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Waltz with Bashir – again and again


Gerade eben ist der Libanon wieder in den internationalen Schlagzeilen: Sein Ministerpräsident Saad al-Hariri ist zurückgetreten und nach Frankreich gereist
. Wieder einmal wird dieses kleine Land an der Ostküste des Mittelmeeres zum Spielball verschiedener Interessen: Saudi Arabien auf der einen und der Iran auf der anderen Seite unterstützen ihre jeweiligen Glaubensbrüder (Sunniten bzw. Schiiten), dazu kommen eine gar nicht so kleine christliche Minderheit und der südliche Nachbarstaat Israel, der im eigenen Interesse notfalls mitmischt. Neu ist das leider nicht und wer einen künstlerisch anspruchsvollen Blick in die Geschichte der Region werfen will, sollte sich Waltz with Bashir ansehen. Der 2008 entstandene Animationsfilm, eine israelisch-französisch-deutsche Koproduktion mit der Originalsprache Hebräisch, zeigt verfremdet und gleichzeitig sehr eindrücklich die blutigen Ereignisse des ersten Libanonkrieges 1982, der bis heute nachwirkt und von dem gerade eine Neuauflage mit veränderter Konstellation droht.

Damals, 1982, herrschte im Libanon bereits seit mehreren Jahren ein Bürgerkrieg, in dem christliche Gruppen gegen muslimische und politisch links stehende Gruppen, vor allem die PLO und syrische Milizen, kämpften. Hinzu kamen bald innermuslimische Kämpfe zwischen schiitischen und sunnitischen Gruppierungen. 1982 griff die Israelische Armee in diese Konflikte aktiv ein, unterstützte die christlichen Milizen und lieferte sich heftige Kämpfe mit den syrischen Truppen, die sie letztlich aus West-Beirut vertrieb.

Waltz with Bashir schildert die Geschehnisse aus der Perspektive eines jungen israelischen Soldaten, der die Massaker der von den Israelis unterstützten christlichen Milizen in den muslimischen Stadtteilen Sabra und Schatila miterlebt. Auslöser dieser Gewalttaten war die vorhergehende Ermordung des christlichen Politikers Bashir Gemayel. Diese Erlebnisse sind allerdings so traumatisch, dass der Ich-Erzähler des in Schwarz-Weiß gehaltenen Films sie erst Jahre später aufgrund immer wiederkehrender Albträume rekonstruieren kann. Erst am Ende wird für ihn wie die ZuseherInnen ersichtlich, was wirklich geschehen ist, und dass es weit mehr war als ein gewöhnlicher Wehrdienst. Waltz with Bashir gewann 2009 den Golden Globe und einen César und war für den Oscar nominiert.

Wer wie ich 1982 noch lange nicht geboren war, lernt durch den Film die aktuelle Situation im Libanon, aber auch in den angrenzenden Ländern, insgesamt viel besser zu verstehen. Der Film vermittelt auch sehr eindringlich ein Psychogramm der israelischen Gesellschaft bis in die Gegenwart, wie ich sie derzeit in meinem Internationalen Freiwilligenjahr in Jerusalem täglich miterlebe. Die AnhängerInnen verschiedener religiöser Gruppen – und das sind eben nicht einfach Juden, Christen, Muslime, sondern deren jeweilige rivalisierende Untergruppen – treffen täglich auf engstem Raum zusammen. Die Israelis fühlen sich von Feinden umzingelt, die sie am liebsten ins Mittelmeer werfen würden und die immer wieder Selbstmordattentäter schicken. Dementsprechend dauert der Wehrdienst für alle drei Jahre und an jeder Ecke stehen Soldatinnen und Soldaten in voller Bewaffnung, die nicht älter sind als ich. Die Muslime fühlen sich vom „Westen“ im Stich gelassen und suchen Unterstützung bei ihren großen Brüdern in Saudi-Arabien oder im Iran, die beide vor allem daran denken, ihre Machtsphären zu erweitern. Der Libanon ist seit dem Krieg, den Waltz with Bashir zeigt, ein zerrissenes Land, das seit einigen Jahren auch noch viele Flüchtlinge aus Syrien versorgen muss. Und jetzt besteht die Gefahr, dass der Libanon selbst ein nächstes Syrien wird.

Waltz with Bashir ist leider wieder aktueller denn je und eine weitere Generation junger Männer wird mit Albträumen heimkehren, wenn überhaupt
.

 

Foto: (c) James Case from Philadelphia, Mississippi, USA


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