die Kaffeekapsel (massiver Umweltschaden, ähnlich wie Coffee-to-go-Becher) und das Fleischpatty im Burger, daran hindern, anderer Leute Freiheit – und langfristig unsere eigene – zu verheizen.

Als Zukunftsidee wird unter anderem eine CO2-Steuer auf Transport, Nahrung usw. diskutiert. Teilweise wird diese schon in Ländern angewandt. Damit könnte man klimafreundliches Handeln belohnen und extra Anreize dafür schaffen. Allerdings muss es ein soziales Etappensystem darin geben, sonst werden die eh schon Armen bestraft, weil sie sich vieles nicht leisten können, das andere sich gönnen. Schlichte Verbote von verschiedensten, hochgradig destabilisierenden Produkten mit spürbaren Konsequenzen für Übertritte stellen da ein faireres Mittel zur gelebten Nachhaltigkeit dar. Wer Gift in einen See schüttet, wird vor Gericht gestellt. Wer in Zukunft illegal Butter aus Kuhmilch (eines der energieintensivsten, verschwenderischsten Lebensmittel) importiert – denn legal gibt’s ein solches Produkt in der bedachten Gesellschaft von morgen nicht mehr – wird rechtlich dafür belangt. Ganz einfach. Dafür haben wir dann alle noch ein bisschen länger was von der Erde. Und natürlich darf dieser Konsequenzialismus nicht am Individuum hängenbleiben, sondern muss auch in großen Konzernen etabliert und bestenfalls sogar von diesen vorgelebt werden.

Wird dann alles verboten, was Spaß macht? Nö. Nur der schädlichste Spaß
. Menschen sind kreativ und gewöhnen sich schnell an neue Verhältnisse. Sie brauchen nur manchmal einen Schubser in die richtige Richtung. Im Fall der Klima- und Ökologieproblematik ist der Schubser seit Jahrzehnten überfällig.

Spaß gibt’s trotzdem, individuell frei und trotzdem kollektiv bedacht mit einem maximalen CO2-Guthaben für jeden Menschen in gleicher Höhe. Ich verbrauch 400 von den 1000 Einheiten mit meiner neuen Grafikkarte, dafür gibt’s die Woche keine Schokolade mehr. Du leistest dir die Schokolade und verzichtest auf den Urlaub dieses Quartal.
Klingt extrem? Als wären wir in einer Krise und müssten die Reißleine ziehen?

Das Problem ist: Wir sind in einer Krise. Schon lange. Und das ist uns immer noch viel zu egal
.


Weiterführende Links/Quellen

https://www.3sat.de/page/?source=/makro/magazin/doks/192132/index.html

https://www.psychologytoday.com/us/blog/intense-emotions-and-strong-feelings/201104/shame-concealed-contagious-and-dangerous-emotion

https://www.zeit.de/wirtschaft/2017-08/co2-steuer-klimawandel-abgas-skandal

https://www.quarks.de/umwelt/landwirtschaft/darum-ist-butter-fuers-klima-schaedlicher-als-rindfleisch/


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