
„Hast du deinen Eltern gesagt, dass ich schwarz bin?“
Get out – der Horror, schwarz unter Weißen zu sein
Seit einigen Wochen läuft auch bei uns ein Film in den Kinos, der in den USA ein Überraschungserfolg mit niedrigem Produktionsbudget war, obwohl, oder gerade weil er ein heikles Thema in einem auf den ersten Blick unüblichen Genre behandelt. Get out unter der Regie von Jordan Peele handelt von Chris, einem hippen Fotografen in einer hippen US-amerikanischen Großstadt, der mit Rose, seiner hippen Freundin, ein Loft bewohnt und zum ersten Mal über das Wochenende zu deren Eltern aufs Land fahren soll. Einziges Problem: Er ist schwarz (und ja, das wird im Film so benannt), sie ist weiß. Kein Problem im Amerika von heute, in dieser jungen, urbanen Gesellschaftsschicht, sollte man meinen
. Das meint auch Chris, aber trotzdem: Das ungute Gefühl will nicht ganz verschwinden und wird zunehmend stärker, als sie durch die weiten Wälder fahren, ihnen ein Reh ins Auto springt und der weiße Polizist Chris‘ Führerschein sehen will. Und noch stärker, als auf dem Landsitz der Eltern, wo auch noch ein Familienfest stattfindet, alle weiß sind bis auf Dienstmädchen, Gärtner und Toyboy eines weiblichen Gastes. Als Chris schließlich bemerkt, was wirklich vor sich geht, warum ihn die Mutter seiner Freundin hypnotisiert hat und die schwarzen Angestellten wie Zombies wirken, ist es schon fast zu spät und Get out wird zum klassischen Horrorfilm: Im Keller des respektablen Familiensitzes werden in einem OP Schwarze zu willenlosen Sklaven gemacht, deren Körper kranken oder bereits verstorbenen Weißen als „Behausung“ dienen und die sie nach Belieben lenken können. Die notwendigen „Körper“ hat allesamt Rose „beschafft“, indem sie mit jungen, gutaussehenden Schwarzen eine Beziehung begonnen hat, um sie in den Folterkeller ihrer Familie zu locken, wo sich auch Chris auf einen Sessel geschnallt mit einer Stimme aus einem altertümlichen Fernsehapparat wiederfindet. Wie der Horrortrip ausgeht, sei hier nicht verraten.
Get out ist meiner Meinung nach der intelligenteste und subversivste Beitrag zum Thema Rassismus im 21. Jahrhundert seit Langem. Der Film kommt ohne jeglichen moralisch erhobenen Zeigefinger aus, er ist witzig, bis einem das Lachen im Hals stecken bleibt, und er thematisiert den alltäglichen, subtilen Rassismus, der zeigt, dass die Hautfarbe eben nicht nur in den Ghettos oder bei Armen eine Rolle spielt, sondern wie stark die Klischees über Schwarze den Alltag einer vermeintlich aufgeklärten, liberalen Gesellschaft durchziehen. Chris ist kein „typischer“ Schwarzer im Sinne dieser Klischees, kein krimineller Drogendealer, kein Musiker, vielmehr ist er ein Vorzeige-Bobo und trotzdem wird er im Umfeld von Weißen rasch auf seine Hautfarbe und auf die vermeintlichen „Besonderheiten“ von Schwarzen (schnell, stark, sexuell unersättlich) reduziert. Das alles natürlich nur zum „Spaß“, man wählt ja Obama, wie der Vater, der später im Keller Chris‘ Hirn aufschneiden will, ihm beim Kennenlernen erzählt.
Dadurch, dass das Genre des Horrorfilms, und ein bisschen auch der Horrorkomödie, gewählt wird, erreicht der Film auch ein Publikum, das sich sonst Filme zum Thema „Rassismus“ sicher nicht ansehen würde und vermittelt zugleich sehr gut die Erfahrungen von jemand, der keine weiße Hautfarbe hat.
Get in and watch the movie!