Tatort Sport – Medaillen über Moral
150 verschiedene Mädchen im Alter von zehn bis zwanzig Jahren – das ist nur eine schockierende Zahl zu den Missbrauchstaten, die der Teamarzt der Amerikanischen Gymnastik-Nationalmannschaft, Larry Nassar, seit dem Jahr 1992 verübte. Immer mehr Frauen stehen auf und kämpfen gemeinsam gegen ihre Schänder. Solidarität und Empathie zeigten auch zahlreiche Menschen weltweit mit dem Hashtag #MeToo und mit der Zeit kamen immer mehr Missbrauchsfälle ans Tageslicht.
Trainer, Ärzte, Therapeuten und Wegbegleiter – das sind die Personen, denen junge Athletinnen und Athleten ihr Wohlergehen und Vertrauen in die Hände legen, ohne zu wissen, dass sie später mit körperlichen und psychischen Problemen leben müssen. Aly Raisman, nur eines der 150 Missbrauchsopfer, erhob ihre Stimme gegen ihren Täter und sprach das aus, was unzählige Frauen weltweit noch immer tagtäglich erleben, seien es auch „nur“ anzügliche Kommentare. Egal in welchem Beruf, ob Spitzensportlerin oder Schauspielerin, ob in der Schule oder tagtäglich im Büro. Das ist ein Thema, gegen das wir uns alle gemeinsam wehren müssen, egal ob Mann oder Frau, egal ob Junge oder Mädchen – die jüngsten Ereignisse und Enthüllungen zeigten wieder nur allzu gut, dass derartige Taten uns alle betreffen können.
„Alle Menschen, unabhängig davon, wie verschieden sie sind, sind frei und gleich an Würde geboren und haben die gleichen Rechte
. Im respektvollen Miteinander sollen wir einander so behandeln, wie wir selbst gerne behandelt werden wollen.“ – Das ist die Grundaussage von Artikel 1 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte.
In einer sich so fortschrittlich deklarierenden Gesellschaft kann es nicht sein, dass Menschen ihre Würde durch autoritäre Machtpersonen geraubt wird. Durch derartige Gräueltaten verlieren Menschen jegliches Selbstwertgefühl, Selbstbewusstsein, denken oft, dass sie der Grund für diese Taten sind und sind ein Leben lang gezeichnet und traumatisiert. Das hat nichts mehr mit dem Grundgedanken des Sports zu tun, in dem Trainer oft eine Vertrauens- oder Vorbildfunktion haben
. Solche Trainer schädigen nachhaltig das Image einer ganzen Berufsgruppe und schaffen dadurch Misstrauen in der Bevölkerung, welches ihre KollegInnen in den meisten Fällen nicht einmal verdienen.
Viele Leute stellen sich die Frage, wieso Betroffene ihre Täter nicht einfach anzeigen und der Sache somit ein Ende bereiten. Doch das ist leichter gesagt, als getan. Junge und zielstrebige Sportlerinnen und Sportler könnten dadurch ihr Sponsoring oder zukünftige Meisterschaftstitel in den Sand setzen. Das gleiche gilt übrigens auch für den „normalen“ Arbeitsplatz. Zukünftige berufliche Aufstiegsmöglichkeiten und Erfolge bzw. die weitere Beschäftigung am Arbeitsplatz könnten in Gefahr geraten, wenn aktiv gegen Täter vorgegangen wird.
Ich wünsche mir für alle Betroffenen, dass sie den Mut haben, gegen derartiges Unrecht mit allem in ihrer Macht stehenden anzukämpfen und dadurch auch andere zukünftige Taten zu verhindern. Wir alle, egal ob wir betroffen sind oder nicht, sollten nie wegschauen, sondern gemeinsam mit der Unterstützung anderer für unser Recht kämpfen.