
Trauerpfützenspringer
Papa ist ausgezogen und kommt nicht mehr zurück. Wo ist er denn? Warum ist er weg? War es, weil ich mir nie die Zähne putzen wollte? Aber für die Gute-Nacht Geschichte ist er bestimmt wieder zurück, oder? Das kann niemand so gut wie er! Aber, wenn Papa einfach so weggehen kann, kann Mama das auch? Und was ist dann mit mir?
Trennungen sind schmerzhaft, das wissen viele von uns aus eigener Erfahrung. Auch für Kinder. Deren Bedürfnisse werden bei einer Scheidung oder Trennung der Eltern leider nur allzu häufig übersehen. Oft werden sie zum Spielball im elterlichen Rosenkrieg, sind hin- und hergerissen zwischen Papa und Mama und können nur schwer begreifen, warum ihre Welt plötzlich mit einem Schlag derart auf den Kopf gestellt wird.
Kinder in stürmischen Zeiten
Der Verein RAINBOWS hat es sich zur Aufgabe gemacht, Kindern genau in solchen „stürmischen Zeiten“ zu helfen. Die MitarbeiterInnen begleiten Kinder und Jugendliche im Alter von 4 bis 17 Jahren nicht nur bei Trennungen oder Scheidungen, sondern auch nach dem Tod einer nahen Bezugsperson. Für jede „Lage“ gibt es auch das entsprechende Angebot: Bei Trennung und Scheidung wird ausschließlich in altershomogenen Gruppen von 4-7 Kindern gearbeitet, die sich über einen Zeitraum von einem halben Jahr 14 Mal jeweils 1,5 Stunden lang treffen. Jede Stunde hat ein eigenes Thema, zum Beispiel gibt es eine Wut- oder eine Angststunde. Die Gruppe gibt den Kindern die Möglichkeit sich mit anderen auszutauschen, um festzustellen, auch anderen geht es ähnlich. Sie müssen sich für ihre Situation nicht schämen. Während dieser Zeit werden auch die Eltern durch drei Elterngespräche miteinbezogen und aktiv zur Mithilfe aufgefordert. „Manche Eltern meinen, wenn sie die Kinder zu uns schicken, kann der Rosenkrieg ungehindert weitergehen. Doch dadurch hat das Kind nicht viel Chancen.“, meint Ursula Molitschnig, Landesleiterin und zuständig für den Fachbereich „Begleitung nach Tod“. Verstrickt in einen Loyalitätskonflikt zwischen den beiden Elternteilen fehlt es den Kindern an einer neutralen Bezugsperson, der sie alles anvertrauen können. Und genau das versucht RAINBOWS zu sein
. Rechtlich hat und will RAINBOWS keine Stellung im Scheidungsprozess einnehmen, da man dadurch Gefahr läuft, von einer Seite instrumentalisiert („benutzt“) zu werden.
Kinder trauern anders
Beim Tod eines geliebten Menschen arbeitet man hingegen selten in Gruppen. Oft werden mehrere Geschwister oder gleich die ganze Familie betreut. Rituale, vor allem Abschiedsrituale spielen eine wichtige Rolle, um den Weg der Trauer weiter gehen zu können. „Abschied wird immer als etwas Negatives wahrgenommen. Wir versuchen, einen positiven Abschied zu gestalten.“, so Molitschnig. Sich von etwas oder jemandem zu verabschieden (können) oder sich zu trennen (können), kann in gewisser Weise auch befreiend sein.
Kinder trauern anders. Sie leben viel mehr im Hier und Jetzt, drücken spontaner aus, was sie gerade fühlen. Dadurch sind sie allerdings auch viel sprunghafter als Erwachsene. „Trauerpfützenspringer“, nennt es Ursula Molitschnig, „Damit können Erwachsene oft nur schwer umgehen. Aber Kinder und Jugendliche brauchen diesen Schutzmechanismus und es ist wichtig, das zu verstehen
.
RAINBOWS sieht sich in erster Linie als Lobby der Kinder, aber „eher als eine für ihre Gefühlswelt“, wie es Ursula Molitschnig auf den Punkt bringt.