
Arbeit als Luxusgut?
Oder wie Künstliche Intelligenz uns endlich wieder mehr Zeit zum Leben geben kann.
15. März 2016: Der Tag, an dem zugleich Hoffnungen und Ängste Vieler bestätigt wurden. Der Tag, ab dem kein Zweifel mehr bestand. Der Tag, an dem die Künstliche Intelligenz (KI) AlphaGo das letzte von fünf Matches in einem der komplexesten Brettspiele der Menschheit, Go, für sich entscheidet, gegen einen der besten Spieler der Welt, Lee Se-dol. Der Endstand von 4:1 für die KI ist mehr als Eindeutig und die Welt (nicht nur die der Go-Spieler) auf den Kopf gestellt – dies ist ein Meilenstein des technologischen Fortschritts, den viele noch Jahrzehnte entfernt wähnten.
Dass der Sieg in diesem vermeintlich unwichtigen Spiel die ganze Welt verändert, liegt daran, dass es Google’s Tochterunternehmen DeepMind gelungen ist, ein auf neuralen Netzen basierendes System zu entwickeln, das auf nie dagewesene Art und Weise lernfähig ist, anstatt, wie etwa ein Schachcomputer, auf vordefinierte Reaktionen für alle möglichen Situationen zu bauen. Dies lässt den Computer Aufgaben von enormer Komplexität lösen, und das meist weit besser und schneller als ein Mensch. Und genau diese Aufgaben sichern heutzutage unzählige Arbeitsplätze.
“Ihr seid gefeuert ihr Schmarotzer
Und ich tanz durch die Fabrik mit den brandneuen Robotern”
– Geld (K.I.Z,)
Dass Maschinen dem Menschen Arbeit abnehmen, ist bei weitem kein neues Phänomen: Schon in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts wurden durch die industrielle Revolution in vielen Bereichen Arbeitsplätze zerstört, gleichzeitig aber auch unzählige neue geschaffen – mit einem gesellschaftsverändernden Nebeneffekt: Der Entstehung der Zweiklassengesellschaft. Auf einmal besaßen wenige Reiche Fabriken, von denen der (weit ärmere) Großteil der Gesellschaft abhängig war. Menschen arbeiteten zu Hungerlöhnen und unmenschlichen Bedingungen, weil es einfach kaum Alternativen gab.
Genau diese Situation könnte durchaus wieder eintreten: Dank der technologischen Entwicklungen können bereits jetzt immer mehr mechanische Abläufe von Robotern erledigt werden, was die Industrie bereits stark verändert hat. Ein ähnliches Phänomen für logische Abläufe könnte Arbeitsplätze betreffen, die als sehr Zukunftssicher gelten. Was etwa, wenn ein Computer genau jene Maschinen, die zuvor von Menschenhand programmiert wurden, auf einmal ganz ohne zutun steuern kann? Was, wenn Software automatisch auf Fehler überprüft und verbessert wird, oder sich gar von Grund auf selbst schreibt? Der Trend der abnehmenden Zahl von Arbeitsplätzen würde sich auf viele neue Bereiche ausweiten und enorm beschleunigt werden.
Hört sich schrecklich an? Ist es eigentlich gar nicht. Denn was das eigentlich heißt, ist, dass immer weniger Arbeit von Menschenhand verrichtet werden muss und wir immer mehr Zeit haben, um den Dingen nachzugehen, die uns wirklich interessieren: Kunst, Bildung, Kultur, Reisen, Sport, was auch immer es sein mag – Dinge, mit denen man kein Geld verdienen kann. Und genau das ist der springende Punkt: Wenn die von Menschenhand zu verrichtende Arbeit und damit die Anzahl der Arbeitsplätze weiter sinkt, die Anzahl an Menschen auf der Erde aber weiter steigt, dann kann ein System, in dem Einkommen an Arbeit gekoppelt ist, nicht funktionieren
. Es würden wieder wenige Reiche alles besitzen, während die Mehrheit ihr Dasein in Armut fristen müsste. Und hier kommt die Idee des bedingungslosen Grundeinkommens ins Spiel.
Ein bedingungsloses Grundeinkommen würde, wie der Name schon sagt, bedeuten, dass jede/r, unabhängig von geleisteter Arbeit, ein Einkommen bekommt
. So einfach diese Idee klingen mag, so ist die Umsetzung doch durchaus kompliziert: Wie soll eine solche Umverteilung geregelt werden, ohne dass in Ländern, die dieses System als erstes Umsetzen, die Reichen die Flucht ergreifen und Ärmere in Scharen zuziehen? Wie soll nicht nur das Geld sondern auch die übrig gebliebene Arbeit fair auf die Masse an Menschen aufgeteilt werden? Und vor allem: Wann soll damit, oder zumindest mit einem Übergang in diese Richtung, begonnen werden?
Bis diese Fragen geklärt sind, wird sicher noch einiges an Zeit vergehen, auch die Einführung eines undurchdachten Systems hätte fatale Folgen. Doch in der Zwischenzeit können wir vor allem eines tun: Uns bewusst werden, dass sich etwas Grundlegendes am System ändern muss. Darüber nachdenken, darüber reden, und uns nicht davor verschließen. Es mag erst in 10, 20 oder gar erst 50 Jahren so weit sein, doch eines ist klar: Wenn wir diese Veränderung nicht schaffen, sieht die Zukunft für den Großteil von uns schlecht aus. Und wäre es nicht toll, wieder mehr Zeit für die wichtigen Dinge im Leben zu haben?