
Auffallend getarnt
Die Welt ist nun mal nicht Schwarz-Weiß, nicht Gut-Böse. Nicht einmal in einem Bereich, von dem man das annehmen würde: dem Rechtsextremismus.
Warum „Sieg Heil!“ schreiende Jugendliche auf einer Holocaust-Gedenkveranstaltung keine Neonazis sind, TrägerInnen der Designermarke Thor Steinar ein rechtsextremes Statement abgeben und ganze Schulklassen die Texte von „DJ Adolf“ auswendig können, erklärte Alex Mikusch im Vortrag „Rechtsextremismus in Jugendkulturen“, der am 27. November in der Uni Graz stattfand.
Designtes Weltbild
Es gibt ja bekanntlich einige Dinge, die in Österreich in Zusammenhang mit dem Verbotsgesetz verboten sind. So die Darstellung des Hakenkreuzes und der „Sieg“-Rune oder der Hitlergruß. Und weil auch die überzeugtesten Neonazis nicht unbedingt ins Gefängnis wollen, aber trotzdem Erkennungszeichen brauchen, wird nach Ersatz gesucht. Und das bringt Probleme:
Immer weitere heidnische Symbole werden vereinnahmt, gerade die werden aber auch von unpolitischen Jugendlichen verwendet. Zugehörige gewisser Metal-Subgenres tragen Runen als Anhänger oder auf Kleidungsstücken, die wie auch das Hakenkreuz ursprünglich nichts mit Nationalsozialismus zu tun haben, aber inzwischen teilweise von rechten Gruppierungen vereinnahmt werden. Hin und wieder sieht man Skinheads mit Springerstiefeln, deren Aufmachung noch in den 90ern als der Prototyp eines Neonazis galt, heute aber auch nichts über politische Gesinnung mehr aussagt.
Im Gegenteil, Rechtsextreme vermeiden oft, sofort an „Klischees“ erkannt zu werden. Sie verwenden Zahlencodes, Zeichen, gewisse Kleidungsmarken. Die Marke Thor Steinar wird häufig als rechtsextremes Erkennungszeichen verwendet, andere Marken wie Lonsdale wehren sich gegen dieses Image.
Wenn nun also die Auswahl neonazistischer Erkennungszeichen derart beliebig ist, kann es nicht sinnvoll sein, immer mehr Symbole zu verbieten bzw. zu stigmatisieren, da dies einerseits unfair gegenüber deren unpolitischen TrägerInnen wäre, andererseits nur zu weiteren Verschiebungen führen würde. Wohl aber ist es viel wert, sich mit dem Thema zu beschäftigen und sich zumindest bewusst zu machen, was man mit seiner Aufmachung über sich aussagt.
Musik und Provokation
Ein besonderes Anliegen ist Alex Mikusch bei seinem Vortrag, dass jugendliche Provokateure und ideologisch gefestigte RechtsextremistInnen nicht in einen Topf geworfen werden. In einer Zeit, in der Piercings und gefärbte Haare nicht einmal mehr ein müdes Schulterzucken bei der älteren Generation auslösen, ist das „Spiel“ mit dem Thema Nationalsozialismus besonders reizvoll. Kaum etwas anderes vermag in Österreich so aufzuregen. Das gilt nicht nur für Aussagen und Aktionen, sondern genauso für Musik. Praktisch in jedem Musikgenre gibt es rechtsextreme Strömungen und Bands, da junge Menschen über Musik besonders gut erreicht und für Ideen gewonnen werden können
. Dass sich da Lieder von Interpreten wie DJ Adolf (Techno unterlegt mit Original Hitler-Zitaten) auf viel mehr SchülerInnen-Handys befinden als man glaubt, wundert nicht mehr
. Hitler ist provokant, provokant macht Spaß.
Das wichtigste ist, zu erkennen, wo der Spaß aufhört und die Ideologie dahinter beginnt, sich breit zu machen. Und dieser Übergang ist oft schleichend.
Foto: Alex Mikusch, Jugendarbeiter in Graz
Weiterführende Links
„Rechte Symbole, Codes, Slogans und Kleidung“, Broschüre