Kenne deine Rechte

Die Papiere, bitte!


18. Dezember 1982: Ich begebe mich zum Grenzposten von Arstotzka. Mit der Parole „ Glory to Arstotzka“ geht mein Arbeitstag los und ich rufe den Ersten aus der Warteschlange zu mir. Nachdem er mir seine Papiere vorgelegt hat, kontrolliere ich diese und drücke ihm dann schließlich ein großes „DENIED“ in den Pass, da sein Work Certificate auf einen falschen Namen ausgestellt ist. Nachdem er gegangen ist, kommt der Nächste in mein Häuschen und das Spiel geht von vorne los. Diesmal scheint alles zu passen, also darf er in mein geliebtes Heimatland.

Genauso läuft jeder einzelne Tag in dem Spiel Papers, Please ab. Und ja, es ist ein Spiel, in dem ich einen Grenzbeamten spiele und Reisepässe kontrolliere. Ich weiß auch genau, dass sich jetzt jede/r fragt, wieso zur Hölle man bitteschön ein Videospiel spielen sollte, in dem man Dokumente untersucht. Das kann doch nicht lustig sein, oder?

Nein, es ist wirklich nicht besonders spaßig, aber ich kann trotzdem nicht aufhören zu spielen, da es einfach, so banal es sich jetzt anhören mag, spannend ist. Der Alltag eines Grenzbeamten in Arstotzka, das eine Diktatur ist, falls man es aus dem Text nicht herauslesen konnte, besteht daraus, dass ich möglichst viele Leute kontrolliere, aber wenn ich jemanden durchlasse, die oder der eigentlich draußen hätte bleiben müssen, wird mir Geld weggenommen und ich muss meiner Familie die Heizung abdrehen, woraufhin sie krank wird. Wenn ich dies nicht tue, komme ich mit meinen Ersparnissen ins Minus und ich werde eingesperrt. Wenn ich mich am Grenzposten mit RegimekritikerInnen unterhalte und eine Geldspende annehmen, komme ich ins Gefängnis
. Wenn ich eine der immer neuen Regeln missachte, die täglich aufgestellt werden, komme ich ins Gefängnis.

So funktioniert die Welt, in der Papers, Please spielt. Das Spiel, das mittlerweile schon vier Jahre alt ist, hat bereits zahlreiche Preise gewonnen, und dies zurecht. Es nimmt sich einer Sache an, die viele von uns heutzutage, dank der EU, nicht mehr kennen und zeigt uns, was es hieß, wirklich strenge Grenzkontrollen zu haben, die jegliche Menschenrechte missachten, und wie es den GrenzbeamtInnen dabei geht. Papers, Please ist für mich und euch, die ihr das lest, nur ein Spiel, aber für sehr viele Menschen auf der Welt ist es bittere Realität. Ich finde es ist eine Sache, sich die Bilder von Grenzen und GrenzbeamtInnen im Fernsehen anzusehen und eine ganz andere, zumindest für die Dauer des Spiels mittendrin zu sein und ein klein wenig zu wissen, wie es sich anfühlt, ein kleines Rädchen in einem inhumanen System zu sein, dessen Alternative nur ist, selbst zu jemandem zu werden, der nach seinen Papieren gefragt wird
.

Die Prämisse, also ein Grenzbeamter in einer Diktatur zu sein, kann nur im Medium Videospiel funktionieren, da ein Buch, geschweige denn ein Film, die Ängste, die ich als Grenzbeamter habe, wohl kaum wiedergeben könnte. Mittendrin zu sein: Das ist ein unangenehmes Gefühl, das einen nicht so schnell loslässt, auch wenn man den PC ausschaltet.

Abschließend bleibt mir nur noch zu sagen: PAPERS, PLEASE!

 

Anm. des Redakteurs.: Falls jemand von euch das Spiel ausprobieren möchte, so ist es um 10 Euro am PC und mittlerweile auch am iPad zu haben.


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