Menschenrechts-Stadtrundgang Graz
Los geht’s…
Obwohl ich kein Profi in Sachen Fotografie bin, habe ich mich an einem verregneten Montagnachmittag auf den Weg gemacht, um einige (menschenrechtlich) wichtige Punkte in Graz abzugehen und festzuhalten.

Leechkirche
Mein erster Halt war die Leechkirche in der Zinzendorfgasse – besser gesagt nicht die Kirche selbst, sondern der…

Asylstein
Schon im Mittelalter existierte ein Asylrecht. Davon zeugt der „Asylstein“ am Eingang zum Grundstück, auf dem die Leechkirche steht. Der deutsche Orden, dessen Besitzgrenze der Stein markiert, besaß das Asylrecht: Wer diesen Stein erreichte, bekam Kirchenasyl und war damit vor staatlicher Verfolgung sicher. Damit zeigt der Stein die Problematik, die sich mit dem „Kirchenasyl“ ergibt: Es stehen sich Staat und Kirche im Willen, (richtig) zu entscheiden, gegenüber. In den letzten Jahren wurde das „Kirchenasyl“, das als rechtlich gesehen schon lange tot war, wiederbelebt. Beispiele dafür sind die „sans papiers“, MigrantInnen ohne Ausweispapiere, in Frankreich, oder die Refugees in der Wiener Votivkirche im Jahr 2012.

Stadtparkbrunnen
Weiter führte mich mein Weg in den Stadtpark, hin zum Stadtparkbrunnen mit dem „rostigen Nagel“, dem „Brunnenwerk“ Serge Spitzers, das mit den Querelen um seine Aufstellung sowie mehreren Kampfansagen gegen seinen Verbleib ein wahres Lehrstück in Sachen „Freiheit der Kunst“ darstellt.

Platz der Menschenrechte
Auf dem – abgesehen von einigen jugendlichen „Punks“ und einem jungen Mann, der ein Tourist auf der Suche nach einem geeigneten Motiv für seine Erinnerungsfotos zu sein scheint – menschenleeren Platz rund um den Brunnen findet sich am Rand ein unauffälliges Schild. Es weist den „Platz der Menschenrechte“ aus. Seit inzwischen 15 Jahren ist Graz Menschenrechtsstadt. Das ist keineswegs ein Ehrentitel, sondern ein Titel, mit dem große Verantwortung einhergeht: Die Stadt verpflichtet sich mit ihrer Menschenrechtserklärung seit dem Jahr 2001, die Menschenrechte zu wahren, über sie zu informieren und Entscheidungen (der Stadtentwicklung) in ihrem Sinne zu treffen.

Stadtpark
Der an diesem Tag im Regen sehr verlassene Stadtpark ist ein wichtiger Treffpunkt – ein Treffpunkt der Nationen, Ethnien, Geschlechter und Altersruppen. Hier, im öffentlichen Raum, kann es häufig zu Interessenskonflikten kommen, denn jedeR hat das Recht, ihn zu nutzen. Es entstehen Reibungspunkte zwischen den Menschen unterschiedlicher Kulturen, Generationen und Lebenseinstellungen, die allerdings auch die Chance bieten, aktiv an einem friedlichen Miteinander arbeiten zu können.


Polizeianhaltezentrum, Paulustor
Am Paulustor befindet sich das Grazer Polizeianhaltezentrum. Dort wurden vor dem Bau des Zentrums in Vordernberg vor allem Schubhäftlinge untergebracht. Dennoch hat Graz – 2001 vom UNHCR als flüchtlingsfreundlichste Stadt Österreichs bezeichnet – gleich wie ganz Österreich mehrere große Flüchtlingsanströme in den vergangenen Jahrzehnten mit Anstand gemeistert: aus Ungarn 1956, aus der Tschechoslowakei 1968 sowie aus Ex-Jugoslawien in den 90er Jahren.

Karmeliterplatz
Am Karmeliterplatz findet man die Dreifaltigkeitssäule, die Kaiser Leopold I. anlässlich der überstandenen Pestepidemie im 17. Jahrhundert stiftete. Zur damaligen Zeit lebte man in Sachen Gesundheit, Reichtum und Sicherheit wesentlich gefährdeter, als wir es heute tun.


Freiheitsplatz
Vom Karmeliterplatz ist es nur ein Katzensprung zum Freiheitsplatz, wo ein Denkmal von Kaiser Franz I. in der Mitte thront. Das Abbild des bekannten Habsburgers erinnert an die Monarchie, die im 20. Jahrhundert zur Demokratie, dann wieder zur Diktatur wurde, bis schlussendlich die Demokratie nach einem Jahrhundert den Sieg davontrug. Geblieben ist die Idee der Freiheit, die auf die Französische Revolution von 1789 und die Revolution von 1948/49, die ganz Mitteleuropa erfasste, zurückgeht.

Erzherzog-Johann-Brunnen, Hauptplatz
Vom Adolf-Hitler-Platz wurde der Platz vor dem Grazer Rathaus 1945 wieder zum „Hauptplatz“
. Heute genießt Graz den Titel „Menschenrechtsstadt“, doch nach wie vor kommt es (am Hauptplatz) unter anderem zu Diskriminierungen von Randgruppen
. Seit 2012 ist es in der Grazer Innenstadt beispielsweise verboten, Alkohol zu konsumieren. Ausgenommen sind davon Gastgärten und Marktstände, die eine Ausschankgenehmigung besitzen. Das schließt jedoch Menschen mit begrenzten finanziellen Mitteln aus, die auf billiger zu erwerbenden Alkohol von Diskontern, die diesen natürlich auch in der Innenstadt verkaufen dürfen, angewiesen wären. Trinken darf also nur, wer das nötige Kleingeld dazu hat.


Herrengasse
Die Herrengasse ist das Herzstück der Grazer Altstadt. Spaziert man an einem solchen Regentag an den vielen Geschäften vorbei, in die sich durchnässte FußgängerInnen retten, um dem Nebel und der feuchten Kälte kurz zu entgehen, vergisst man fast, dass sie ein Brennpunkt der Diskussionen rund ums Bettelverbot war und ist. An genau so einem nasskalten Februartag fand hier eine der größten Demonstrationen statt, die es in Graz je gab: Man demonstrierte gegen das Bettelverbot, anlässlich der Landtagssitzung vom 12.02.2011, in der es beschlossen wurde.

Eisernes Tor
Die Marien- oder Türkensäule am Eisernen Tor wurde im 17. Jahrhundert im Gedenken an die „Türkenkriege“ errichtet. Zur damaligen Zeit wurde Graz aufgrund seiner starken Befestigungen – zu denen speziell der Schlossberg zählte – als wichtiges Bollwerk gegen das Fremde, speziell gegen das Türkische, gesehen. Die europäische Randlage Österreichs und sein jahrhundertelanger Konflikt mit dem Osmanischen Reich wirken bis heute im kollektiven Gedächtnis nach: Einem EU-Beitritt der Türkei zum Beispiel stehen viele skeptisch gegenüber.


Heilandskirche
Die Heilandskirche ist die erste evangelische Kirche in Graz und erscheint mit ihrem separat stehenden Kirchturm fast ein bisschen merkwürdig. Der Grund hierfür liegt in einer Beschränkung des Rechts auf Religionsfreiheit. Graz als Zentrum der Gegenreformation setzte in der frühen Neuzeit den katholischen Glauben in einem weitgehend protestantisch gewordenen Land wieder nahezu komplett durch. Nach dem Toleranzpatent Josefs II. dauerte es noch mehrere Jahrzehnte, bis ProtestantInnen in Graz das Recht bekamen, eine Kirche zu bauen. Dieses Recht hatte jedoch auch spezielle Auflagen: Der Bau musste aussehen wie ein gewöhnliches Wohnhaus, Kirchenfenster und –türme waren verboten. In Gemeinderatsprotokollen aus den 1830er Jahren finden sich ähnliche „Argumente“ wie jene, die in der aktuellen Diskussion um den Bau von Moscheen und Minaretten vorgebracht werden.

Rosa-lila PantherInnen
In der Annenstraße, die Grazer Innenstadt und Bahnhofsgegend verbindet, bin ich auf den Standort der rosa lila PantherInnen gestoßen. Diese sind eine Initiative für die Rechte Homosexueller. Bis in die 90er Jahre existierte im österreichischen Strafgesetzbuch ein „Schwulenparagraph“, der homosexuelle Betätigung sowie Werbung untersagte. Der zweite dieser Paragraphen, der für gleichgeschlechtliche Beziehungen unter Männern ein Schutzalter von 18 Jahren, unter Frauen 14 Jahren vorsah, wurde erst 2002 nach harscher Kritik durch den EMRG aufgehoben. Heute sieht das österreichische Gesetz ein Vergehen nur noch im „Missbrauch von Jugendlichen“, wobei der betreffende Paragraph geschlechts- und beziehungsneutral formuliert ist.
