
Wer wir sind
Was ist das eigentlich, eine Identität? Haben wir eine, brauchen wir eine? Inwieweit muss sie verteidigt werden, und wie komme ich als AHS-Maturant überhaupt dazu, existenzphilosophische Überlegungen anzustellen, an denen sich so manche SozialwissenschaftlerInnen die Zähne ausbeißen?
„Unsere Identität ist für uns das Zusammenspiel aus unserer tradierten Kultur, unserem Bewusstsein, eine homogene, verwandte Gemeinschaft zu sein sowie der gemeinsamen Erinnerung an ihren Weg durch die Zeit.“
So sieht das die „Identitäre Bewegung Österreich“, der Ableger einer inzwischen in einigen Ländern Europas agierenden rechten Vereinigung, die mit dem Slogan „100% Identität, 0% Rassismus“ den Untergang des Abendlandes, namentlich durch Islamisierung, aufhalten will.
Der lose Bund, der mal als parteiähnliche Bewegung, mal als bloßer Denkclub agiert, wirft Szenarien in den Raum, wie etwa die Einführung der Scharia durch eine demokratische Mehrheit von Muslimen in Teilen Österreichs etc… Bleiben wir gleich bei diesem Beispiel: Dass das Blödsinn ist, muss jedem klar sein, der schon mal von der österreichischen Verfassung gehört hat. Um die zu ändern, müssten zwei Drittel aller Wahlberechtigten Österreichs dafür stimmen. Heißt also, selbst wenn 80 Prozent der Wahlberechtigten Ottakrings radikale IslamistInnen wären, könnten sie keinen „Gottesbezirk“ in Wien-West einrichten.
Die Nazikeule
Dadurch, dass die Identitären voranstellen, keineswegs rassistisch zu sein und sämtliche totalitären Ideologien abzulehnen, wollen sie sich Luft schaffen, um ihr rechtes Weltbild auf durchaus intellektuelle und großteils sachliche Weise zu zeichnen.
Und dadurch, dass ich dies in Zweifel ziehe, bevor ich mich mit ihren Inhalten auseinandersetze, bin ich genau einer dieser linken IdiotInnen, die eine sachliche Diskussion über die „Islamisierung“ Österreichs im Keim ersticken. (Keine Sorge, die kommt gleich.)
Woher kommen die Identitären? Ursprünglich aus Frankreich, sie gingen dort aus der verbotenen rechtsextremen „Unité radicale“ hervor. In Österreich waren einige der AktivistInnen noch vor kurzer Zeit im Umfeld von Gottfried Küssel aktiv, und der „Gefällt mir“-Knopf auf der Facebook-Seite der Bewegung wurde auch von Neonazi-Größen wie Franz Radl oder Werner Königshofer gedrückt. Natürlich noch lange kein Grund, die demokratischen Absichten der Bewegung zu bezweifeln und „mit der Nazikeule zu fuchteln“, wie man (nicht nur) unter Identitären sagt. Aber doch recht interessant, wie ich meine.
Born identity?
Wir sind „hier“ geboren, wo auch immer das ist, und „hier“ ist, sofern wir nicht umgezogen sind, unsere Heimat
. Und genau das ist der Knackpunkt. Ist, wer in ein anderes Land zieht und über viele Jahre hinweg darin lebt, dort auch heimisch? Diese Frage lässt sich für jede Migrantin und jeden Migranten nur subjektiv beantworten, hat aber große Bedeutung, wenn man von kulturellem Verfall und Identitätsverlust im Zuge einer „Überfremdung“ spricht.
Die Identitären sehen sich als Befürworter der Vielfalt der Kulturen. Um den Erhalt dieser in einer globalisierten Welt zu gewährleisten, sollen sie getrennt leben. Multikulturalismus trifft auf Apartheid, mit „Respekt vor dem Anderen und Einsatz für das Eigene“
. Wenn aber ein Moslem sich als Österreicher fühlt, ist er dann nicht Teil der österreichischen Identität? Nein, sagen die Identitären, weil er nicht Teil unserer „homogenen“ Gemeinschaft ist.
Es gibt Dinge, die man sagen dürfen muss: Ja, Globalisierung bringt große Probleme mit sich. Ja, „Verflachung, Vereinheitlichung und Abstumpfung“ der Kulturen sind eine Bedrohung für die Vielfalt derselben. Der Anblick eines „McDonalds“ in Österreich war vor einigen Jahrzehnten ein genauso fremder Anblick wie der eines „Dönerladens.“ Ja, es leben über eine halbe Million MuslimInnen in Österreich, und es werden noch mehr werden. Ja, ihre Geburtenraten sind höher als die der „AltösterreicherInnen“, aber die Statistik zeigt, dass sie sich mit der Zeit dem Durchschnitt angleichen. Wenn wir unser ethnokulturelles Erbe erhalten wollen, werden wir es pflegen müssen, und dazu stehen.
Zu guter Letzt: Ich habe noch nirgendwo einen derart guten Döner Kebab gegessen wie in Graz. Nicht in England, nicht in Spanien, nicht in Ägypten. Ein Stück Heimat.