
„Besser unsere Dschihadisten sterben in Syrien, als dass sie zurückkommen“ *
Laut einem Bericht des Institute for Economics and Peace (IELP) sind zwischen 25.000 und 30.000 Menschen aus mehr als 100 Ländern aufgebrochen, um im syrischen Bürgerkrieg und im Irak zu kämpfen. Rund die Hälfte kommt aus dem Nahen Osten und Nordafrika, ein Viertel aller KämpferInnen kommt aus Europa und der Türkei. Die Anziehungskraft scheint groß, von Jahr zu Jahr machen sich mehr EuropäerInnen auf.
Was bewegt diese Menschen dazu, in ein Krisengebiet zu gehen und ihr Leben zu riskieren? Was veranlasst sie dazu, Familie und Freunde zurück zu lassen und in ein Gebiet zu reisen, in das sie noch nie ihren Fuß gesetzt haben? Wütend über Menschenrechtsverletzungen des Assad-Regimes, desillusioniert, weil der Westen zu wenig unternimmt, religiöse Motive, sich zugehörig fühlen, Freunde, Hoffnungen auf ein neues Leben …Motivationen in den Nahen Osten zu ziehen gibt es viele, und es ist schwer ein allumfassendes Profil eines Dschihadisten zu erstellen. Jeder Radikalisierungsprozess ist anders, einzigartig.
Die Zurückkehrer/innen – was nun?
Nichtsdestotrotz stellt sich die Frage: Wie geht man mit jenen Menschen um, die sich entschlossen haben, wieder zurückzukehren? Einerseits kann man natürlich die Angst vieler verstehen, die argumentieren, dass diese ehemaligen Kämpfer ein Sicherheitsrisiko darstellen. Traumatisiert durch Erfahrungen und Erlebnisse, die sie in den Krisengebieten gemacht haben, seien sie gewaltbereiter, so eine Begründung. Unter Anleitung von Terrororganisationen wie IS sollen sie Terroranschläge im Westen verüben, so eine andere. Vorgeschlagene Maßnahmen reichen von De-Radikalisierung und einem so genannten „soft approach“ über strafrechtliche Verfolgung bis hin zu administrativen Sanktionen, wie dem Entzug von Pässen oder sogar der Staatsangehörigkeit. Obwohl auf dem Papier der Wille zu präventiven Antworten zu erkennen ist (siehe UN Resolution 2178 mit zahlreichen Verweisen auf Völkerrecht, humanitäres Völkerrecht oder internationale Menschenrechtsgesetze), lassen doch die meisten Staaten ihre Muskeln spielen
. Einige Staaten basteln an Gesetzen, um die Aberkennung von Staatsbürgerschaften einfacher zu machen. Österreich ist einer davon
.
Und da war doch noch das Völkerrecht
Staatsbürgerschaftsentzug ist jedoch nur bei Doppelstaatsbürgerschaften möglich, um zu vermeiden, dass Menschen staatenlos werden – dies wäre ein Verstoß gegen das Völkerrecht. Laut Staatsbürgerschaftsgesetz kann Österreich hier unter gewissen Umständen Staatsbürgerschaften aberkennen – das Eintreten in den Militärdienst eines anderen Staates ist einer davon. Dies soll auf die Teilnahme an bewaffneten Konflikten ausgeweitet werden. Neben der wie so oft üblichen Definitionsproblematik stellt sich eine weitere Frage: Ein Entzug der Staatsbürgerschaft bedeutet auch ein Brandmarken von Personen, sie von der Gesellschaft auszuschließen und somit zu Außenseitern zu machen. Und viel mehr: keine Chance mehr auf eine friedliche Reintegration.
Inklusion statt Exklusion
Ein Projekt der Stadt Aarhus in Dänemark setzt auf Reintegration. Das Programm, eine Kooperation zwischen Sozialamt und örtlicher Polizei, bietet Zurückkehrenden psychologische Beratung, Unterstützung bei der Suche nach Arbeit oder Ausbildungsprogrammen. Auch Familien derer, die bereits oder noch in Syrien kämpfen, werden betreut und gemeinsam mit LehrerInnen, SozialarbeiterInnen und Jugendclubs darauf trainiert, erste Anzeichen zu erkennen. Das Problem präventiver Maßnahmen ist jedoch immer, dass deren Erfolge schwer messbar sind. Wie viele Menschen wären in den syrischen Bürgerkrieg gezogen, gäbe es dieses Projekt nicht? Verhaftungen, Gerichtsprozesse, Konfiszierung von Pässen, Staatsbürgerschaftsentzug sind wesentlich einfacher in Zahlen zu messen. Doch die zugrunde liegenden Ursachen werden sie allein nicht lösen können. Eine Balance verschiedenster Reaktionen ist notwendig, um das Problem von verschiedenen Seiten angehen zu können. Um mit den Worten des Polizeikommisars der East Jutland Polizei, Allan Aarslev, zu enden: „What’s easy is to pass tough new laws. Harder is to go through a real process with individuals.“
*Zitat Mark Rutte, Ministerpräsident der Niederlande
Links zum Thema:
Economics and Peace – Global Terrorism Index Report 2015
International Centre for the Study of Radicalisation and Political Violence (ICSR)