
Das jüngste Gerücht
In einer postapokalyptischen Welt, irgendwo in der Südsteiermark
A: Habt´s schon gehört? In der Nähe von Spielfeld haben die Flüchtlinge gestern wieder an Spar ausgeräumt!
B: Nein?! Das wird echt immer schlimmer.
C: Einen Hofer sollen´s auch geplündert haben, einfach rein und alles mitgenommen! Die Verkäuferinnen sind natürlich einfach überrannt worden. Kein Wunder bei der Menschenmenge…
B: Oh Gott, ist ihnen was passiert?
D: Wann war denn das? Also ich war gestern beim Hofer einkaufen, da war alles ganz normal. Außer dass der Streichkäs´ schon wieder teurer geworden ist.
A: Des a no! Als hätt ma net scho genug Probleme.
C: Irgendwann gestern halt, warst wahrscheinlich vorher dort
. Ich hab mich so gefürchtet!
B: Warst denn selber dabei?
C: Das nicht, aber wie mir das die Tscherny Trude erzählt hat is mir echt das Grausen kommen. Der Nachbar von der ihrem Onkel hat nämlich mit eigenen Ohren gehört, wie ihm der neue Freund von seiner Tochter das gesagt hat. Der war nämlich persönlich dabei!
A: Die Resi hat an neuen Freund? Schad.
C: Ein richtiges Trauma hat der da davongetragen! Die Flüchtlinge sind einfach bei der Tür reingestürmt und haben sich Sachen geschnappt. Aber natürlich nur das Beste!! Einer von denen hat bei der Feinkosttheke herumgeschrien er is´ so arm und hungrig und sie sollen gefälligst das Rindsfarschierte und den Bio-Kürbis rausrücken. Und Rabattmarkerl wollt er a no, dabei hat er nur Sachen im Wert von 9,98€ gestohlen! I kann die Bilder net vergessen!
B: I hab gedacht du warst gar net dabei?
D: Der Hofer hat ja gar ka Feinkosttheke! Und Rabattmarkerl a net
.
C: Dann war´s halt beim Spar, was weiß ich. Das hat mir ja nur die Tscherny Trude erzählt.
A: Ja beim Spar waren sie ja auch, das hab i ja am Anfang scho gsagt. Das hat mir der Kreilhammer Peter erzählt, mit seinen eigenen Augen hat er mir das erzählt!!!
D: Und der war dabei?
A: Nein, der weiß es von seiner Friseurin, die arbeitet gleich neben dem Spar.
B: Hat der Kreilhammer Peter net a Glatze? Wofür braucht der an Friseur?
C: Jedenfalls hat einer von den Flüchtlingen dann noch mit seinem Smartphone ein Selfie mit der Verkäuferin gemacht, und so ganz syrisch gegrinst hat er dabei! Furchtbar, das alles.
A: Und dann hat ein anderer den Christstollen aufn Boden geworfen aus Protest, weil der nicht Mohammedstollen heißt!
B: Es gibt echt schon Christstollen beim Spar? Da muss ich gleich a paar kaufen, die Kinder werden si freuen! Boah, da wer ma unsere Kultur verteidigen heut Abend vor dem Fernseher! Da wird mir gleich ganz weihnachtlich zumute!
A: Apropos Wein-Nacht, nimm gleich an Doppelliter mit. Morgen treff ma uns beim Sigi und machen eine Besorgte-Bürger-Runde.
C: Super, i freu mi schon. Die Wahrheit muss verbreitet werden!
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In der derzeitigen aufgeheizten Lage verbreiten sich Gerüchte über Flüchtlinge und AsylwerberInnen rasend schnell, besonders schlecht prüfbar ist die Herkunft solcher Geschichten im Internet. Foreneinträge und Facebook Status werden geteilt, der Beleg fehlt meist. Wer vermutet, dass die offizielle Medienlandschaft Österreichs und sogar die Pressestellen der Polizei lügen, sollte sich vor Gerüchten ohne genaue Angaben erst recht hüten. Meistens stellen sie sich als falsch heraus.
Wenn jemand etwa von Plünderungen durch Flüchtlinge berichtet, fragt genau nach! Um welches Geschäft handelt es sich, wann hat das stattgefunden, wie hat die Person davon erfahren? „Das ist allgemein bekannt“ und ähnliche Antworten zählen nicht.
Die aktuellen Flüchtlingsströme stellen uns alle vor große Herausforderungen. Die Situation ist kompliziert genug; das Mindeste, was wir tun können, ist möglichst sachlich damit umzugehen.
Foto: (c) Ulf Tomaschek