
Frau hat’s nicht leicht
Anna und Paul haben die gleiche Ausbildung gemacht und gleich viel Berufserfahrung. Seit zwei Jahren arbeiten sie für den gleichen Betrieb, haben dort die gleiche Position und machen die gleiche Arbeit. Der einzige Unterschied: ihr Lohn – Paul verdient mehr
. Warum? Gute Frage…
Gleicher Lohn für gleiche Arbeit – ein vernachlässigtes Menschenrecht
„Jeder, ohne Unterschied, hat das Recht auf gleichen Lohn für gleiche Arbeit.“, heißt es in Artikel 23 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte. Geschlechterspezifische Lohnunterschiede sind allerdings immer noch keine Seltenheit.
Auch in Österreich kann von gleichem Lohn für gleich(wertig)e Arbeit nicht die Rede sein: Laut Daten der Statistik Austria lag das durchschnittliche Bruttojahreseinkommen von Frauen auf Basis der Lohnsteuer im Jahr 2011 bei 18.549 Euro, das von Männern bei 30.690 Euro. Frauen verdienten also rund 40 Prozent weniger als Männer[1] – damit zählt Österreich im Vergleich der EU-Mitgliedsstaaten zu den Ländern mit den größten geschlechtsspezifischen Lohn- und Gehaltsunterschieden. „Die machen halt einfach schlechter bezahlte Jobs“, ist die typische Ausrede für diese schockierenden Zahlen. Vertiefende Analysen der Gehaltsunterschiede haben aber gezeigt, dass in Österreich weniger als die Hälfte dieser „Gender Pay Gap“ durch beobachtbare Merkmale erklärt werden kann. Unterschiedliche Wirtschaftsbereiche und Berufe, Unterschiede im Ausbildungsniveau, Dauer der Zugehörigkeit zum Unternehmen und ähnliche nachvollziehbare Gründe für geringere Löhne machen also nur einen geringen Prozentsatz der Gehaltsunterschiede aus – der große Rest kann durch diese Faktoren nicht erklärt werden. Fakt ist also: Gleiche Arbeit, weniger Lohn.
Diskriminierungen schon bei der Bewerbung
Ein anderes Szenario: Sophie ist 27 Jahre alt und für die in der Zeitung ausgeschriebene Stelle was Qualifikationen, Fähigkeiten und Erfahrung angeht, bestens geeignet. Beim Vorstellungsgespräch wird ihr die überraschende Frage gestellt, ob sie denn Kinder wolle. Sie antwortet wahrheitsgemäß, dass sie eine Familie gründen möchte
. Obwohl das nichts mit der Stelle zu tun hat, wird die Antwort ihr zum Verhängnis: Den Job bekommt schließlich Peter, der zwar weniger qualifiziert, aber dafür kinderlos ist.
Wie dieses Beispiel zeigt, können Diskriminierungen von Frauen schon bei der Bewerbung anfangen: Frauen mit Kindern oder Kinderwunsch haben im Kampf um einen Job häufig das Nachsehen. ArbeitgeberInnen sorgen sich um Mutterschutz, Karenz und private Termine und holen sich oft lieber einen Mann ins Unternehmen. Dabei ist es verboten, einen Job abhängig von Familienstand, Kindern oder Familienplanung zu vergeben – solche Faktoren dürfen im Bewerbungsprozess keine Rolle spielen. BewerberInnen haben daher das Recht, auf persönliche Fragen dieser Art beim Vorstellungsgespräch einfach nicht zu antworten. Leider wird keine Antwort in solchen Fällen aber oft auch als eine Antwort verstanden; Mit der Konsequenz, dass sicherheitshalber lieber ein Mann in den Betrieb geholt wird, selbst wenn es ein weniger qualifizierter Bewerber ist.
1. Mai – Tag der Arbeit
Heute ist Tag der Arbeit, auch bekannt als Maifeiertag oder Kampftag der Arbeiterbewegung. Er wurde in Österreich erstmals 1890 begangen, um Opfern von verheerenden Ausschreitungen bei Demonstrationen für bessere Arbeitsverhältnisse zu gedenken. Zweifelsohne hat sich seit dem 19. Jahrhundert im Bereich der Arbeit vieles verbessert – (noch) ist aber lange nicht alles Friede, Freude, fair. Gerade für eine Gleichberechtigung unabhängig von Geschlecht, Hautfarbe usw. bleibt noch viel zu tun. So ist die Diskriminierung von Frauen am Arbeitsmarkt zwar ungerecht, unbegründet und schlichtweg verboten, aber trotzdem ein immer noch weit verbreitetes Phänomen.
[1] Berücksichtigt man die Unterschiede im Beschäftigungsausmaß (Teilzeit, …) und betrachtet man nur die ganzjährig Vollzeitbeschäftigten, lagen im Jahr 2011 die Bruttojahreseinkommen der Frauenmit 31.598 Euro immer noch um 18,5% unter jenen der Männer mit 38.776 Euro.